"Ene mene muh..." es lebe die EU

VON Dr. Wolf SiegertZUM Montag Letzte Bearbeitung: 23. Juli 2020 um 22 Uhr 08 Minutenzum Post-Scriptum

 

Luxemburgs Außenminister zum EU-Gipfel
„Solidaritätsgedanke der Europäischen Union wurde lädiert“

Jean Asselborn, Außenminister von Luxemburg,

Wenn Sie mir eine halbe Minute erlauben, würde ich sagen: Man hat manchmal den Eindruck, dass die Europäische Union sich in vier Teile aufteilt, den Norden, den Süden, den Osten, den Westen, und man weiß nicht mehr genau, was in der Mitte das Ding zusammenhält. Diese Mentalität, diese politische Einstellung, die ist nicht auf der Höhe, um die Größe der Aufgabe, die sich heute der Europäischen Union stellt, zu meistern. Die Bürger – wir müssen aufpassen, dass sie nicht die Berechtigung der Europäischen Union verlieren.

EL COMERCIO, Ouito (Ecuador):

„In der EU herrscht nach wie vor Uneinigkeit darüber, wie die verheerenden Folgen der Corona-Pandemie überwunden werden sollen [...] Auf dem Tisch liegt ein Wiederaufbaufonds mit einem Volumen von 750 Milliarden Euro. Aber noch immer wird darüber gestritten, inwieweit es sich dabei um Hilfsgelder oder um Kredite handeln soll. Die Union ist zwischen Nord und Süd gespalten. Länder wie Spanien und Italien sind besonders stark von der Pandemie getroffen worden und bestehen darauf, dass sie mehr Hilfe bekommen. Aber trotz aller Unstimmigkeiten ist zu erwarten, dass sich die Europäer einigen werden, während es in Südamerika als dem neuen Epizentrum der Corona-Pandemie keine solche Konsenskultur gibt“

MAGYAR NEMZET, Budapest:

„Da muss natürlich wieder der alte Trumpf gezogen werden: die Frage der Rechtsstaatlichkeit. Die europäische Union kann aber nur dann erfolgreich werden, wenn ein jeder von seinem hohen Ross heruntersteigt.“

NÜRNBERGER NACHRICHTEN:

„Dieses Spitzentreffen zeigt auch, dass die Zeiten der deutsch-französischen Führungsrolle vorbei sind. Dass Merkel und Macron ihr Vorpreschen nicht mit den anderen Nettozahler-Regierungen abgesprochen hatten, fiel ihnen nun auf die Füße. In der Gemeinschaft ist so ein weiteres Machtzentrum aus den Niederlanden, Dänemark, Schweden, Finnland und Österreich entstanden.“

LA REPUBBLICA, Rom:

„In Europa entwickelt sich vielmehr ein neuer Nationalismus. Bei den Verhandlungen über den Wiederaufbaufonds wurde dies ganz deutlich. Dort wurden wieder nationale Interessen über die der Union gestellt. Die EU sollte eigentlich ein politischer Riese sein, leider aber steht sie auf schwachen Füßen.“

RHEINISCHE POST, Düsseldorf:

„Das Ringen beim EU-Gipfel um Kosten, Konditionen und Kontrolle ist angesichts der gigantischen Milliardensumme nicht zu beklagen. Aber die Risse in der Union sind es. Sie zeugen von mangelnder Solidarität und legen den Egoismus Einzelner in der Gemeinschaft offen. Dabei ist die EU wirtschaftlich längst so verflochten, dass es die Staaten gemeinsam trifft, wenn einer bankrott geht.“

ROSSIJSKAJA GASETA, Moskau:

„Inhaltlich hat sich nichts geändert: Die Länder im Norden Europas, die am meisten in die EU einzahlen, weigern sich nach wie vor, ihren vom Coronavirus am meisten betroffenen südlichen Nachbarn wie Italien und Spanien selbstlos zu helfen. Sie sind enttäuscht über ausbleibende Reformen in Südeuropa und den Angriffen auf den Rechtsstaat in einigen Ländern Osteuropas. Deshalb können sie die leeren Reden über Solidarität nicht mehr hören“

SKÅNSKA DAGBLADET, Malmö:

„Die sogenannten sparsamen oder auch geizigen Vier – Schweden, Dänemark, Österreich und die Niederlande – wollen den Anteil an Hilfsgeldern senken und dafür mehr Kredite vergeben. Inzwischen hat sich auch Finnland dieser Linie angeschlossen. Umstritten ist auch, ob die Unterstützungen an die Einhaltung von Rechtsstaatlichkeitsprinzipien geknüpft werden sollen. Dass Ungarn und Polen dagegen protestieren, ist nicht überraschend. Die EU steckte schon vor Corona in Schwierigkeiten, aber die Pandemie hat die Probleme verschärft. Es ist gut, dass Merkel und Macron den Schulterschluss vollzogen haben. Die EU braucht mehr Anführer wie sie, die auf das Gesamtwohl der Union und nicht nur auf ihr eigenes Land schauen“

SÜDDEUTSCHE ZEITUNG, München:

„Er ermöglicht eine ehrliche Bestandsaufnahme des Zustands der Europäischen Union; mit ‚beklagenswert‘ ist der noch milde umschrieben. Auch wenn alle 27 Regierungschefs das Wort Europa auf den Lippen tragen, von einer Union ist wenig übrig geblieben. Wer mit Abstand – etwa aus den USA oder China – auf den Klub der europäischen Staatenlenker schaut, wird sich verwirrt fragen, ob dieser Kontinent seine Prioritäten im Griff hat. Die Antwort: Hat er nicht. Das Wiederauferstehungsprojekt Rettungsfonds gerät so zum Dies Irae – zum Tag des Zorns – über unterschiedliche und nicht mehr zu vereinende Regierungs- und Lebensmodelle in Europa.“

DE VOLKSKRANT, Amsterdam:

„Natürlich ist es wichtig, dass die südlichen Länder Reformen durchführen, um ihre Volkswirtschaften robust und zukunftssicher zu machen. Aber zu strenge Reformanforderungen können eine Wirtschaft auch ersticken, wie Griechenland in den vergangenen Jahren erleben musste. Zudem wird der erhobene niederländische Zeigefinger als anmaßend empfunden, gerade weil die Niederlande selbst mit ihrer Exportwirtschaft fast am meisten von der EU profitieren. Dies sollte Regierungschef Rutte den Bürgern mal besser vermitteln. Wähler kann man nämlich nicht nur mit einem nationalistischen Nein gewinnen, sondern auch mit einer realistischen Zukunftsvision für ein gemeinsames Europa“