SPIEL-FILM

VON Dr. Wolf SiegertZUM Donnerstag Letzte Bearbeitung: 16. Januar 2015 um 00 Uhr 58 Minuten

 

Unter dem Titel "Digitale Kinowelten - Kinosterben nach dem Ende der Filmrolle?" hat heute die Friedrich-Ebert-Stiftung zu einer Diskussion eingeladen. [1]

Nach der Begrüßung durch Frau Dr. Irina Mohr, Leiterin Forum Berlin der Friedrich-Ebert-Stiftung, spricht und moderiert Frau Angelika Krüger-Leißner, MdB, Filmpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion.

Sie rekapituliert nochmals die in Deutschland schon im Jahr 2003 begonnene Diskussion um die Digitalisierung des Kinos und macht darauf aufmerksam, dass das Kino auch in Zukunft als ein sozialer Ort verbleiben solle, gerade dort, wo im ländlichen Raum solche Räume der Begegnung von noch höherer Bedeutung seien als in der Stadt. Und dass nach der 2003 aufgenommenen Diskussion nun endlich Taten zu folgen haben.

Nach der Präsentation des Kurzfilms von Dietrich Brüggemann: "Warum läuft Herr V. Amok?" spricht Prof. Dr. Dieter Wiedemann, Präsident der Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“ in Potsdam-Babelsberg mit Studierenden der HFF über die Zukunft des Kinos.

Söhnke Kirchhoff und der Regisseur sind in der Diskussion mit dabei.

Für ihn sind zunächst einmal die starken Geschichten von Bedeutung, egal ob in analoger oder in digitaler Form. Und er fragt Dietrich Brüggemann, wie er sich in der Zukunft des Kinos sähe. Er antwortet:
"Ich war auch mal Filmvorführer bei Cinemaxx in München, was für ein Scheissjob, diese kiloschweren Rollen" und man findet den Film dort, wo man ihn sucht. Für ihn ist es schon ein Unterschied, ob man einen Film digital dreht und oder produziert, oder ob man diesen Film dann auch digital zeigt.

Der Produzent in spe wünscht sich sein Kino der Zukunft nach wie vor vor der grossen - einer möglichst grossen - Leinwand. Für ihn ist der Unterschied zwischen analoger und digitaler Produktion nicht so entscheidend. Inzwischen habe er auch schon einen Film in 3D gedreht, weil ihn die Besucherzahlen schon sehr beeindruckt haben.

Es folgt eine Podiumsdiskussion mit
— Dr. Christian Bräuer,
Vorstandsvorsitzender der AG Kino -
Gilde deutscher Filmkunsttheater e.V.

Das Kino sei ein kultureller und sozialer Ort, oft mit einer langen Tradition und vielen Herausforderungen: Tonfilm, Farbe, Video.
Aber die Kosten seien zu hoch, "arschteuer", die 90tausend Euro sind zu teuer und können nicht allein aus dem Umsatz finanziert werden. Die bunte Kinolandschaft in Europa braucht die Unterstützung durch die Politik. Man sei dankbar für diese potenzielle Bereitschaft zur Unterstützung. Diese solle aber nicht verkommen für Mitnahme-Effekte für 3D.

— Johannes Klingsporn,
Geschäftsführer des Verbandes der Filmverleiher e.V.

Man solle nicht nur über die Bedrohung des Kinos reden, sondern auch über die Chancen, die sie in Zukunft haben könn(t)en. Denn die "Kinos müssen aus der analogen Nische" heraus. Nur digital können die Kinos zukunftsfähig sein. Das Kino als Traumfabrik habe eine wirtschaftliche und eine kulturelle Dimension. Für einen flächendeckenden Ansatz sind aber auch die Ketten mit ihren Häusern nicht wegzudenken, auch im Osten Deutschlands. Und dann zitiert er aus einer EU-Studien den Satz: "Celluloid-Print is a deadman walking".

