Preview: DLR: Was kommt nach der Digitalisierung?

VON Dr. Wolf SiegertZUM Mittwoch Letzte Bearbeitung: 15. August 2018 um 23 Uhr 08 Minuten

 

Nachfolgender Text ist noch im Entwurfsstadium, daher daraus bitte noch nicht zitieren. WS.

0.

Wer sich auch auf Grund des gestrigen vielleicht oberflächlich etwas kruden Textes nicht hat entmutigen lassen, auch noch diesen letzten Beitrag zur Denkfabrik des Deutschlandradios zu lesen, soll nicht enttäuscht werden.

Denn hier wird es - zu guter Letzt - auch einen eigenen Beitrag zu einem jener Themen von grundlegender Bedeutung geben, die es Wert wären, über die nächsten Jahre immer wieder aufgegriffen und in ihrer weiteren Entwicklung verfolgt zu werden.

1.

Dabei wird es zunächst einmal notwendig sei, auf die Einwände, ja Vorwürfe zu reagieren, die die bislang veröffentlichten Texte ausgelöst haben. Der Grundtenor dieser Reaktionen lautet: Warum denn nicht gesehen und zur Darstellung gebracht würde, was alles schon geschehen sei, um den Sender auf seinem Wege zu einer Programmreform zu zeigen.

Und: Warum in diesem Zusammenhang bislang so gut wie gar nicht davon die Rede gewesen sei, was sich alles schon an neuen Angeboten und Möglichkeiten entwickelt habe: Die Apps zur einheitlichen und bedienungsfreundlichen Erfassung des gesamten Programmangebotes. Sowohl was die Eigenentwicklungen betrifft als auch deren Einbindung in die neuen ARD-Angebote für die mobile Nutzung.

Und: Die vielen Podcast-Angebote, die von immer mehr Redaktionen zur Verfügung gestellt werden und in denen nicht nur immer mehr Hintergründe zu einem aktuellen Thema entfaltet würden, sondern auch "Hintergründiges", in dem der eigene Diskussionsprozess in den Redaktionen zu Gehör gebracht wird.

Und: Ob denn nicht festgestellt worden sei, dass diese Reflexionen innerhalb der Redaktionen immer öfter direkt auf die Programmebene gezogen und auch zunehmend in den Live-Beiträgen selber zur Sprache gebracht werden würden.

Und: Dass diese Themen mehr und mehr über die Ebene des Sende(r)beitrages hinaus direkt mit dem Publikum in Vorträgen, Gesprächen, Diskussionen in einen unmittelbaren Diskurs gebracht und so direkt mit uns, dem Publikum, verhandelt würden. Zum eigenen Vorteil beider Seiten und vielleicht sogar, um damit den gesellschaftlichen Diskurs über diese Fragen voranzubringen?! [1]

2.

All diese Hinweise sind berechtigt. Und es ist wahrlich an der Zeit, diese zumindest in diesem letzten der nunmehr dreizehn Beiträge aufgegriffen zu haben. Denn damit kommt zum Ausdruck, dass sich die Sendefamilie bewegt, bereit ist, auf die neuen technischen Herausforderungen einzugehen, auf das Publikum und auf dessen Bedürfnisse, Wünsche, Fragen.

Aber: Dieses Publikum kann in Zukunft eben nicht länger nur jenes liebe Stammpublikum der letzten Jahre sein, jene treuen Hörerinnen und Hören, mit denen man gerne auch den Dialog weiterführen möchte, solange sie noch leben.

Derzeit ist die Einstellung immer noch die, dass - um es an dieser Stelle mit dieser Brutalität zu sagen - der Sender in seiner innersten DNA mental immer noch davon ausgeht, dass sein Leben länger währen wird als das der meisten seiner Zuhörerinnen und Zuhörer.

Und wenn wir gestern noch etwas kryptisch über den Überlebenskampf von altgedienten Dienstleistern geredet haben, die von ihren Herren vertrieben werden - oder genauer gesagt, die sich von ihren Herrschaften lossagen, bevor sie von diesen getötet werden - so wenden wir heute dieses Märchen wieder ins Konkrete: Die Zeiten, in denen man auf seinem Redakteursstuhl oder in seiner Verwaltungsfunktion noch getrost auf die eigene Verrentung warten konnte, sind endgültig vorbei.

3.

Ja, und jetzt kommen die jungen, wilden, gut qualifizierten Menschen ins Haus, machen nicht nur ein Inhouse-Screening, sondern fordern in der Folge die ganzen Binnenstrukturen mit zunehmend auf Anglizismen basierten Konzepten heraus. Und irgenwann kommt der Zeitpunkt, wo Angebote des Design Thinkings bis hin zum Scrum-Management nicht länger Kür sind, sondern zu einem Pflichtprogramm werden.

