Kom-pen-sations-zeit

VON Dr. Wolf SiegertZUM Montag Letzte Bearbeitung: 11. Juni 2006 um 10 Uhr 59 Minuten

 

Die Zeit, sich wirklich eine Auszeit zu nehmen, ist nicht da. Wie schon lange nicht mehr. Dennoch ist es notwendig darauf zu achten, dass bei aller Verdinglichung der eigenen Lebenszeit durch die Anforderungen des Alltags die Wahrnehmung ihrer nicht soweit aus dem Blickfeld des eigenen Lebens gerät, dass dieses Leben als das Eigene überhaupt nicht mehr wahrgenommen wird.

Oft reicht es da schon, sich eine Stückchen Zeit nehmen zu dürfen, um den ganz simplen Versuchungen nach einer Aus-Zeit ein Stückchen nachzukommen, und sich vor allem selbst darüber anschliessend nicht zu grämen, dass man mal einen Tag "nichts" gemacht hat.

Dabei kann dieses "Nichts" so wichtig sein. Oft sind es schon Kleinigkeiten, die hier Wunder wirken können:
 das Einkaufengehen auf dem Markt ohne viele Besorgungen machen zu wollen
 der Kurzbesuch beim Friseur ohne dass die Haare hätten geschnitten werden müssen
 der Weg zum Optiker um die Brille richten zu lassen,
 der Kauf eines Karabinerhakens für 1€48 um die Autoschlüssel besser am Schlüsselbund fixieren zu können
 die Bereitschaft im Kühlregal die Preise von Cola-Flaschen zu vergleichen: 0,5 l für 0,99 € und 1 l für 1,19 €
 eine ärgerliche Mail erst einmal liegenzulassen und dann zu beantworten ohne sie abzusenden
 sich ein "Banana-Split"-Eis bei in jedem Geschäft zu leisten, das man trotz heftigster Akquise i.A. eines Dritten nie für diesen hat gewinnen können
 die Bereitschaft, sich von den Fussball-Kommentatoren von der Arbeit abhalten und die Spannung am Spielegucken zuzulassen
 sich Vernisage eines Freundes ebenso zu "schenken" wie die mitternächtliche Laser-Show am Brandenburger Tor.

All diese macht also noch keinen "echten" Urlaubstag. Und doch vermag das Zulassen dieser Vielzahl von scheinbar überflüssigen Dingen und Ereignissen ein Stück weit das seelische Gleichgewicht wieder zu kompensieren - und Mut zu machen für den nächsten Tag.

WS.


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