— Dieter Kosslick,
Direktor der Internationalen Filmfestspiele Berlin

Sie hatten den Plan, zum 60. nicht nur über den Film zu reden, sondern auch über das Kino. Für ihn aber ist die soziale und kulturelle Form des Kinos von Interesse. Und das hat auch geklappt. Von der Metropolis-Aufführung bei minus 10 Grad auf dem Pariser Platz bis hin zur "Gegenveranstaltung" im kleinen Kino TONI und vielen anderen kleinen Kinos. Das war ein Riesen-Erfolg. Mit über 5.000 zahlenden Zuschauern. Im Friedrichsstadt-Palast würden sogar die schlechten Filme funktionieren.

— Manuela Miethe,
Geschäftsführerin des Kiezkinos TONI
in Berlin-Weißensee

Sie übernehmen mit ihrem Kino heute auch die Funktion eines Kulturhauses von damals, und das sei es, was die Leute auch heute noch wollen. Von den 20 3D-Filmen, die in diesem Jahr noch herauskommen sollen, sind es nur 2, nämlich die Kinderfilme, die interessieren. Der rote Teppich, das Fernsehen, auch das ist ein Teil der Ereignisse, zu dem die Leute kommen, auch wenn sie keine Karten für den Film bekommen haben.
Was nicht vergessen werden soll: die Kinos, die noch Archivmaterial spielen, müssen die alten Geräte weiter betreiben und die neue Geräte dazu installieren. Und das wird erst recht teuer.

— Dr. Martina Münch,
Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur
des Landes Brandenburg [2]

Das neue Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft könne hier ein Partner der Kinos sein.

— Dr. Klaus Schäfer,
Geschäftsführer des FilmFernsehFonds Bayern

 [3] Seine Aufforderung ist es, nicht länger darauf zu warten, dass sich alle aufeinander beziehen, sondern dass man einfach anfängt. Für "normale Kinos" gibt es bis zu 18 tausend Euro und für die kleinen 21.600 Euro pro Leinwand. Und grosse prosperierende Kinos fallen dabei raus. Und das seit 2008.

Zur Ausleuchtung des aktuellen Hintergrundes sollte man vielleicht wissen,

 dass im Rahmen des Filmtheaterkongresses in Baden-Baden die Filmförderungsanstalt (FFA) zum zweiten Mal nach 2007 eine Studie vorgestellt hat, die das Ansehen und die Besonderheiten von Filmproduktionen "Made in Germany" bescheibt. Dazu ist in der FFA-Mitteilung u.a. zu lesen:

Die Untersuchung „Imagestudie deutscher Film“ umfasst ausschließlich Kinofilme, unabhängig davon, ob sie im Kino oder auf DVD ausgewertet wurden. Befragt wurden 4.056 Deutsche über 14 Jahre im Zeitraum zwischen November und Dezember 2009. Danach sind deutsche - aber auch US-amerikanische - Filme in der Beliebtheitsskala in den letzten zwei Jahren weiter nach oben geklettert: Über die Hälfte (51% - 2% mehr als 2007) sieht gerne Filme aus Deutschland, mehr als jeder Fünfte (23%) outet sich sogar als echter Fan deutscher Produktionen. Insgesamt nur etwas höher in der Gunst der Befragten liegen nur noch Produktionen aus US-Studios mit 54 Prozent (49%). [4]

 dass am 23. April 2010 Kulturstaatsminister Bernd Neumann Anfang Mai im Rahmen eines größeren Expertengespräches eine neue Initiative seines Hauses zur Kino-Digitalisierung vorstellen will, in der es darum gehen soll, - so die Erklärungen der kultur- und medienpolitischen CDU-Sprecher Börnsen und Wanderwitz - "Viele kleine und mittelständische Kinounternehmen können die dringend notwendige Umrüstung auf digitales Filmabspiel wegen der hohen Kosten nicht aus eigener Kraft leisten. Daher wird sich das Fördermodell von Staatsminister Bernd Neumann insbesondere an Programm- und Filmkunsttheater sowie Kinos mit besonderen strukturellen Schwierigkeiten richten."

