Was, bitte, ist ein "Media Policy Lab"?

VON Dr. Wolf SiegertZUM Mittwoch Letzte Bearbeitung: 19. Januar 2018 um 18 Uhr 05 Minutenzum Post-Scriptum

 

I.

"Ein Instrument zur Sicherung der Medienvielfalt", so jedenfalls erklärt im "Letter of Intent" zur Einrichtung eines "medien- und netzpolitischen Think Tank"s, der im November letzten Jahres gemeinsam von der mabb und der Berliner Senatskanzlei unterzeichnet wurde.

In dieser Erklärung vom 13. November 2017 wurde zugleich ein Starttermin für den heutigen Tag vereinbart, ein "Manifest für digitale Medienvielfalt" angekündigt, die Freischaltung einer eigenen Webseite verkündet, sowie die Besetzung eines "Beirat"s (oh, erstmals ein Wort in deutscher Sprache :-), der dieses Unterfangen begleiten soll.

II.

Heute, ab 14:30 Uhr, ist das Ganze dann auch Programmpunkt bei ALEX-Berlin. So jedenfalls ist es in der Programmvorschau des ehemals "Offener Kanal" genannten Senders zu lesen.

Aber Pustekuchen: Als zu diesem Zeitpunkt der Live-Zugang auf dem Rechner freigeschaltet wurde, stellt sich heraus, dass es sich um die Live-Übertragung einer Veranstaltung handelt, die, so die Einladung, schon vor eine Stunde hätte beginnen sollen... und ganz offensichtlich auch schon zu dem Zuschalt-Zeitpunkt im vollen Gange war.

Von dem oder den Vorrednern war nichts mehr zu sehen oder zu hören und von der Geschäftsführerin der mabb gerade noch zu erfahren, mit welchem Programm-Punkten man in die Untersuchungen im Rahmen dieser neuen Einrichtung einsteigen wolle:

 Was heisst Medienvielfalt

 Was können wir tun gegen die Wissens-Asymmetrie.

 Die Plattformökonomie und deren Marktmacht

 Wie kann man journalistische Inhalte auffinden?

"Das ist ein grosses Programm", sagt Anja Zimmer von der mabb. Und spricht von einem geplanten Weissbuch, das auch mit und über Interaktionsformaten bespielt werden solle. Sie verweist auf Theresa Züger als Anprechpartnerin für dieses Projekt und spriccht von einem Beirat, desen Mitgliederoffensichtlich auch schon benannt sind.

III.

Es folgt der Vortrag von Natali Helberger mit diesen Vorschlägen:

Das Lab als Ort,

 der Partien zusammenbringt - am besten mit gemeinamen Projekten

 zum Experiment und zum Erproben von "ganz wilden Ideen"

 der vermittelt, wie die Medienmärkte funktionieren, vor allem im Online-Bereich.

IV.

Es folgt ein Podiumsgespräch, von dem hier jeweils nur die Schlussantworten der 4 Protagonisten als Zitat zur Darstellung gebracht werden:

V.

In der Kaffee-Pause wird anstatt einer Sende-Pause eine Reihe von Interviews vorgeführt, die der eigenen Einsicht Wert sind und HIER auch online abgerufen werden können.

VI.

In der nachfolgenden Veranstaltungsfolge gibt es einen weiteren Vortrag, der die Frage nach der Welt der Algorithmen aus der Sicht der Sozialwissenschaft ausleuchtet:

Hier zumindest ein Screenshots mit det Protagonisten, der Sozialwissenschaftlerin:

sowie dem Medienrechtler

, der danach zum Gespräch mit auf die Bühne geholt wurde.

Stichworte aus dem Gespräch:

Das Thema Medienöffentlichkeit verliert an Relevanz, seit dem das Internet die Rezeptionsvielfalt viel weiter öffnet als einst die Medienvielfalt. Heute ist das Thema nicht allein die Zugangssteuerung, sondern die Aufmerksamkeitssteuerung.

Wir müssen nicht alle Informatiker werden, aber wir müssen lernen zu wissen, welche Fragen wir an diese Welt der Informatik zu stellen haben. Es geht um den Untersuchungsgegenstand u n d um die Methodenlehre.

