ALS-Tag # 11 virtuell

VON Dr. Wolf SiegertZUM Freitag Letzte Bearbeitung: 20. Januar 2021 um 14 Uhr 44 Minutenzum Post-Scriptum

 

Dieser Artikel hätte eigentlich am 25. April 2020 veröffentlicht werden sollen, da ursprünglich zu diesem Tag zum elften ALS-Tag eingeladen worden war:

https://www.als-charite.de/save-the-date-als-tag-2020/

Dass es aus bekannten und nachvollziehbaren Gründen nicht dazu gekommen war, hatte den ’Vorteil’, dass stattdessen an diesem Tag der Online-Kurs mit den Design-Thinking-Master-Studenten weiter fortgeführt werden konnte.

Jetzt gibt es einen neuen Termin, ein neues Format...

...und einen neuen Link:

https://www.als-charite.de/als-tag-der-charite-findet-am-freitag-11-september-2020-virtuell-statt/

Bis es dann möglich sein wird, erneut von dieser Veranstaltung zu berichten - siehe dazu zuletzt den Bericht vom 10. ALS-Tag an der Charité - hier vorab die Ankündigung von Prof. Dr. Thomas Meyer:

Der 11. ALS-Tag der Charité findet in Folge der Covid-19-Pandemie „virtuell“ – ohne „Vor-Ort-Publikum“ – am Freitag, 11. September 2020 statt. Dabei werden die Redebeiträge, Präsentationen und Workshops von den geplanten Referenten und Gästen in einem Konferenzraum in Berlin gehalten und im Livestream präsentiert. Durch den Livestream kann die Veranstaltung in „Echtzeit“ in der Zeit von 9 bis 14 Uhr verfolgt werden.

Zusätzlich wird die Veranstaltung durch ein Filmteam dokumentiert und im Nachgang des ALS-Tages in der Mediathek unserer Webseite verfügbar sein. Der Schnitt des Filmmaterials benötigt etwa eine Woche, so dass Anfang September die Videos zum „virtuellen“ ALS-Tag über die Mediathek bereitgestellt werden. Durch die Nutzung von zwei Kameras und die Einbindung der Präsentationen in den Filmschnitt soll eine möglichst informative Darstellung erreicht werden.

Um eine Interaktivität des ALS-Tages (trotz des fehlenden Publikums) zu erreichen, möchten wir Sie bitten, Ihre Fragen an die folgende E-Mail zu versenden: als-ambulanz@charite.de. Während der Präsentationen werden die Referenten auf die offenen Fragen eingehen.

Die Veranstaltung im traditionellen Format war ursprünglich am 25. April 2020 geplant und durch die Pandemie-Maßnahmen in den August 2020 verschoben worden. Die Durchführung des ALS-Tages im traditionellen Format ist bis auf weiteres unrealistisch. Die Charité gestattet derzeit (Stand: 8. Juni 2020) keine Patientenveranstaltungen. Im Land Berlin bestehen ebenfalls hochgradige Beschränkungen in der Realisierung von Veranstaltungen. Der ALS-Tag der Charité ist ein wichtiges Medium des Austausches zu den aktuellen Behandlungsmöglichkeiten, klinische Studien, der Forschung und sozialmedizinischen Themen. Weiterhin ist der ALS-Tag eine Gelegenheit, um offene Fragen an Neurologen und Wissenschaftler des ALS-Zentrums an der Charité zu stellen und zu diskutieren.

Eine Teilnahme ist auch direkt über diesen YouTube-Link möglich [1]

Programm

9:30 Uhr Neues aus Forschung und Entwicklung bei der ALS
sowie offene Fragerunde
(Prof. Dr. Thomas Meyer) [2]

Achtung: auch die Teilnahme an Studien bedeutet nicht, damit schon an einer Therapie teilnehmen zu können. So eine Studie kann bis zu 18 Monaten dauern. Und kann bis zu 90% mit einem negativen Ergebnis ausgehen.

Warnung: Medikation im Selbstversuch - selbst wenn die Angebote schon bei Amazon zur Verfügung stehen - ist aus medizinisch-wissenschaftlichen Sicht nicht zu empfehlen, zumal dann nicht, solange keine Studie mit einer Placebo-Vergleichsgruppe stattgefunden hat und ausgewertet werden konnte.