Wenn das geschähe, so die Befürchtung, werde letztendlich nicht mehr passieren, als dass man den Teufel mit dem Belzebub auszutreiben versuche. Man werde versuchen, sich diesen neuen Verhältnissen anzupassen, aber nicht aus Einsicht, weil man es selber will, sondern aus einem äusseren Zwang heraus, um dieser Not-Wendigkeit zu gehorchen.

4.

Der Ruf ins Publikum, ja die Anrufung des Publikums nach seinen grundlegenden Werten, Begriffen und Fragen ist also nicht nur redaktionelle Neugier, sondern auch ein kompensatorisches Mittel, sich von aussen wieder jenen Grundwerten zuzuwenden, die im Innenverhältnis mehr oder weniger offensichtlich über Bord geworfen werden. Und sei es, dass es sich auch nur so anfühlt, als ob.

Für die Zukunft des öffentlichen Rundfunks im Allgemeinen und des Deutschland-Radios im Besonderen reicht es aber nicht, die aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen zu spiegeln, in Formaten wie Aktualität oder Hintergrund und diese Formate jetzt auf das Level der Grundsatz-Fragen auszuweiten. Das Radio der Zukunft, wenn wir diesen Begriff von gestern doch noch einmal ansprechen wollen, muss nicht nur Spiegel, sondern Vorreiter (in) dieser Gesellschaft sein.

Es muss sich auf seine eigene Geschichte beziehen, es muss sich aus der Verantwortlichkeit, die ihm einst die alliierten Siegermächte übertragen haben insoweit befreien, als dass es seine eigenen Werte und Verbindlichkeiten für diesen zukünftigen Dialog nicht nur formuliert, sondern auch jeden Tag in seiner Praxis lebt. Und erlebbar macht. Und dass eben nicht nur für die "Ü50"er-Generation, sondern auch für und mit jenen, für die ja heute schon die elektronischen und digitalen Schnittstellen bereitgestellt werden.

5.

Mit der Entwicklung und Einführung dieser neuen Technologien wird zwar das dringend Notwendige geleistet, aber die Not eines solchen Senders noch nicht gewendet.

In einer im Urlaub geschriebenen Besprechung eines Buches von Richard David Precht wird die Geschichte damit aufgemacht, dass er auf die auf der re:publika 2018 an ihn gerichtete Frage nach der grössten Herausforderung n a c h der Digitalisierung antwortet, dass der das noch nicht beantworten könne und wolle, weil er die nächsten fünfzig Jahre noch mit den Problemen und Folgen der Digitalisierung selbst sich zu beschäftigen habe.

Und dennoch wird es auch dem Sender nicht erspart bleiben, sich mit so grundsätzlichen "Publikums"-Fragen wie diesen zu beschäftigen. Denn die eigentliche Herausforderung dieser Denkfabrik ist es ja nicht, herauszufinden und herauszufiltern, welche der eigenen inhouse - individuell wie kollektiv - gestellten Fragen im Umfeld des "eigenen" Publikums auch gestellt werden. Die eigentliche Herausforderung besteht darin, mit Fragen konfrontiert zu werden, die man sich (so) noch gar nicht in den eigenen Reihen gestellt hat, die man riskiert, noch gar nicht verstanden zu haben. Sei es, weil sie nicht klar genug formuliert oder in einer Sprache vorgetragen wurden, der man inhouse nicht oder nicht ausreichend mächtig ist. Oder sei es, dass man sie man aus einem kollektiven (Unter-)Bewusstsein heraus nicht verstehen will.

6.

Ja, es ist der letzte Beitrag, wir sind schon bei Punkt sechs angekommen und dabei, ein grosses Feld an Gedanken zu öffnen, dessen Bedeutung an dieser Stelle gar nicht mehr voll zur Entfaltung kommen kann.

Daher ein Vorschlag, wie man sich dieser Fragestellung sehr konkret und im öffentlichen Diskurs mit seinem Publikum annähern kann.

Wenn das Radio sich wirklich dieser Aufgabe stellen will, Vorreiter der Gesellschaft zu sein - und nicht nur der Gralshüter des heute auch noch neudeutsch public value genannten Begriffs - dann sollte es sich all jener Vor-Bilder bedienen, die gestern wie heute in der Kunst angeboten, erprobt und zur Diskussion gestellt werden.

Und das geht so:

[ wird fortgesetzt ]

Anmerkungen

[1Siehe hier das am 14. August 2018 von der Bundeskanzlerin Dr. Merkel in Jena wieder aufgenommene Format des Bürgerdialoges, das dieses Mal unter dem Thema stand: "Sprechen wir über Europa".


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