No Show: Caroline du Bled & scorbüt machten Rio Reiser

VON Dr. Wolf SiegertZUM Dienstag Letzte Bearbeitung: 2. Januar 2017 um 17 Uhr 25 Minuten

 

Gestern, Montag, im Roten Salon in der Volksbühne Berlin ab 20 Uhr:

CECI N’EST PAS L’EUROPE!
Caroline du Bled & scorbüt machen Rio Reiser

Scorbüt wirft Songs von TonSteinScherben und Reiser vor die Kulisse unserer Zeit. Denn die Häuser werden weiter verscherbelt. Die Blinden Passagiere treiben vor den Stränden im Sonnenmilchmeer. Immer mehr sind hinter Gittern, die Freiheit wollen. Und vor den Gittern. Der Krieg ist nicht tot, er schläft nur (und grad sehr unruhig). Wir sind geboren um frei zu sein - doch sterben tun wir heut überwacht wie Hochsicherheits-Häftlinge.

"Gibt es ein Land auf der Erde, wo der Traum Wirklichkeit ist?" Sicher eins: Hier ist es nicht, dieses Europa ist es nicht, CECI N’EST PAS L’EUROPE!

Caroline du Bled & scorbüt machen Rio Reiser

Ihre Fassungen sind deutsch und französisch durchwoben, mal gegen die Welle schwimmend, mal mit dem Sturm brüllend. Die impulsive Französin greift nach dem König der deutschen Rebellions-Poesie. Sie streichelt sensibel über seine mit Zorn geladenen Textzeilen, um sich dann plötzlich infizieren zu lassen: aus alten Scherben blitzen neuartige Splitterkanten. Ein Rio-Pop-Song der 80er erklingt in Fado-Traurigkeit als Chanson Existentialiste; oder aus einem rauen Protestsong entfaltet die Sängerin eine zeitgemäß-provozierende Erotik des Politischen. Dabei spielt Heiko Michels seine „unklassische” Konzertgitarre mit viel Flamencowut. Percussion liefert der seit vielen Jahren in der Berliner Liedermacherszene wirkende Andreas Albrecht. Er trommelt, schlägt und pulsiert auf Cajon und vielem anderen. Und beide Musiker intervenieren immer wieder gesanglich. Man erlebt drei Künstler, die sich mit minimalistischem Instrumentarium live auf der Bühne am spannenden Material einer verstrichenen Epoche abarbeiten. Mal nah am Original, mal hämisch bis melancholisch zurückblickend, fischen sie in unserem kollektiven Gedächtnis.