Die zunehmend über uns übers Netz eingesammelten Daten sind ein neuer Typus von Kapital. Aber können Algorithmen dieser Art überhaupt (noch) reguliert werden?

Sowohl die Rechtswissenschaft als auch die Soziologie haben einen sehr stark technikzentrierten Blick auf - zum Beispiel - auf Expertensysteme. Wir müssen klären, wie Entscheidungsprozesse in der Zukunft durch diese bestimmt sein werden.

Wie weit können bei den Studien zur Zeit überhaupt noch die aktuell am Markt befindlichen Unternehmen mit einbezogen werden. Die Daten-Forscher, auch inhouse, sagen vielleicht eher noch "Ja", die politischen Abteilungen aber eher "Nein".

VII.

Frage, die offen bleiben...
 Welche Form der gesellschaftlichen Verantwortung haben die Intermediäre?
 Wird es zu einer Neustrukturierung der wissenschaftlichen Disziplinen kommen?
 Ist das transdiziplinäre Arbeiten nun eine Herausforderung - oder eine Chance?
 Wie porös können diese Disziplinen sein/werden?
... gipfeln in der schlichten Forderung:
 Wir brauchen auch in einem Lab wie dem hier geplanten einen offenen Ansatz
 Wir brauchen diese Anregungen um letztendlich Lösungen für "praktische Dinge" zu präsentieren.
 Es solle Alternativen zur behaupteten Alternativlosigkeit geben.

VIII.

Und dann, dann bricht das Programm plötzlich ab...

... und der Beobachter bricht auf zu seinem nächsten Termin.

IX.

Zusammenfassend lassen sich diese ersten Eindrücke von diesem Tag - aus persönlicher Sicht - in diesen fünf Punkten wie folgt zusammenfassen:

 Wir sind in der Tag an einem Scheideweg: das Thema der Medienvielfalt ist nur noch die Vorlage für ganz andere Fragen: von den Social Credit Systems bis hin zur Diskussion über die zukünftige Funktionsweise von Algorithmen und Datenprofilen.

 Wir müssen uns und in Zukunft nicht nur mit dem beschäftigen, was wir zu sehen und zu hören bekommen, nicht nur mit dem, was wir vom "Hörensagen" zu erfahren geglaubt haben, sondern mit all den unsichtbaren medialen Agenten und Agenturen, die das Nutzer-Interesse und -Verhalten bestimmen, ohne dieses transparent zu machen.

 Die so lange geforderte Möglichkeit von zunehmend individualisierten Nutzungsmöglichkeiten verkehrt sich heute in ihr Gegenteil: in die individuelle Adressierbarkeit der Nutzer, ohne dass diese über die Funktionsfähigkeit dieses Vorgehens informiert werden würden.

 Information ist allgegenwärtig - und wird eben dadurch zunehmend asymmetrisch. Die Aufgabe der Rolle "der Medien" als Gatekeeper macht es zugleich möglich, den Medienzugang neu zu definieren - und damit vorzubestimmen.

 Das Nutzerverhalten ist nicht länger nur potenziell absehbar, sondern soll zunehmend vorhersehbar werden. Aus einer Empfehlung wird - schlimmstenfalls - eine Vergewaltigung. Eine Übergriffigkeit auf das Individuum, ohne dass es noch der Massenhysterie einer Menschenmenge bedarf.

X.

Last but not least die ebenso einfache wie beklemmende Frage: Wer hat so viel Zeit, Grips und Konzentrationsvermögen, sich diesem Thema mit dieser Intensität zu stellen - um daraus dann auch konkrete Folgen für die eigene Praxis ableiten zu können?

WS.

P.S.

Gerade die letzte Frage hat eine lebhafte Diskussion ausgeläst. Darüber, dass all dieses auch wieder nur eine Diskussion der Privilegierten sei, die nach dem Motto des (mit-)teile und (be-)herrsche verliefe. Keiner) von denen, die da auf der Bühne gestanden hätten, die nicht in einem festen, oft nicht schlecht bezahltem festen Vertragsverhältnis gestanden hätten - einschliesslich jener, die die Fragen gestellt haben. Selbst jener, der nicht mehr an einen solchen Vertrag gebunden sei, müsse sich über seine Altersversorgung keine Sorgen machen, egal welche Sorgen er sich auch im die Zukunft der Medienregulierung machen würde...


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