Otto wird 80 & Ottokar 37

VON Dr. Wolf SiegertZUM Donnerstag Letzte Bearbeitung: 19. Mai 2004 um 11 Uhr 09 Minuten

 

An unserer statt hier der mit Sympathie und doch kritischem Abstand von Torsten Harmsen verfasste "TAGEBUCH"-Beitrag aus der Berliner Zeitung vom 19. Mai 2004 zum achzigsten Geburtstag von Ottokar Domma:

Ottokars Welt

Auf einer Internet-Partnersuchseite antwortet jemand unter der Frage nach dem Helden seiner Jugend: "Ottokar Domma". Hinter diesem Namen verbirgt sich ein Junge, der seit 1967 in vorlauter Art Schülerabenteuer erzählt. Ein Dutzend Bücher ist über ihn erschienen, die meisten in der DDR, wo er so bekannt und beliebt war wie vielleicht nur noch Alfons Zitterbacke. Sein Schöpfer und Namensvetter, der Autor Ottokar Domma (eigentlich Otto Häuser) wird an diesem Donnerstag 80 Jahre alt.

Die Geschichten des "braven Schülers Ottokar" sind ein Beispiel dafür, wie relativ normal man die DDR von innen sehen konnte, obwohl sie von außen so unerträglich erschien. Ottokar beschreibt naiv, altklug, witzig, frech, aber nie ernsthaft aufmüpfig sein Dorf mit Lehrern, Freunden, Familie und Nachbarn. Seine Figuren sind der Schuldirektor Keiler, das Fräulein Heidenröslein, das wilde Knaben zähmen kann, der grobe aber hilfreiche Klassenlehrer Burschelmann, die dicke Mia oder der Schweinesigi. Es geht um die Pioniere, das LPG-Leben, das Ferienlager, das Kinderkriegen, aber auch um Lügen, Faulheit, Petzen oder Angeberei.

Ottokars Geschichten widerspiegeln eine DDR-typische Denkweise, die leider in der offiziellen Aufarbeitung kaum eine Rolle spielt. Dabei könnte sie einiges zum Verständnis beitragen. So sind Ottokar Dommas Figuren zwar widersprüchlich, aber nie ohne Hoffnung. Allen steht die Tür zur Besserung offen. Die Pionierorganisation, verkörpert durch den "Pilei" Alfons, kümmert sich um die sozialistische Menschwerdung. Es herrscht eine etwas kinderladenhafte Atmosphäre des Umeinander-Kümmerns. Kritik wird ironisch verpackt, aber immer so, dass sie zumeist als "kritisch-konstruktiv" durchgehen kann.

Otto Häuser, 1924 in Böhmen geboren und in Schöneiche bei Berlin lebend, steht für eine Generation, die sich nach dem Krieg eine harmonisch-gerechte Welt ohne Bedrohung ersehnte. Die Rote Armee beschrieb er verklärend als Freunde und Befreier ("Wer Kinder liebt, kann nicht böse sein"); er war Neulehrer und Schulleiter, bevor er Schriftsteller wurde. Das Bedrohliche seines Systems blendete er aus - wie viele, die an eine weltweite sozialistische Zukunft glaubten. Auf dem Wege dahin konnten tödliche Seuchen wie der Stalinismus für sie nur "Kinderkrankheiten" sein.

"Ich habe sämtliche Probleme der DDR abgearbeitet", sagt Häuser heute. Natürlich stimmt das nicht; das konnte er sich gar nicht erlauben. Aber seine Bücher sind wichtig, um die DDR auch aus heiterer Sicht verstehen zu lernen und diese Sicht nicht allein idyllisierenden Traditionszirkeln zu überlassen. Und die komischen Schilderungen des gewöhnlichen Lebens, wie es zu allen Zeiten gelebt wird, bereiten noch immer Spaß.


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