Negativ: Geduld zu haben ist das Schwierigste - gerade für Patienten, die (eigentlich) keine Zeit mehr haben.

Positiv: Bis heute gab es keine einzige Ablehnung der Kostenübernahme von den Krankenkassen, auch bei den sehr kostenintensiven Medikationen.

10:35 Uhr Neurofilament – ein neuer Test in der ALS-Ambulanz
(Prof. Dr. Thomas Meyer, Dr. Körtvélyessy, Erma Salkic, M.Sc.) [3]

Welchen Wert hat der NFL (Neurofilament light chain)-Therapie-Biomarker, mit denen man selbst über das Blutbild "bis ins Gehirn schauen" kann, wenn man in der Lage ist, einen Wert aufzuspüren, der O.hoch 16 - fache kleiner "Grösse" im Blut nachgewiesen werden kann.

Die These ist, dass ein geringer NFL-Wert eher dafür spricht, dass er Krankheitsverlauf eher langsam ist. Patienten, die schon zu Beginn der Erkrankung einen hohen NFL-Wert haben, werden eher früh versterben. Dieser Wert wird im Verlauf der Krankheit eher stabil sein. Er kann, bei ganz langen Verläufen, manchmal sogar leicht sinken.

Ein hoher NFL-Wert findet sich auch bei anderen Patienten, die sich dann aber schon auf dem Weg auf die Intensivstation befinden, oder dort schon eingeliefert wurden.

Der NFL-Wert sagt etwas darüber aus, dass es Verschlechterungen gibt, aber nicht wo. Es gibt einen grossen Unterschied über Beeinträchtigungen, die die Lebensqualität beeinträchtigen und solchen, die die Lebenszeit verkürzen.

Über drei Jahre werden 1.500 Patienten zweimal im Jahr gemessen werden. Man braucht - in diesem Falle - keiner Lumbal-Diagnostic mehr. Alle 6 Monate eine Messung zu machen reicht. Und die Blutprobe muss nicht gekühlt werden, wenn sie in der Zeit von ca. einer Woche ausgemessen werden kann.

Die Frage ist, ob man auf diesen Weg die Krankheitsbilder schneller erkennen kann, bevor sich als solche erkennbar sind.

Nota: Ab dem Alter von ca. 30 Jahren schrumpft die Leistungsfähigkeit des Gehirns :-(

Achtung: Das ist keine Routine-Diagnostik, die nicht von den Krankenkassen bezahlt wird, sondern von 17 weitere Zentren unterstützt und einer grossen Stiftung finanziert wird.

10:55 Uhr Die ALS-App – Forschung von zu Hause
(Prof. Dr. Christoph Münch)

Die wichtigste Botschaft: "Sie können auch von zu Hause aus die ALS-Forschung unterstützten!"

11:15 Uhr Studien und Behandlungsinnovationen an der Charité
(Dr. André Maier [4], Dr. Dagmar Kettemann, Susanne Spittel M.Sc.)

 Fasudil (nicht für Patienten, die nicht länge als 1 Jahr erkrankt sind)
 Arimocromol (für Patienten mit einer erwarteten Lebenszeit von nicht mehr als 24 Monaten)
 "TUDCA"
 Räumliche Orientierung und Gedächtnis (Ortzellen und Gitterzellen im Hippocampus)
Menschen mit ALS haben auch veränderte Hirnstrukturen und kognitive Störungen, die untersucht werden.
Studienteilnehmer können den Ambulanzbesuch mit der Teilnahme verbinden (ca. 3 Stunden) Es gibt eine Anmeldung unter kogniition-.....
Medikamente zur Linderung von Symptomenen
 DMC (gegen pathologisches Lachen) belebt die Beweglichkeit der Zunge und des Schlundes
 "Fampyra" für Patienten mit einer spastischen Gangstörung (für besseres Laufen, ohne die Stabilität damit einzuschränken) kann in den Apotheken hergestellt werden
 Kanabishaltige Arzneimittel: "THC:CBD" (flüssig, anstatt Blüte) [5]
 Xeomin zur Verhinderung des Speichelflusses (wird direkt mit einer sehr dünnen Nadel in die Speicheldrüse gespritzt)
 Robotische Assistenzsysteme 3 Roboterarme (zumeist am Rollstuhl) und ein Mahlzeiten-Essroboter ("Obi") erlauben einen höheren Grad an Patientenautonomie.
 Deckenlifter holen den Patienten aus einer Sitzposition in eine andere ("eine Art Seilbahn in der eigenen Wohnung"). Kann - da eine demontierbares Hilfsmittel - auch von den Krankenkassen übernommen werden.

