Weltsicht und Weitsicht

VON Dr. Wolf SiegertZUM Freitag Letzte Bearbeitung: 16. Januar 2015 um 00 Uhr 59 Minuten

 

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Während des Fluges, nein, eigentlich schon zur Vorbereitung an Bord des Flugzeuges, werden eine Reihe von Zeitungen angeboten, die einem bereits aus der europäischen Heimat mit vertrauten Sprachen entgegenkommen: Le Monde mit Französisch, die Süddeutsche Zeitung in Deutsch - und die Financial Times, in der nun wieder „englisches“ Englisch gelesen werden kann.

Wenn es nach diesen Blättern geht, ist Europa eigentlich am Ende. Erst hat eine Rating-Agentur mit Namen Standard & Poor’s die Kreditwürdigkeit auf eine Art Ramschniveau herabgestuft, und alsbald danach werden auch die Euro-Länder Portugal und Spanien als potenzielle Looser mit in diesen Strudel gezogen. Zu unrecht, wie diese meinen: Zwar sei die Lage auch bei ihnen nicht gerade rosig, auch Spanien hat ein Haushaltsdefizit von über 10 und eine Arbeitslosenquote von über 20 Prozent, aber man habe dort weder die Bücher frisiert und die EU mit falschen Zahlen versorgt. Was für ein – schwacher – Trost.

Nachdem sich die Griechische Regierung nicht mehr am Kapitalmarkt bedienen kann, werden nun die Steuerzahler des gesamten Euro-Raums dran glauben müssen. Nachdem sie die „systemrelevanten“ Banken mit Zahlungen und Krediten in kaum mehr vorstellbarer Höhe haben refinanzieren müssen, ist es nun nach dem Willen der anderen Staatslenker offenbar ihre erklärte Absicht, auch in diesem Falle mit zweistelligen Milliardenbeträgen dem Land – und seinen Leuten? – bereitzustehen. Und wenn das so weiter geht, dann wird irgendwann der Chef der Europäischen Zentralbank erklären, dass frisches Geld an Griechenland zu zahlen sein wird – egal ob diesem Land von den Banken noch irgendwelche Bonität eingeräumt werden wird oder nicht.

In Amerika weigern sich ja die Republikaner, dass der Wunsch der Demokraten auf die Einrichtung eines Notfonds mit einem Volumen von um die 50 Milliarden Dollar eine Mehrheit findet. Aber dennoch wird man sich irgendwann zumindest dahingehend einigen können, dass es nicht angehen kann, dass, so Präsident Obama – dass die Spekulation der Banken und Agenturen zu einer neuen „Welle der Rücksichtslosigkeit“ führen wird. Es gibt einen Unterschied zwischen einer Oppositions- und einer Obstruktions-Politik. Das werden auch die Republikaner einsehen … müssen.

Denn ihr wichtigster ausländischer Finanzpartner sitzt schon lange nicht mehr in Europa, sondern in Asien. Die Chinesen haben nicht nur Deutschland als „Exportweltmeister“ vom Thron gestürzt – zumal zu fragen ist, inwieweit dieser Titel überhaupt noch seine Berichtigung gehabt hat, nachdem ein Grossteil der Umsätze deutscher Unternehmen ja im EU-Binnenmarkt gemacht werden. Sie haben Markensegmente wie die von IBM in den USA aufgekauft, ALCATEL in Frankreich und Deutschland oder Volvo in Schweden. Sie haben ein Konjunkturpaket von 400 Milliarden Euro aufgelegt und sind derzeit dabei Japan vom zweiten Platz der Volkswirtschaft zu verdrängen. Und in Sachen Weltausstellung – die am Samstag, den 1. Mail in Shanghai eröffnet werden wird – ist man schon heute Weltmeister.

Was all das mit dem Thema „Medien“ zu tun hat? Nun: während wir um die Welt fliegen, und der Himmel scheinbar keine Grenzen zu kennen scheint, machen uns die Zeitungen aus den Ländern jenseits des Atlantiks klar, dass sich die Achsen der ökonomischen Wertschöpfung längst verschoben haben.

Auf dem Hinflug war noch die Rede vom Katastrophen-Film 2012, in dem sich die magnetischen Pole auf der Erdoberfläche zu verschieben begonnen hatten.

Auf dem Rückflug kann nachgelesen werden, dass dieser Polar-Drift längst begonnen hat, und das ganz ohne seismische Turbulenzen.

Und nach der Rückkehr: Wird der Kampf noch lange nicht ausgetragen sein: nicht nur zwischen den politischen Systemen in West und Ost, sondern auch zwischen der Politik einerseits und den Banken - und Börsen - andererseits insgesamt. Als "systemrelevant" gerade erst wieder hochgepäppelt, werden sie uns zeigen, wo de Hammer hängt


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