
Der Studentische Debattierclub richtete vom 23 bis 27. März in Berlin seine Europameisterschaften aus und hatte am 26. März ab 13.30 Uhr zu einer öffentlichen Abschlussveranstaltung in das Konzerthaus am Gendarmenmarkt Berlin eingeladen.
Hier die Einladung .
Da der nachfolgende Eigenbericht alles andere als objektiv, vollständig oder auch nur ausgewogen sein wird, hier vorab die wichtigsten Infos aus den Pressemeldungen:
"Die Leute in einem Debattier-Club sind doch alle elitär und langweilig!"
Solche Vorurteile bekommt Fabian Probst, Student der Umwelttechnik an der TU Berlin häufig zu hören. Seit zwei Jahren ist er Mitglied des Berlin Debating Union e.V., zu dessen Präsident er letzten Sommer gewählt wurde.
Jeden Dienstag um 20 Uhr treffen sich die Studierenden, um über verschiedene gesellschaftliche und politische Themen zu debattieren. Jetzt richten sie in Berlin die Europameisterschaft der studentischen Debattierer aus.

Fabian Probst selbst ist auf das Debattieren durch eine Autobiografie von Winston Churchill gekommen, der dort die Konfrontationen in den Debatten des britischen Parlaments beschrieb. "Diese direkte Auseinandersetzung hat mich fasziniert", erinnert er sich und fügt hinzu: "In England gibt es schon seit hundertfünfzig Jahren Debattier-Clubs, während die ersten deutschen erst vor etwa sechs Jahren entstanden sind."
"Manchmal gibt es auch so genannte Spaßdebatten", erzählt Fabian Probst, "beispielsweise darüber, ob Männer rosa Schlipse tragen dürfen." Debattiert wird in vier Teams von je zwei Leuten. Vorher wird ausgelost, wer Pro und wer Contra argumentiert. Als besonders reizvoll empfindet Probst es auch, gerade die Meinung zu repräsentieren, seiner eigenen widerspricht, weil man dadurch einen viel weiteren Blickwinkel bekomme.
"Der Club ist keineswegs elitär, es kommen Studenten mit jeglichem sozialen Background. Alle haben unterschiedliche Ambitionen und absolut nicht alle wollen in die Politik", berichtigt Probst gängige Vorurteile. "Die einzige Gemeinsamkeit besteht darin, dass alle sich gerne mit unterschiedlichen Themen auseinandersetzen."
Neben den wöchentlichen Debatten gibt es auch Seminare für Anfänger, in denen es erst einmal darum geht, die Angst vorm Reden zu verlieren, um später strukturiert argumentieren zu können. "Bei uns braucht man keine Angst haben, ausgelacht zu werden, weil jeder weiß, wie viel Mut am Anfang dazu gehört. Ich habe bei meiner ersten Debatte vor zwei Jahren auch nur ein paar Minuten durchgehalten, weil mir danach einfach nichts mehr eingefallen ist. Aber das macht nichts, weil es jedem so ähnlich geht."
Heute geht der 24-jährige TU-Student erfolgreich auf internationale Debattier-Turniere. Demnächst richtet sein Club, die Berlin Debating Union sogar die diesjährigen Europameisterschaften aus. Zum ersten Mal ist Deutschland Gastgeber. Schirmherr der Veranstaltung ist Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit.
Ehrengäste sind unter anderem die TV-Moderatorin Sandra Maischberger,

Israels Botschafter Shimon Stein

sowie Dr. Rainer Esser, Geschäftsführer des Hauptsponsors "DIE ZEIT".

Debattiert wird ausschließlich in englischer Sprache.
Und das geht dann so: an jeweils zwei Tischen zur linken und zur rechten Seite des Rednerpultes sitzen jeweils zwei Personen, die als "Government" und "Opposition" die entgegengesetzten Positionen eines Themas vertreten.
Während der Redezeit eines der Parteigänger von Pro und Contra kann jeweils von der Gegenseite Widerspruch durch Aufstehen und Aufzeichen angemeldet werden - und in einigen wenn auch zumeist wenigen Fällen wird dann der Gegenpartei durch den Redner auch die Möglichkeit eingeräumt, direkt mit einer Frage zu intervenieren.

Hier ist eine solche typische Situation im Bild festgehalten. Und dieses Foto zeigt zugleich die beiden späteren Gewinner des Wettbewerbs "in action".