Nochmals DANK an die Boris Canessa ALS - Stiftung und vieler andere Einrichtungen und Privatpersonen, sowie an das BMBF .

Nachfolgende Beiträge konnten an diesem Tag nicht weiter gesichtet, können aber in der bereits oben als Link zitierten Aufzeichnung ebenfalls im Nachgang eingesehen werden.

12:10 Uhr Workshop 1
Atemhilfen, Hustenassistenz und
Ernährungsunterstützung
(Moderation Birgit Koch)

12:55 Uhr Workshop 2
Kommunikations- und Mobilitätshilfen, Essroboter
(Moderation Dr. André Maier)

14:00 Uhr Workshop 3
Pflegerische Unterstützung bei der ALS
(Moderation Dr. Jenny Norden)

14:45 Uhr Zusammenfassung und Verabschiedung
(Prof. Dr. Thomas Meyer)

P.S.

Das ebenso beeindruckende wie authentische Dokument des Umgangs mit dieser Krankheit war im August diesen Jahres im ZDF in dem 37°-Beitrag von Maximilian Damm, Reaktion Brigitte Klos : Mein Wille geschehe. Wie weit geht die moderne Medizin? zu sehen:

Der 65-jährige "taz"-Mitbegründer und Journalist Benedict Mülder bekam im Jahr 2009 die Diagnose Amyotrophe Lateralsklerose, kurz ALS, eine Krankheit, die zu totaler Bewegungslosigkeit führt. Er hat sich damals dafür entschieden, mit der Krankheit weiterzuleben. Mit Beatmung und zu Hause bei seiner Familie. Seine Frau Dagmar hat die Entscheidung mitgetragen – aus Liebe zu ihm: "Es war uns klar, dass wir uns immer für das Leben entscheiden." Die Alternative zur Beatmung wäre der Tod gewesen. Seit Jahren liegt Benedict Mülder nun bewegungslos in einem Pflegebett im Wohnzimmer seiner Familie.

Michael Sontheimer:

Nachdem er die taz 1986 verlassen hatte, recherchierte und produzierte er Dokumentarfilme und Beiträge für TV-Magazine. Er arbeitete für den SFB, „Aspekte“, Arte und andere, gern über kulturpolitische Themen.

Von heute aus betrachtet war Benedict einer der ersten Grün-Schwarzen, die nun eine reale Machtoption im vereinigten Deutschland darstellen. So gesehen war bmm seiner Zeit deutlich voraus.

Wolfgang (Zaggi) Zügel:

Benedict starb am Abend des 16. Dezember in Berlin.

Dem vorausgegangen ist die ZDF-Produktion "Isoldes letzter Sommer" aus dem Jahr 2002, ein "37 Grad-Film über eine Frau, die entschlossen ist, ihr Leben zu beenden", die erstmals am Dienstag, den 21. Januar 2003, ab 22.15 Uhr, ausgestrahlt wurde:

Anmerkungen

[1Achtung: Wer sich dem Daten-Zugriff durch Google entziehen will, hat nur eine Möglichkeit: sich bereits auf der Charité-Seiteim private-mode einloggen und dann von dort aus den YouTube-Kanal öffnen.

[2

Susanne Spittel M.Sc.

[3

[4wird vertreten durch Prof. Dr. Thomas Meyer

[5Das Thema der evidenzbasierten Medizin widerspricht dem Versuch der fehlenden Reproduzierbarkeit. Auch wenn es bei Patientengruppen gute Erfahrungen mit den Blüten gemacht werden (hier haben die Krankenkassen einen Arzneimittelzulassungsvorbehalt)


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