Quo Vadis (2)

VON Dr. Wolf SiegertZUM Mittwoch Letzte Bearbeitung: 22. April 2015 um 22 Uhr 00 Minuten

 

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Im Gegensatz zur Teilnahme im Jahr zuvor die die Teilnahme dieses Jahr auf einen halben zweiten Tag - HIER nochmals das Programm des Vorjahres - beschränkt.

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Kurz nach 14 Uhr, nach dem noch offene Akkreditierungs-Fragen schnell geklärt werden konnten, führt der Weg sogleich in KINO INTERNATIONAL in der Karl Marx Allee. Die Session hatte soeben begonnen. Und dort sassen vor der Leinwand vier und ein weiterer Mann, einer neben dem anderen. Aber wer war wer? Auf der leeren Leinwand war keiner der Namen zu sehen, sondern nur die Namen der Sponsoren, die den unteren und rechten Rand der Leinwand verzierten.

Genau, man hätte jetzt Online über sein Smartphone die Seite mit den Profilen aufrufen und die dort vorgestellten Fotos einsehen können, dann hätten auch in der folgenden Aufzeichnung alle der hier notierten Texte ihren jeweiligen Sprechern zugeschrieben werden können. Stattdessen werden hiernach einige der Sätze, die haften geblieben sind, ohne Bezug auf ihre Urheber aufgegriffen werden - Sorry Folks:

Quo Vadis Games Industry?

— Ed Fries (Gaming Legend & Advisor )
Ja. Die Anforderungen an den Markt werden immer härter. Man ist gezwungen, immer kreativer zu werden. Aber wir werden dennoch nicht wissen, wo das letztendlich hinführen wird.
— Glen A. Schofield (Sledgehammer Games)
Ja. Als ich den Academie-Award sah, war davon die Rede, dass die Filmindustrie im letzten Jahr 700 Millionen gemacht haben. Hallo Leute. Das machen wir in einem Monat.
— Noah Falstein (Google)
Ja, wir kommen erst sehr viel später in den Markt als Andere. Und wir sind nur eine kleine Abteilung in unserem Konzern. Denn dennoch, selbst dann, viel grösser und stärker als so manch anderer, der schon länger auf dem Markt ist.
Wir werden unser eigenes Publikum mit vielen neuen Spielen gut bedienen können.
Wir reden viel mit den Studios, in welche Richtung das Ganze gehen soll: Es gibt nicht DIE Lösung für DIE Industrie. Auch das Thema Virtual Reality, zum Beispiel, ist nicht - allein - die Antwort. Diese Industrie hat noch viel Spiel-Raum für ganz neue Konzepte. Und das ist aufregend in und für diese Branche.
— Jens Begemann (Wooga)
Mobil? Wir haben uns viel davon versprochen. Aber die Wirklichkeit übertrifft unsere Erwartungen noch bei weitem. Der Markt ist soooo gross und ist immer noch ein Geheimnis. Der Wettbewerb ist jetzt enorm. Und wenn man nicht in den Top 10 von den Top 100 von den über 100 000 Spielen mit dabei ist, dann macht man daraus auch keinen finanziellen Erfolg.
Viele unserer Kunden kaufen die Spiele, bevor sie überhaupt das Spiel gespielt haben. Das verlangt viel von uns. Und für die, die zunächst mobil spielen wollen, gibt es die Chance, viel auszuprobieren.

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Die Frage aller Fragen, derentwegen eigentlich die Entscheidung für dieses Panel gefällt worden war, wird erst am Schluss - und vergleichsweise wage - beantwortet:

— das Holodeck-Fieldl gibt es seit 1984 als Entwurf. Aber erst JETZT ist der Zeitpunkt gekommen, dass dieses Konzept seinen Durchbruch erfahren wird.

— Das Thema der Werte wird wieder von Bedeutung sein. Von der "Value-Card" bis hin zu der Frage, was überhaupt noch "real" ist. "What is money in times of Bitcoin?"

— Bis zu 95% der Leute zahlen heute nicht für die Nutzung dieser mobilen Angebote. Das wird sich ändern: Vor allem Frauen sind bereit, zu zahlen.

— Neue Genres? Ja. Auf neuen Plattformen. Dazu gehört auch die Virtual Reality (VR). Aber das wird nicht die einzige neue Technologie bleiben. Siehe zum Beispiel das Projekt-Tango-Device, in dem Virtuelles in das Reale projiziert werden wird.