 dass am gleichen Tag anlässlich der ersten Beratung des Antrages der SPD-Bundestagsfraktion Kinodigitalisierung und den Erhalt der Kinolandschaft im Bundestagsausschuss für Kultur und Medien die filmpolitische Sprecherin der SPD, Angelika Krüger-Leißner, MdB erklärt hat: "Ich bin froh, dass unsere Initiative für die Digitalisierung der Kinos gegriffen hat: Heute haben sich auch die Koalitionsfraktionen unserer Forderung angeschlossen, dass insbesondere die Filmtheater mit anspruchsvollem Programm und die Kinos im ländlichen Raum eine Förderung bei der digitalen Umrüstung bekommen müssen. Auch Union und FDP wollen eine Unterstützung orientiert an inhaltlichen und strukturellen Kriterien. Unsere Forderungen gehen darüber hinaus: Entscheidend für uns ist es, dass auch die kommunalen Kinos miteinbezogen werden. Und die Finanzierung soll als eine Gemeinschaftsaufgabe von Branche, FFA, Bund und Ländern angelegt sein. Wir erwarten, dass die Bundesregierung unverzüglich ein Konzept vorlegt, das die Vielfalt unserer Kinolandschaft sichert. Nur so ist gewährleistet, dass die 4 Mio. €, die der Bund in diesem Jahr für die Kinodigitalisierung bereitstellt, entsperrt werden können. Das sollten wir spätestens bis zur Sommerpause geschafft haben, denn die Kinos warten auf unsere Unterstützung."

In diesem Zusammenhang lohnt sich die Lektüre des Artikels von Barbara Schweizerhof Über die Zukunft des Kinos
Krise, welche Krise?
in der TAZ-Online-Ausgabe vom 28. April 2010 in dem es einleitend heisst:

"Nein, rein zahlenmäßig gibt es keine Kinokrise. Und doch ist da dieses Gefühl von Niedergang und großen Umbrüchen. Die Kinokultur als solche hat sich seit den 90ern entscheidend verändert. Und man muss kein Zukunftsforscher sein, um abzusehen, dass sich in nächster Zeit noch viel mehr ändern wird. "
Denn:
"So manch kleiner Kinobetreiber mag sich von der digitalen Verfügbarkeit mehr Auswahl und weniger Streit um bestimmte Kopien versprechen, fürchtet aber zugleich die größeren Gängelungsmaßnahmen durch "Digital Rights Management" und andere elektronische Fallen. Und noch eine weitere, subtilere und zugleich nachhaltigere Gefahr zeichnet sich mit der Digitalisierung ab: Wenn sich die Projektionstechniken von Homecinema und Kino immer ähnlicher werden, erübrigt sich dann das Ins-Kino-Gehen nicht insgesamt?"

Und so bleiben denn die von der Autorin aufgezeigten Perspektiven pure Spekulation:
"Schwer zu sagen, was kommen wird: Wer Filme alleine und zu Hause anschauen will, hat heute endlos mehr Möglichkeiten als früher. Aber man darf das Kino mit seinem schönen Oszillieren zwischen lauter Öffentlichkeit und diskreter Dunkelheit, mit seinen Kennenlern- und Verbergungsmomenten nicht unterschätzen. Vielleicht wird es statt der früheren 16-mm-Bewegung bald "Analogmaterial-Clubs" geben. Vielleicht wird das Kino immer mehr etwas für alte Zuschauer. Vielleicht entwickelt sich das Filme-Gucken und das Ins-Kino-Gehen immer weiter auseinander. Aber vielleicht hat das Kino die gleiche Zukunft wie eh und je: düster und schwierig, aber voller Möglichkeiten. "

