Der Gast hat das Wort

VON Dr. Wolf SiegertZUM Freitag Letzte Bearbeitung: 15. Januar 2015 um 23 Uhr 22 Minuten

 

Nachfolgende Restaurantkritik ist ein Gastkommentar, dem - leider - umso lieber ein Platz eingeräumt wird, da dem Herausgeber die hier angesprochene Gast-Stätte bislang selbst noch in guter Erinnerung war. WS.

Lübars Ade !

Eigentlich hätte es ein nettes, unprätentiöses aber geschmacklich einwandfreies, spätes Mittagessen im Schatten imposanter Bäume im „Alten Dorfkrug“ werden sollen. Aber eigentlich hätten wir uns auch sofort von dannen machen müssen, nach einem kurzen Blick auf die für uns total neue und „kurios exotisch bis orientalisch-asiatisch“ unterwanderte Menukarte. Nicht, dass wir mit den Gewürzen, Zutaten, den Geschmäckern und Gerüchen nichts hätten anfangen können: wir sind beide mit den exotischsten Küchen von Tokio via Seoul nach Peking, den Küchen Indiens und des größeren Arabiens mit Zwischenstopps in Israels lokalen und eingewanderten Gerichten, mit Frankreichs bodenständigen oder/und eleganten Menus auf Du. Die Mediterrane Küche von Lissabon (wo der Atlantik allerdings mehr zum rustikalen Schwein zu sagen hat) über Rom zu den Weiten der Türkei und dem ganzen Küchenrepertoire Libanons sind uns so ziemlich alle Variationen bekannt, die aus frischen Zutaten gefertigt, appetitanregend auf den Tisch kommen. Drücken wir es anders aus: meine Tochter und ich tragen eine Art gastronomische Landkarte in uns. Sicher, ein paar große, weiße Flecken, ganze Kontinente, sind da noch ausgespart. Die zwei amerikanischen, große Teile des so genannten schwarzen Kontinents wie auch die australische Welt. Wenn uns die bekannte einmal die Zeit lassen sollte, dann kommen auch diese „Randwelten“ auf unser Programm.

Zurück zum „Alten Dorfkrug“. Da war ich seit gut sechs Jahren nicht mehr gewesen und das letzte Mal Essen dort mit meiner Tochter lag bestimmt schon zehn Jahre zurück. Damals kamen wir öfter nach der Schule auf ein gemütliches Gemeinsamessen. Seit wir vor über einem Jahrzehnt aus dieser Gegend weg gezogen sind liegt Lübars eben nicht nur nicht mehr auf der Strecke sondern ganz einfach j.w.d. – für die nicht Berliner „janz weit draußen“! Damals war die Küche einfach bis deftig. Nicht immer war alles gut gelungen. Aber sie war ehrlich. Die zentrale Lage im Dorf, das alte Haus und der schattige Garten erzeugten die Atmosphäre, die den Gast in jeder Hinsicht zufrieden stimmte. Die e.V., die den heutigen „Alten Dorfkrug“ betreibt, scheint sich von einem wundersamen „Küchenchef“ in eine Sackgasse der kulinarischen „Werte“ abtreiben zu lassen. Auf ersten Anhieb liest sich die Karte nämlich so als ob, aus verschiedenen Urlaubsorten aufgelesene Gerichte noch mit ein paar extra Zugaben aufgewertet werden sollten. An jedem der 20 Gerichte war mindestens eine „Aufwertung/Verbesserung“ entweder zuviel des Guten, total unpassend von der geschmacklichen Richtung her, oder nur ein „kulinarisches Modeaccessoire“. Wir entschieden uns für die, so dachten wir, unverfänglichsten oder am wenigsten zu „verhauenden“ Gerichte. Die Tochter wollte es mit den dreierlei Suppen aus der Dorfkrug Küche wagen. Ich wollte dem „besten Stück“ vom Schwein eine faire Chance geben. Die „fruchtige Kokos-Mangosuppe“ kommt mit kräftigen Rot und gebackenen Ananaschips, laut Karte, daher. Sie schmeckte weder nach Kokosmilch oder Fleisch, geschweige denn nach Mango. Was das kräftige Rot anging handelte es sich de facto um ein paar fadenscheinige Steifchen wässrigen Paprikaschotenrots – die auch, wie denn auch, nach nichts schmeckten. Die besagten Ananaschips hätten genauso gut frittierte Pappe sein können; sie schmeckten nach nichts und waren nur steif! Daneben, als zweite im Bunde, auf demselben Riesenteller in mini Souffléschalen serviert, thronte die kalte Pistaziencreme, die nur nach den angekündigten Amaretto- Aromen (von denen man wohlweislich verschwieg, dass es sich um die chemische Variante und nicht der aus dem Bittermandelextrakt handelte) und so süß war, (warum wohl? was sollte da vertuscht werden?), dass trotz ein paar spärlicher Marzipansplitter, für die es einer Lupe bedurft hätte, keinen Beweggrund gab über den kleinen Kosttropfen weiter nach einem kulinarischen Genuss zu suchen. Selbst die lästigen Wespen schienen nicht so richtig von dieser giftgrünen Brühe angetan zu sein. Und das will was heißen! Das „süß-saure Garnelensüppchen“ war weder süß noch sauer sondern einfach nur hinüber. Dem verkochten Gemüse waren ein paar frischere Streifchen hinzugefügt und die vertrocknete Garnele, die wohl länger in einem Salzbad gelegen haben muss war aus Scham auf den Boden gesunken. Von da her strömte sie Salz und einen nicht sonderlich schmackhaften Duft aus. Diese zierlichen Ungenießbarkeiten sollten dann auch noch mit einem ganz normalen, großen Suppenlöffel ausgelöffelt werden. Schwieriges Unterfangen, denn rein passte er kaum. War aber eigentlich auch gar nicht nötig; ein Fingerhut voll reichte für die Bewertung….