— Ja. Wii hat die Welt dieser Spiele verändert. Und in Zukunft wird es Spiele geben, die kein Ende mehr haben werden.

— Video-Spiele können auch helfen, Nachteile, auch gesundheitlicher Art, zu heilen.

— Global Gaming Business? Wir müssen uns an die unterschiedlichen Kulturen anpassen. Ja. Wir wollen auch nach China kommen, wohlwissend, dass es dort anders zugeht. Aber oft genug wissen wir (immer noch) nicht, warum etwas in einem spezifischen Land besonders gut geht.

— Nein, wir werden nicht China erobern, Aber DIE werden unsere Gewohlheiten, Spiele zu erleben und zu gestalten, verändern.

— Von unseren Mitarbeitern in Berlin, etwa 250, sprechen mehr als die Hälfte nicht einmal deutsch. Und das geht.

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— Dean Takahashi (VentureBeat) machte die Moderation. Und er erklärt später in einem Hintergrund gespräch, warum diese Veranstaltung zwar durchaus amüsant gewesen sei, aber auf die in der Überschrift gestellte Frage kaum eine Antwort habe geben können: Mehrere dieser Firmen, deren Vertreter hier vorgeladen waren, seien Aktiengesellschaften, und dann würde jedes ihrer Worte auf die Goldwaage gelegt werden, was sie öffentlich sagen. Also sagen sie - so gut wie - Nichts, was wirklich als eine Art announcement gelten könnte...

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Nach dieser dennoch seltsam unbefriedigenden Veranstaltung - nur unterbrochen durch das Werfen von T-Shirts in das verdammt ruhige Publikum - geschieht etwas ganz und gar Unerwartetes - und doch für ein Kino - ehemals - Selbstverständliches: Da kommt eine junge Dame am Kino-Sitz vorbei und bietet Eis an. Free-of-Charge. Gesponsert von der Firma Wooga, deren Chef zuvor noch auf dem Podium sass.

Eine Kleinigkeit. Und doch ist in dieser Mimikry alles enthalten, was die Transgression der Welt der Spiel-Filme in die der Film-Spiele ausmacht. Ein altes Setting - die Langnese-Eis-Kino-Verkäuferin - wird in einer neuen Bezugswelt wieder-belebt.

Leider fehlt noch einiges, um aus diesem Zufall etwas zu machen, was noch stärker ist als Serendipity. Warum wird nicht der Kino-Gong zum Einsatz gebracht, um eine neue Session anzukündigen? Warum gibt es keinen Moderator / keine Moderatorin, die dem Publikum die Sprecher-(Innen) bekannt macht? Und warum gibt es bei den Diskussionen wie der eben erlebten keine Dramaturgie, so wie sie für das Geschichte(n)erzählen auf der Spiele-Ebene eigentlich selbstverständlich wäre?

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In dem nachfolgenden Vortrag - keiner stellt den jungen Mann vor [1] - macht dieser deutlich, dass sich die elektronische Spiele-Industrie allzu lange an dem Versuch abgearbeitet habe, Geschichten zu erzählen, so wie es auch der Film tut. Und dass die Games-Industrie (wieder) lernen muss, wie man Entscheidungen provoziert und deren Folgen, die in den weiteren Verlauf der Handlung Einfluss hat.

Mehr noch, in Spielen kann man Emotionen erzeugen, die es im Kinoerlebnis so nicht gibt, sagt er: Das Gefühl der Schuld etwa, das nur im Verlauf eines Spiels aufgebaut werden, aber so nicht beim Verfolgen eines Spiel-Filmes.

Die Sprache der Games-Industrie ist eine andere als die der Film-Industrie. Die Geschichte des Games habe die Fähigkeit, den user dazu zu veranlassen, für sich selber diese Geschichte weiterzuschreiben, oder sich eine andere Geschichte auszudenken.

Um wirklch auf die "dark side of the moon" zu gelangen, müsse man noch weiter vorangehen. Und fragen:
— What do you want to say with your game?
— Do the players actions contribute to telling the story?
— Can gameplay information relate to the story?

Nein, Spiele müssen nicht unbedingt eine kontinuierliche Handlungsebene haben, aber sie müssen positive Antworten auf die hier gestellten Fragen bereitstellen. Die Schlussfolgerung aus diesem Ansatz: Let’s find more experience in the games erfüllt dann aber nicht das zuvor gemachte Versprechen auf die Eröffnung neuer Horizonte.

