Schelte am DB-Schalter

VON Dr. Wolf SiegertZUM Samstag Letzte Bearbeitung: 24. Oktober 2005 um 09 Uhr 50 Minuten

 

Dieses ist eine kleine Geschichte vom "Comfort"-Schalter der Deutschen Bahn und Frankfurt/Main Hauptbahnhof.

Es geht um eine Mitarbeiterin am Schalter, die offensichtlich schon mehrmals im Verlauf ihres Arbeitstages nicht gerade freundlich von ihren Kunden angesprochen worden ist. Und wenn man dann das Pech hat, der letzte Kunde zu sein, bevor die Schicht beendet ist, dann kann man schon mal Pech haben.

Mit einer Reservierung von zwei Plätzen für die erste Klasse in der Hand sollte für eine Begleitperson auf deren 2. Klasse-50er-Karte ein erste Klasse Tickte gekauft werden. Das ginge nicht, so die Antwort. "Wenn Sie eine Card 50 zweiter Klasse haben und erste Klasse fahren wollen, müssen Sie dafür den vollen Preis entrichten."

Gut, so die Antwort, wenn dem so ist, dann stellen Sie bitte ein Ticket der zweiten Klasse aus. "Nein", so die Antwort, "das geht auch nicht. Dazu müssen Sie an einen anderen Schalter gehen. Ich stelle hier keine Tickets für die zweite Klasse aus."

Was tun? Nach einer viertel Stunde Wartezeit vor dem "Comfort"-Schalter waren es noch vier Minuten bis zur Abfahrt des auf der Reservierung angegebenen und damit der Mitarbeiterin bekannten Zuges. Sie musste also wissen, dass Sie mit ihrem Verweis auf einen anderen Schalter dafür sorgt, dass dieser Zug nicht mehr erreicht werden kann.

"Als Inhaber eines Tickets der ersten Klasse bestehe ich darauf, dass Sie mir jetzt ein zweites Ticket für die zweite Klasse ausstellen". Diese mit Nachdruck vorgetragene Forderung hatte Erfolg.

Danach ging alles so schnell, dass sogar noch 45 Sekunden Zeit blieben, den Hintergrund dieses Vor-Falls aufzuhellen. "Schreien Sie mich nicht an", hatte die Mitarbeiterin entgegnet, bevor sie begann, das gewünschte Ticket auszustellen. Da dieses nachweislich nicht der Fall gewesen war, kam die Gegenfrage: "sind Sie denn heute schon so oft angeschrien worden?"

Das wird bejaht. Und dann, beim Ausschalten des Lichtes über dem Schalter, kommt noch der Satz: "Ach, gehen Sie doch alle an den Automaten, der gibt dann einfach keine Antworten mehr."

"Genau deswegen eben nicht", so die Antwort, "ein Comfort-Schalter ist eben mehr als nur ein Automat; er heisst vielleicht auch deshalb so, hier noch eine Bedienung eines Menschen durch einen anderen Menschen möglich ist". Und so fliegt dann am Schluss des Arbeitstages doch noch ein kleines Lächeln über das Gesicht der Mitarbeiterin.

Was uns diese Geschichte lehrt: Krisenmanagement und Deeskalationstraining sind nicht nur etwas für die Chefetage, sondern auch von Bedeutung, wenn der Chef selber als Kunde am Schalter steht - und die Gegenseite versucht, sich an der falschen Person für das zu rächen, was ihr von einer anderen an Leid zugefügt wurde.

WS.


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