Anmerkungen

[1Der Versuch, direkt auf die fes.de-Seite zu verlinken war zunächst nicht erfolgreich, denn unter dem Link-Titel: "Veranstaltungen heute" fanden sich mit Verweis auf den 29. April Hinweise auf:
— "Erfolgreiche Pressearbeit in Vereinen, Verbänden, Initiativen" in Augsburg,
— "Mindestlöhne - Soziale Absicherung oder Jobkiller?" in Dresden
— "Antisemitismus in Bayern" im ver.di Bildungszentrum Haus Brannenburg
— "Die Zukunft des Sozialstaats. In was für einer Gesellschaft wollen wir leben?" Die Zukunft des Sozialstaates" in Wiesbaden.
C’est tout.
Des Rätsels Lösung: Es gibt eine eigene Abteilung, die sich "Veranstaltungshöhepunkte" nennt, und dort konnte dann auch ein eigenes PDF mit der Einladung gesichtet und für diesen Beitrag übernommen werden.:

Einladung zur Veranstaltung "Kinowelten"
Es gelten die Regeln des Urheberrechts all rights reserved

.

[2Der Beitrag wurde auf Video aufgezeichnet und wird nachgericht werden, da dieser Text live aus der Veranstaltung mit geschrieben wird.

[3Seine Aussage wurde mitgeschnitten und wird später nachgetragen.

[4Besonders erfreulich: Seit der ersten Untersuchung vor zwei Jahren haben vor allem in den jüngeren, besonders filmaffinen Bevölkerungsgruppen - den 14- bis 25-Jährigen (+3%) und 26- bis 39- Jährigen (+7%) – deutsche Filme an Beliebtheit zulegen können. Dies gilt auch für die wichtigste Zielgruppe der „aktiven Filmkonsumenten“, die innerhalb der letzten 12 Monate Kino- oder DVD-Kunden waren: 53 Prozent der Befragten dieser Gruppe sehen gerne deutsche Filme – wobei der Abstand zum amerikanischen Film (64%) nach wie vor deutlich ist. Auch insgesamt hat der deutsche Film für das persönliche Kinobesuchsverhalten der Befragten an Bedeutung gewonnen: Jeder Dritte (33%) gibt an, dass einheimische Produktionen für ihn persönlich an Bedeutung gewonnen haben und fast doppelt so viele (61%) bekunden sogar, sich mehr - oder mindestens gleich viele - deutsche Filme im Kino anzusehen als noch vor ein paar Jahren.

Der Blick auf den Altersvergleich zeigt auch, dass amerikanische Produktionen besonders beim jungen Publikum Anklang finden: Rund drei Viertel der Befragten zwischen 14 und 39 Jahren bevorzugen eher amerikanische Filme, deren Beliebtheit mit zunehmendem Alter dann jedoch stark abnimmt. Deutsche Filme hingegen sprechen - mit niedrigeren Quoten zwischen 47 und 56 Prozent - fast durchgängig alle Altersgruppen an, wobei der höchste Wert bei den älteren Zielgruppen (60+) zu finden ist.

An inhaltlichen und stilbildenden Kriterien werden deutschen Filmen im Vergleich zum amerikanischen Film – wie schon bei der ersten Befragung vor zwei Jahren - Realitätsnähe, inhaltliche Qualität und gute Dialoge attestiert, während US-Filme als spektakulärer und actionreicher empfunden werden. Die TOP 10 der „typischen“ deutschen Filme besteht aus einer Mischung aus aktuellen und älteren Filmen, darunter sechs Komödien. Der „typischste“ deutsche Film, dies ergab die Befragung, ist Til Schweigers Leinwandspaß „Keinohrhasen“, gefolgt von Wolfgang Petersens Erzählung „Das Boot“ und Michael „Bully“ Herbigs „Der Schuh des Manitu“.

Offenbar hat die Erstauflage der Studie auch zu einem Lerneffekt unter den Marketingstrategen deutscher Filmprodukte geführt: Monierten im Jahre 2007 noch 35 Prozent der Befragten, dass es zu wenig Werbung für deutsche Filme gäbe, so stimmten dieser Aussage zwei Jahre später nur noch 30 Prozent zu.


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