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Genug von der grossen Kino-Bühne. Und ab ins Café Moskau zur Session: Women in Games since Gamergate: Action Items mit den Aussagen der folgenden Protagonistinnen:

— Kate Edwards (International Game Developers Association (IGDA))
Männer verdienen 85 tsd Dollar im Schnitt, Frauen 72 tsd. Dollar
HR-Manager stellen am liebsten Leute an, die wie sie selber selber sind.
Die Boy’s Club Mentalität ist nach wie vor dominierend.
 Es gibt keine oder kaum Bereitschaft, einen kulturellen Wandel zu stimulieren.

Und sie fasst diese Dilemma in dem Satz zusammen: Achtung. In den USA spielen über 50% Frauen, aber es sind weniger als 25% Frauen, die an dieser Entwicklung beteiligt sind.

Sabine Hahn (University of Cologne)
Sie blickt auf ihren Lebensweg in dieser Szene zurück und bezieht sich auf das folgende Zitat, das besagt, man können nur eine diversifizierte Audience erreichen, wenn man diese Diversivizität auch bei der Entwicklung dieser Spiele habe.
Sie bestätigt die desaströse Situation: Selbst von den Frauen, die in einer Gesellschaft arbeiten, die Spiele entwickelt, arbeiten nur 25% an der Spiele-Entwicklung.

Ruth Lemmen (Consulting)
Sie stellt ihr Projekt WOMENIZE vor, das am Donnerstag in der Backfabrk durchgeführt werden wird. Sie habe vor zwei Jahren die GamesCom verlassen. Und nun mit Michael Liebe dieses neue Event aufgebaut, um hier einen neuen und notwendigen Akzent zu setzen. Angesprochen werden sollen junge Frauen, die nach dem Studium einen Job suchen - oder aber eine eigene neue Gesellschaft aufbauen wollen.

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Letztendlich bleibt aber auch diese Veranstaltung ohne wirkliche Zugkraft. Dabei ist es durchaus sympathisch zu erfahren, dass eine weitere Podiumsteilnehmerin nicht mit hat dabei sein können, da sie sich im Tag geiirrt haben.
Nach den Ende der statements bleibt das weitere Gespräch sehr, sehr offen. "This is totally impromptus." sagt Kate. Und sie macht darauf aufmerksam, dass inzwischen viel darüber geredet wird, aber nur wenig getan. Und dann bezieht sie sich auf das "Kamazutra"-Problem und wie sich "Intel" mit der Ankündigung auf der CES in diesem Jahr ernsthaft diesem Problem stellen will.
"There is no way to loose this!", so ihre Zusammenfassung. Denn jetzt kommen auch Microsoft, Google, EA und die vielen Anderen hinterher und bieten ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit an. Diese Firmen würden sich jetzt Ziele setzen, die mit Zahlen unterlegt sind.

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Alles weiter an diesem Tag ist ärgerlich und verdient daher nur einer kurzen Erwähnung.

Microsoft hat sich für die Indie-Entwickler engagiert, aber auf dem Weg zur Digital Eatery von Microsoft Unter den Linden wird man dort vor der Türe aufgehalten und der Eintriff verwehrt... wegen einer privaten Veranstaltung sei das Haus heute geschlossen.

Die französische Botschaft hat im Rahmen ihrer FRANCO GERMAN GAME INITIATIVE zu einem Empfang eingeladen. Eine gute Stunde nach Beginn des Empfangs um 16 Uhr wurde kein Gast mehr eingelassen [2].

Das Härteste aber ist diese Titelseite von GamesMarkt: Sie macht in ihrer Nr. 8, 2015, wie wohl so üblich (sic?!), mit einer nackten Frau vor einem roten geschlossenen Vorhang auf dem Cover auf.
Dieses vergleichsweise harmlose Ärgernis wird aber zu einem Skandal, wenn man sich die Mühe macht einmal durchzuzählen, wie viel Männer- und wie viele Frauen-Portraits in diese Ausgabe dieser Zeitschrift zu finden sind.
Das Verhältnis lautet 40 : 1. Vierzig Fotos mit Männergesichtern und nur eines mit dem Portrait einer Frau, die GF von ProSiebenSat.1-Licensing: Sanela Smallhodzic - auf Seite 26.

Anmerkungen

[1"A game that has something to tell" Kacper Kwiatkowski

[2Die Information auf der http://qvconf.com/parties - Seite besagte, dass der Empfang bis 21 Uhr gehen würde...


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