[1] Anmoderation
Wenn Sie gestern morgen mit der Bahn von oder nach Berlin wollten, war das Ihr schwarzer Mittwoch. 200 streikende Bahnangestellte legten den Berliner Hauptbahnhof still. Ihr Anliegen: sichere Arbeitsplätze. Doch ihre Gewerkschaft hat noch einen besonderen Grund: Bloß keine Konkurrenz, die Deutsche Bahn AG soll bleiben was sie schon immer war: ein Monopolist, der Wettbewerber von der Schiene beißen kann! Und genau so wünscht’s übrigens auch der Konzernchef, Hartmut Mehdorn. Steffen Meyer über eine besonders ungewöhnliche Männerfreundschaft und ihre besonders unglücklichen Opfer: Die Bahnkunden.
Gestern - fünf Uhr morgens im Berliner Hauptbahnhof. Warnstreik. Für zwei Stunden wird der Verkehr lahm gelegt. Die Folge: Zugverspätungen bundesweit.
Die Bahnkunden sind verärgert.
Fahrgast
„Ich habe meinen ersten Arbeitstag heute in der neuen Firma. Und komme natürlich jetzt gleich zu spät, das macht sicherlich einen sehr guten Eindruck.“
Fahrgast
„Ich bin bedient.“
Fahrgast
„Was soll der Quatsch?“
Der Streik soll der Sicherung der Arbeitsplätze dienen, weil doch jetzt alles anders wird. Der Bahnkonzern wird privatisiert.
KONTRASTE
„Wofür streiken Sie heute hier?“
Streikender
„Für den Erhalt der Arbeitsplätze bei der Bahn.“
Offiziell wollen die Streikenden eine Jobgarantie von ihrem Staatsunternehmen - auch nach dem geplanten Börsengang.
Merkwürdig nur: An höchster Stelle - im deutschen Bundestag - wurde bereits entschieden, dass bei der Bahn keine Arbeitsplätze abgebaut werden dürfen. Die Verkehrsexperten geben die Arbeitsplatzgarantie auch für den Fall, dass der Bundestag demnächst beschließt, nur mit einem Teil des Konzerns an die Börse zu gehen.
Bei diesem Modell behält der Bund das Netz mit all den Bahnhöfen und lässt es von einem bahnunabhängigen Dienstleister betreiben. Das heißt: Der Arbeitgeber wechselt, die Arbeitsplätze bleiben.
Für die Experten im Bundestag hat der Streik somit nichts mit dem Erhalt der Jobs zu tun.
Peter Danckert (SPD), Mitglied des Bundestages, Verkehrsausschuss
„Also, ich bin absolut sauer über diesen Streik, das will ich ganz deutlich sagen, vor allen Dingen, weil die Voraussetzungen nicht so sind, dass er gerechtfertigt ist.“
Horst Friedrich (FDP), Mitglied des Bundestages, Verkehrsausschuss
„Das Ganze ist inszeniert und hat nur eine einzige Ursache, nämlich eine politische Entscheidung zu beeinflussen.“
Anton Hofreiter (Bündnis 90/Die Grünen), Mitglied des Bundestages, Verkehrsausschuss
„Die politische Entscheidung ist die Trennung von Netz und Transport bei der DB AG, das was die Gewerkschaft Zerschlagung nennt und damit wäre ein Streik, der das Parlament unter Druck setzt, ein politischer Streik und letztendlich ein illegaler Streik.“
Der Vorwurf: Es geht nicht um eine Arbeitsplatzgarantie, sondern um eine politische Demonstration - während der Arbeitszeit und mit Hilfe von Streikgeldern. Und das wäre verboten.
Die Kunden hängen im Bahnhof fest, weil die Gewerkschaft den Verkehr blockiert -und so die Zerschlagung des Monopolisten verhindern will?
Dem Gewerkschaftsboss Norbert Hansen würde der Erhalt des Monopols mit seinen festgefahrenen Strukturen die Macht garantieren. Denn: würde der Koloss Bahn zerschlagen, könnten zigtausende von Mitgliedern seiner Gewerkschaft Transnet zu einer anderen Gewerkschaft wechseln.
