Der Ober -Jammer- Gau

VON Dr. Wolf SiegertZUM Samstag Letzte Bearbeitung: 17. November 2019 um 22 Uhr 40 Minutenzum Post-Scriptum

 

Dieser Text schliesst sich an den Beitrag vom 7. November 2019: VSME-Cloud-Migration-Report (D), sowie die darin erwähnten vorangegangenen Berichte.

Es geht um das worst-case-scenario, das bei der Verwaltung der gesamten EDV-Infrastruktur und vor allem der darin eingebundenen Daten geschehen kann: In diesem Fall die restlose Vernichtung aller Kalendereinträge, aller Projektpläne, aller Journaleinträge - und aller Person- und Firmendaten.

So geschehen in dieser Woche in Folge einer technischen Anfrage, die sich zunächst ’nur’ auf den Einsatz von TXT- und MX-records bei der Einrichtung bzw. Umleitung der Mailadressen bezog, und deren Bearbeitung in einer nicht wiederholbaren Vernichtung der gesamten (zum Teil über viele Jahrzehnte aufgebauten) Datensätze endete.

[...]

Der Obergau.

[...]

Aus dem Abstand von mehreren Tagen seien hier nochmals die wichtigsten Regeln zusammengestellt, die angesichts eines solchen Ereignisses - das wahrlich Niemandem zu wünschen ist - zur Anwendung kommen sollten.

1.

Cool, bleiben: cool, cool, cool..., denn nach dem Schock kommt der Ärger, die Wut, die Verzweiflung. Und es gilt, all diese Phasen zu überstehen, ohne "unüberlegt" zu reagieren: was hier und heute leichter aufgeschrieben ist, als zum Zeitpunkt des Geschehens umgesetzt.

2.

In dem Moment, der der Vernichtung folgt: Eine Pause machen, auch die Beteiligten in eine Pause schicken... aber zuvor einen Termin für die Fortsetzung des Dialoges festlegen, der verbindlich von beiden Seiten einzuhalten ist.

Dies ist "not-wendig", im wahrsten Sinne des Wortes. Auch wenn damit den Eindruck erwecken, man wolle sich jetzt "mit dem eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen".

3.

Also zunächst: Mit einem Blick auf die eigene Infrastruktur klären, welche von diesen vernichteten Daten wirklich unwiederbringlich verloren sind - und welche nicht.

Sollten die Daten tatsächlich nicht mehr wiederherstellbar sein, gilt es a.s.a.p. Personen aus diesen drei Umfeldern anzusprechen / aufzusuchen: Juristen, EDV-Gurus, Freunde. Und sie um jeweils das zu bitten, wozu sie jeweils am ehesten in der Lage sind.

4.

Viel besser aber wäre es, wenn es gelänge, herauszufinden, ob die Gesamtheit oder ein Teil dieser Daten doch noch an einer anderen Stelle gesichert wurden. Sei es, systematisch, sei es durch "Zufall", sei automatisch oder durch Dritte, ohne davon selber eine eigene Kenntnis gehabt zu haben.

4a.

In diesem Fall galt beides: Es gab sowohl Sicherungsdateien, die ca. einen Monat alt waren, und es gab eine inzwischen auf einem der Rechner gespiegelte lokale Anwendung, die - fast - den Ist-Stand zur Darstellung bringen konnte.

5.

Auch wenn dieser Satz eigentlich erst an den Schluss dieser Ausführungen gehört: Bei allem Komfort, die Clouddienste anbieten mögen, es ist nach wie vor ein Ding der Unmöglichkeit, sich ausschliesslich auf die sogenannte Sicherheit / Sicherung in der Cloud zu verlassen.

Wäre dieses der Fall gewesen, wäre in diesem konkreten Fall tatsächlich die eigene Existenzgrundlage vernichtet gewesen.

6.

Fahren wir fort: Es wurde - nach der gebotenen Aus-Zeit - der Dialog wieder aufgenommen: Und zunächst jenem Denkmuster gefolgt, das beim "Support" zu dieser absoluten Katastrophe geführt hatte. Denn die dahinterliegende Idee des Supports war es ja, durch ein clean slate alle möglichen Ursachen für die gemeinsam festgestellte Störung beseitigt zu haben.

7.

Auch wenn auf "der anderen Seite" solch ein Fehler gemacht wurde, ist darüber hinaus der Versuch wenig hilfreich - oder gar erfolgreich - nun selber das Zepter in die Hand nehmen zu wollen. Diese Leute an der Hotline sind durch weg gut ausgebildete und erfahrene Fachkräfte, die man ja nicht ohne Grund für die Einrichtung des Exchange-Dienste mit "ins Benehmen" gesetzt hatte.

8.

Andererseits darf man nicht so tun, als ob einen diese Katastrophe nun gar nichts ausgemacht hätte. Und es ist wichtig, vor Abschluss der Dialogserie einen Punkt gefunden zu haben, dieses auch zur Sprache zu bringen.

Und wenn dann zur Antwort kommt, man habe hier etwas gelernt, was man so bald nicht wieder vergessen und sicher bei seiner weiteren Arbeit berücksichtigen werde, dann ist das weit mehr, als nur ein Schuldeingeständnis.

9.

Bestenfalls ist ein solcher Gesprächsmoment (erst) dann zu realisieren, nachdem es gelungen ist, im gemeinsamen Bemühen die Scharte so gut als möglich wieder auszuwetzen.

Das gilt auch dann, wenn dieses gemeinsame Bemühen nicht dazu geführt haben sollte, die ursprünglichen Ist-Zustand voll und ganz wieder hergestellt zu haben.

10.

Nochmals, und anstatt eines Schlusswortes: Es geht hier nicht um ein Mitarbeiterbashing. Es geht hier auch nicht darum, auf diesem Wege nochmals dem eigenen Ärger Gehör zu verschaffen. Dafür sind die zuvor erwähnten Menschen aus den drei oben genannten Gruppen gut und wichtig.

Es ist hier vielmehr zumindest der Versuch unternommen worden, an diesem Beispiel authentisch aufzuzeigen, wie wichtig die technischen u n d die menschlichen Komponenten / Kompetenzen sind: Und das dieses gerade in Momenten der Krise, aufeinander bezogen und - wie dieses hier kursorisch skizzierten Falldarstellung zeigen möge, fruchtbar gemacht werden kann.

WS.

P.S.

An dieser Stelle nicht zur Darstellung gebracht, aber durchaus intensiv reflektiert, ist die tiefere Bedeutung eines solchen Ereignisses: Jeden Tag hören und lesen wir davon, wie einem oder einer ganzen Gruppe von Menschen von einem auf den anderen Moment die gesamte Existenzgrundlage entzogen wurde - oder sie zumindest den Eindruck haben müssen, das eben diese gerade mit ihnen geschähe...

Vielleicht ist es wirklich gut, gelernt zu haben, ein gutes Stück weit "risikoavers" geworden zu sein. Aber vielleicht ist es dennoch nicht ganz so gut, wenn eine solche Haltung, Einstellung, Disposition dazu führt, gar nicht mehr wahrnehmen zu wollen, zu können, was um einen herum geschieht...


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