Unter/auf meinem besten Stück vom Schwein, das einmal ein zartes Filetstück gewesen sein dürfte, befand sich kein indischer Pfeffer. Oder sollte sich der in der aus dem billigen Glas kommenden Cocktailsoße versteckt gehalten haben? (Um diese trockene Angelegenheit von Fleisch runter zu kriegen musste ich mich dieser Schmiere bedienen, leider!) Schwer zu glauben; sie schmeckte einfach nur nach der billigen Ware, die billige Supermärkte an Geschmackshascherln tonnenweise verkaufen. Die Würze dieses feinen Pfeffers, der es eigentlich nur noch mit dem Laotischen Mekong-Pfeffer aufnehmen kann, sollte von Chinakohl und grünem Reis unterstützt werden. So steht es auf der Karte zu lesen. Also der Reis war mal eine schäbige Risottopampe der man, eine unangenehme grün-braune Farbe untergerührt hat. Das Personal wusste nicht, woher diese unsägliche Färbung stammt (ich auch nicht!). Auf meine sehr bestimmte Nachfrage wurde behauptet, dass diese von den Bambusblättern komme in denen der Reis gedünstet wird……. Also solche Bambusblätter, die wie vergammelte Weinblätter aussehen, sind mir in ganz Asien in meinen 40 Reise-Jahren noch nicht untergekommen. Ich verspreche aber, danach zu suchen. Was nun den Chinakohl angeht hätte er eine mini Salatvariante darstellen sollen. Dieses unregelmäßige Geschnipselt „badete“ (Ausdruck den ich mir von einem anderen Gericht ausleihe, bei dem „eine Putenbrust und einem Nuss-Mix baden in einer Orangen-Chilisauce“ (sic)!) in einer undefinierbaren Tunke und das Ganze schmeckte nur fad und bitter zugleich. Nach genauerer Untersuchung entpuppten sich die kleinen bräunlichen Funzelchen als gehackter Radicchio. Was der da zu suchen hatte, ist mir immer noch schleierhaft. Genauso wie ich mich auch frage warum alles immer auf Lemongras aufgespießt sein muss oder warum alles in einer Trilogie aufmarschiert.

Zufriedene Gesichter gab es keine um uns herum. Nach jedem „hat’s geschmeckt?“ gab es nicht gerade begeisterte Ausrufe. Zusammenfassend kommt das auf das „nicht so wirklich“ von einem unserer Nebentische. Bei uns wurde nicht mehr nachgefragt. Die Hochzeitsgesellschaft, die gerade den selbst mitgebrachten Kuchen aufstellte stürzte sich auf das Hausgebackene – nicht unbedingt ein Kompliment an den Koch des „Alten Kruges“. Sie glich eher einer Beerdigung wäre da nicht manchmal eine nicht mehr ganz taufrische Braut in Weiß aufgetaucht. Also Stimmung sieht anders aus.

Aber da war noch was: ja, die Getränke – sie waren ganz bestimmt lauwarm in den Kühlbehältern….. bei 30° im Schatten. Eigentlich sträflich!

AG


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