Promovieren - oder die Zeit besser nutzen?

VON Dr. Wolf SiegertZUM Montag Letzte Bearbeitung: 31. Juli 2019 um 21 Uhr 27 Minutenzum Post-Scriptum

 

Auf der Suche nach der Mail-Adresse einer (freien!) Mitarbeiterin des Deutschlandradios im Netz auf diesen Gastbeitrag mit dem Titel "Promoviert nicht!" von Dr. Martin Tschechne gestossen:

Auf der hier zitierten Seite wird er als "Journalist und promovierter Psychologe" ausgewiesen. Und weiter: "Er wurde mit dem Medienpreis der Deutschen Gesellschaft für Psychologie ausgezeichnet. Zuvor erschien seine Biografie des Begabungsforschers William Stern (Verlag Ellert & Richter, 2010)." [1]

Wie aus der ZEIT-Verlagsgruppe weiter zu erfahren ist, arbeitete er "von 1988 bis 2000 als Redakteur und später als Textchef beim Kunstmagazin Art bei Gruner + Jahr und übernahm ab 2000 die Funktion des leitenden Redakteurs bei der Fernsehzeitschrift Hörzu", bevor er Ende 2008 als "verantwortlich für die Titel Künstler und Weltkunst online" als Chefredakteur "beim Kunstmagazin Weltkunst in München" berufen wurde.

Der Autor dieses heute im Deutschlandfunk Kultur im politischen Feuilleton versendeten Einwurfs über den "Doktortitel als Anachronismus" und der Autor dieser Zeilen haben zumindest dieses gemeinsam: Beide haben - schon vor vielen Jahren - promoviert und im selben Verlag, bei Peter Lang, publiziert, sind öffentlich publizistisch tätig und Kunst affin - der Autor ist darüber hinaus Kunsthistoriker - und beziehen ihre Erfahrungen auch aus der Beschäftigung mit Themen im Umfeld der Psychologie.

Einen Medienpreis hat der Autor dieser Zeilen (bislang ;-) nicht gewonnen, aber er spielt, zuletzt mit seinem Vortrag zum Thema: "Die Wirklichkeit als Matrix - die Matrix als Wirklichkeit", durchaus in der gleichen Liga. Und widerspricht heute diesem "Einwurf":

Dazu als pars pro toto nochmals diese Zitate aus dem oben eingestellten Sprechtext, die mit dieser These eingeleitet werden:

 "Die Promotion ist ein Anachronismus, eine rituelle Geste aus Zeiten, in denen 400 Seiten im ominösen Jargon einer Elite noch Voodoo für ein ganzes Berufsleben versprachen. Das ist sehr lange her!"
Die Annahme, die bestandene Promotion an die erfüllte Erwartung einer Lebenszeitstelle binden zu können, ist ein Trugschluss, der sich selbst nach einer erfolgreichen Habilitation nicht auflösen lassen wird. 400 Seiten an sich sind kein "Voodoo" [2].

 "Was sich festhalten lässt: Früher waren die Arbeiten dürftig, heute werden sie abgeschrieben."
Ein solcher Kern-Satz ist blanker Populismus.

 "Nein, ein Doktortitel ist nicht mehr geeignet, einen besseren Sitzplatz im Kino oder Vorzugsbehandlung in der Behörde zu ergattern."
Auch JournalistInnen haben - endlich - ihre Journalistenrabattprivilegien verloren. Und das ist gut so.

 "Und auch Kunden, Klienten oder Arbeitgeber, die gegenüber einem Dr. phil., rer. pol. oder iur. in Ehrfurchtsstarre verfallen oder spitze Schreie der Bewunderung ausstoßen, sind leider selten geworden."
Dieses Wort "leider" spricht für sich selbst - und leider ganz und gar gegen den Verfasser dieses Beitrags.

Diese vier Zitate und Einwürfe mögen als Teaser genügen.

Vielleicht trifft man sich ja einmal persönlich auf einem anderen Sendeplatz wieder: Zum Beispiel auf dem Sendeplatz "Streitkultur" zu dem Thema:

Ist die Promotion ein "alter Hut"?

P.S.

Dieser Beitrag wurde nach seiner Veröffentlichung um 14:47 Uhr dem Deutschlandradio unter dieser Adresse
https://www.deutschlandradio.de/kritik-und-anregungen.405.de.html zur Kenntnis zugestellt und empfangen:

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[...]
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Hörerservice
[...]

Anmerkungen

[2Die gerügte, aber nicht aberkannte Promotion von Frau Dr. von der Leyen "C-reaktives Protein als diagnostischer Parameter zur Erfassung eines Amnioninfektionssyndroms bei vorzeitigem Blasensprung und therapeutischem Entspannungsbad in der Geburtsvorbereitung" umfasst 62 Seiten und " [...] Teile meiner damaligen Arbeit entsprechen nicht den Maßstäben, die ich an mich selber stelle"


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