Genau dieses Arrangement war aber auch die Crux der ganzen Show: Alle der insgesamt acht ausgesuchten Kandidaten hatten ihre diverierenden Positionen mit grosser Kraft und Nachdrücklichkeit vorgetragen - und doch waren sie sich bei aller Gegensätzlichkeit in dem Duktus Ihres Vortrages sehr ähnlich, nicht nur von den Konventionen her, sondern auch durch eine - im Verlauf der Veranstaltung immer mehr dominierenden - geradezu hektischen Anhäufung von Argumenten um ihrer selbst willen.

Wohlwissend, dass man hier im Kampf zwischen den "Schwarzen" und den "Roten" selbst den witzigen Umgang mit Klisches nicht zu scheuen brauchte, um für die eigene Argumentation Punkte zu sammeln, hatte keiner der acht Kanditaten - bei aller Brillianz und Mundfertigkeit - letztendlich die Kraft, seine Argumente auch mal mit einer Pause zu stützen, mit einem Angebot an das Publikum, auch wirklich davon wirklich verstehen zu können, was man ihm da mit einer Ladung von Argumenten entgegenschleuderte. Und das mit einer Dichte und Heftigkeit, die so manchem Maschienengewehrfeuer gleichkam.
Dass dieses auch anders gehen kann, das machten ihnen im Verlauf eines anschliessenden zweiten meisterlichen "Schaukampfes" der stellvertretene britische Botschafter Hugh Mortimer im Verein mit dem Hertie Schnool of Governance Professor Dr. Stephen Szabo vor. Ihre Begründungen, warum die Deutschen in diesem Jahr wieder die Fussball-WM gewinnen "müssen", waren bei beiden von einer ausgeklügelten Dramaturgie und "echt filmreif". [1]

So hatte sich zumindest ein Amerikaner jenseits des British Empire finden lassen, der auf diesem hohen Niveau der Debattierkunst hatte mithalten können. Hier gaben der Vorteil eines "Native Speakers" und die Erfahrung des Alters den Ausschlag. Auch wenn es in diesem zweiten "Schaukampf" von Seiten der Studenten-Opposition aus London und Oxford gelang, kräftig Kontra zu geben - und vor allem auch viel zu Lachen: Selbst als es der einzigen weiblichen Sprecherin an diesem Nachmittag ohne Gram zu sagen gelang, dass es den Amerikanern vorbehalten bliebe die Möglichkeit nutzen zu können, ein ganzes Land auszuschalten.
Das war dann aber auch einer der ganz wenigen Momente, dass die Dabatte nicht nur von der Form, sondern auch von der Sache her wirklich an Format gewann. Fragen, warum die Deutschen die Fussballweltmeisterschaft gewinnen müssen [2] oder nach der Anstellung von Rauchern in den Betrieben sind ein attraktives Tableau, auf es sich gut tummeln lässt: aber wirklich ins Taumeln gebracht werden, das soll dann doch wieder keiner.
Wenn also schon "The Good Sports" im Vordergrund steht, warum gibt es dann im "Finale der Europameisterschaften im Studentischen Debattieren 2006" unter den letzten 8 potenziellen Gewinnern keine einzige Frau und keine einzige Person, die als "Non-Native-Speaker" noch eine Chance bekommen hätte?
Wie es dazu kommt, dass letztendlich diese Veranstaltung doch nur von den jungen Männern des Vereinigten Königreiches untereinander ausgetragen wurde, dazu erfährt man mehr durch die Lektüre des Berichtes von Oliver Voss über den Verlauf der Vorrundenausscheidungen auf Seite 28 der Lokalausgabe der Tageszeitung Nr. 7931 vom 25.3.2006. [3]

Dennoch: trotz dieser Schatten war dies die bisher grösste Veranstaltung ihrer Art. Und Berlin mit seinem Konzerthaus am Gendarmenmarkt eine "Super Location", ganz ohne Hooligans, wie die beiden Moderatoren eingangs festzustellen glauben mussten.Und ein volles Haus [4]

Selbst die Ränge ware gut besetzt. Und vor allem von dort machten sich denn auch die Rufer und die "Rasselbanden" bemerkbar, so wie man es von der "Night of the Proms" offensichtlich gewohnt war.

Nur dass an diesem Nachmittag keine Fahnen geschwungen und keine Zeile von "Land of Hope and Glory" gesungen wurde.

Aber das war eigentlich angesichts der Allmacht des British Way of Live-Talk schon gar nicht mehr notwendig. Ich wünschte, so Sandra Maischberger als Sprecherin der Jury, wir hätten ein solches Niveau durchgehend in den eigenen Talkshows. Welch ein Sendungsbewusstsein, Madame Maischberger, welch ein Sendungs-Bewusstsein!