Und darum erhält Bahnchef Hartmut Mehdorn Hilfe von Transnet bei der Sicherung seiner Marktmacht. Tarifgegner in trauter Einigkeit.
Hartmut Mehdorn, Vorstandsvorsitzender DB AG
„Auf in den Kampf, kann ich nur sagen.“
Norbert Hansen, Vorsitzender Gewerkschaft Transnet
„Ja.“
Partner beim Erhalt des Monopols.
Norbert Hansen , Vorsitzender Gewerkschaft Transnet
„In Deutschland ist es offensichtlich ungewöhnlich, wenn eine Gewerkschaft mit dem Unternehmen einig sind.“
Man ist sich also einig, dass die DB AG weiterhin über das Netz bestimmen soll. Damit könnte der Monopolist Konkurrenten - die Privatbahnen - klein halten, weiter die Ticket-Preise für die Bahnkunden diktieren und die langsame, teure und unflexible Bahn bliebe unattraktiv für den Güterverkehr.
Die Folge: kaum Wachstum beim Schienenverkehr - obwohl das gewollt ist. Schließlich würde das zusätzliche Arbeitsplätze in der Branche bringen.
Auch deswegen wollen die Experten im Bundestag das Bahnmonopol abschaffen:
Anton Hofreiter (Bündnis 90/Die Grünen), Mitglied des Bundestages, Verkehrsausschuss
„Der Bundestagsausschuss will natürlich aus volkswirtschaftlichen Gründen, aus Gründen dessen, dass er mehr Arbeitsplätze haben will, dass er mehr Verkehr auf der Schiene haben will, dass er weniger Kosten haben will, will das Monopol des Herrn Mehdorn knacken.“
Horst Friedrich (FDP), Mitglied des Bundestages, Verkehrsausschuss
„Wir sind uns mit der kompletten Fachwissenschaft, mit der Wirtschaft, mit allen Verbänden im Arbeitgeberbereich eigentlich einig, dass unsere Lösung die richtige ist.“
Peter Danckert (SPD), Mitglied des Bundestages, Verkehrsausschuss
„Das ist die weitest reichende Entscheidung im Bereich der Verkehrspolitik - das letzte große Vermögen, was der Bund hat. Und hier sind wir Sachwalter der Interessen des Volkes.“
Die Steuerzahler haben die Bahn finanziert. Im Eisenbahnnetz stecken fast 200 Milliarden Euro. Gutachter berechneten: Die Privatisierung der DB AG mitsamt dem Netz würde an der Börse nur 8 Milliarden Euro einbringen - allerhöchstens. Indiskutabel, sagt auch die Union.
Dirk Fischer (CDU), Mitglied des Bundestages, Verkehrsausschuss
„Ich habe als Parlamentarier schlicht und ergreifend keine Lust, mir die Verscherbelung eines so gewaltigen Staatsvermögens unserer Steuerzahler vorwerfen zu lassen.“
Doch die Allianz aus Bahnvorstand Mehdorn und dem Gewerkschaftsboss ist effektiv. Sie gewinnen einen mächtigen Fürsprecher, der mit der Verscherbelung des Volksvermögens anscheinend keine Probleme hat.
Peter Struck, der Fraktionschef der SPD im Bundestag hat - ohne seine Fachleute zu konsultieren - dem Gewerkschaftsboss schriftlich bestätigt: die Bahn soll das Netz doch kriegen. So versichert er dem lieben Norbert, dass:
Zitat:
„...eine Betriebsaufspaltung ... für uns nicht in Frage kommt.“
Es drohen noch mehr solche Streiks, man will auch die CDU in die Knie zwingen:
Norbert Hansen, Vorstand Gewerkschaft Transnet
„Ich hoffe sehr, dass diese Initiative von Peter Struck jetzt auch auf entsprechende Unterstützung in der Unionsfraktion führt.“
Falls nicht, wird wohl weiter gestreikt - gegen das Parlament. Ein politischer Streik auf Kosten der Bahnkunden.