Der Pirat: Freibeuter & Freesurfer

VON Dr. Wolf SiegertZUM Mittwoch Letzte Bearbeitung: 15. Januar 2015 um 23 Uhr 06 Minuten

 

Es hat wirklich viele Jahr gebraucht, bevor man sich in Politik und Wirtschaft auch öffentlich dem Thema der Piraterie zu stellen begonnen hat.

Dafür geschieht das jetzt umso intensiver - und auch umso nachhaltiger?

Bisher war dieser Begriff "nur" im Zusammenhang mit illegalen Netzaktivitäten in Zusammenhang gebracht worden. Und das etwa im gleichen Sinne, wie man bislang auch schon über "Würmer" oder "Viren" im Netz gesprochen hatte.

Dabei hat man im Grunde einen Begriff aus der realen Welt im Zusammenhang der Internet-Aktivitäten wieder aufgegriffen - bis es jetzt zu einer Art von Wiederauferstehen der bislang im "Netz" durch Neudeutung reaktivierten Begriffe kommt: Durch das Schweingrippe-Virus zum Beispiel oder die Piraten vor Somalias Küsten .
Letzte sind in ihrer aktuellen Konnotation eher an Mythen und Medien geknüpft, die uns derzeit eher als Geschichten und Erfahrungen im Umfeld virtueller und medialer Darstellungswelten wieder zur Wahrnehmung vorgeführt werden.

In der "TV-Young"-Programm-Vorankündiung von Mona Petri wird in den Lücker Nachrichten vom 3. Juni 2009 auf die ZDF-Sendung vom 10. Juni verwiesen, in der HEUTE ab 22:15 Uhr in der Reihe: "Abenteuer Wissen" über das Thema: "Piraten - Mythos und Wirklichkeit - Augenklappen-Romantik hat Pause" berichtet wird.

Und gefragt: "Kann man den schrägen Piraten aus dem Reich der Fiktion noch guten Gewissens toll finden, wenn zugleich reale Personen unter dieser bedrohlichen Flagge segeln?"

In dem gleichen Text heisst es abschliessend: "Unter Wissenschaftlern wird eine spannende These vertreten. Während die moderne Seeräuberei auf dem Nährboden nicht funktionierender Staaten gedeiht und einer mafiösen Industrie gleicht [1], soll der Piraten-Codex damals die erste quasi-demokratische Verfassung der Neuzeit gewesen sein."

Und damit sind wir wieder - wohl oder übel - im Internet. Und bei der Frage, ob die "Piraten" die sich in dieser Netzwelt tummeln, nun eher von der Mentalität der aktuellen oder der historischen Piraten geprägt sind - oder von beiden?

Und - wie es der "Zufall" so will - ebenfalls heute wird Pro wie Contra über die Resolution gegen den geistigen Diebstahl im Internet diskutiert, die am Montag dieser Woche auf dem 3. Internationalen Mediendialog in Hamburg unter der Mitwirkung der Axel Springer AG, der Bauer Media Group, der Ganske Verlagsgruppe GmbH, von Gruner + Jahr AG & Co KG, dem Spiegel-Verlag Rudolf Augstein GmbH & Co KG sowie Zeitverlag Gerd Bucerius GmbH & Co. KG vorgelegt worden war - und der sich inzwischen auch die Deutsche Presse-Agentur (DPA) und die Allianz Deutscher Produzenten in Film und Fernsehen angeschlossen haben. [2]

Siehe dazu
als PRO-Position den dpa-Texte in Stern.de:
 Verlage wehren sich gegen Internet-Piraterie
und als Contra-Position den Blog von "Don Alphonso", der bereits am 8. Juni 2009 um 15:27 Uhr wie folgt reagiert hat:
 Die korrigierte Resolution im Wortlaut. [3] [4]

Ein solcher Text ist natürlich Wasser auf die Mühlen für Initiativen wie die PLATTFORM GEISTIGES EIGENTUM.
Und die Aufforderung an die Bundesregierung "die Rechte von Urhebern und Werkmittlern weiter an die Bedingungen des Internets anzupassen" ist nunmehr unüberhörbar.

Aber es wird schwer werden, denn die - erst nach dem zweiten Anlauf in Frankreich Mitte Mai in Parlament durchgebrachten Regelungen - sind seit heute durch einen Einspruch des Rates des Verfassung zunächst wieder aufgehoben worden. [5].

Zur Genugtuung des ECO-Sprechers Oliver Süme. um so „aus der Sackgasse einer immer schärferen Kriminalisierung von Urheberrechtsverletzungen auszubrechen und neue Geschäfts- und Vergütungsmodelle für das Internetzeitalter zu entwickeln“, was wiederum den Chef des Bundesverbandes der deutschen Musikindustrie, Dieter Gorny, dazu motiviert, darauf hinzuweisen, dass trotz dieses Einspruchs das "zentrale Element des Gesetzes, der Versand von Warnhinweisen bei Urheberrechtsverletzungen und eine Sanktion bei deren Nichtbeachtung" von dieser Entscheidung nicht betroffen sei. [6]

Und: Es ist abzusehen, dass auch Seitens der Kinobranche in das gleiche Horn gestossen und darauf hingwiesen werden wird, dass die Einrichtung einer eigenen Behörde mit dem Namen "HADOPI (Haute Autorité pour la Diffusion des Œuvres et la Protection des droits sur Internet)" damit nicht in Fage gestellt sein dürfte, ebenso die Möglichkeit, Warnungen zu versenden und Strafen bei deren Nichtbeachtung anzudrohen.

Zu guter Letzt

 In dem NETZWELT/Netzpolitik-Beitrag über den "STREIT UM INTERNET-FILTER. Die Generation C64." hatte Christian Stöcker am 2. Juni 2009 auf Spiegel-Online nicht nur seine Stimme erhoben, sondern auch seinen Blick, über die aktuelle Debatte hinausgeschaut und geschrieben:

"Die Debatte um Ursula von der Leyens Gesetzentwurf gegen Kinderpornografie im Netz macht eine gesellschaftliche Kluft sichtbar: Die Generation Online will nicht länger akzeptieren, dass über sie hinwegregiert wird. Ein Generationenkonflikt wird sichtbar, der das Land noch Jahre lang spalten könnte."

 In der Online-Vorab-Publikation eines Artikels aus dem berliner Tagesspiegel vom 11. Juni 2009 [7] heisst es gleich zu Beginn:

"Erst machten sie die Weltmeere unsicher. Dann eroberten sie die Kinoleinwand und das Internet. Jetzt hat die Freibeuterbewegung, in Gestalt der schwedischen Piratenpartei, das Europaparlament geentert. Weht auch über dem Reichstag bald die Totenkopfflagge?"

Hier nochmal zur Erinnerung an die Europawahlen vom 7. Juni 2009 ein YouTube-LINK zum Werbespot der Piratenpartei Deutschlands, die es in ihrem Stammland in Schweden mit ihrem Spitzenkandidaten Christian Engström geschafft hat, die 4% Hürde mit einem Ergebnis von 7,1 % zu überwinden und damit in das Europäische Parlament einzuziehen.

Popkomm 2009 abgesagt
Bericht aus der 20-Uhr-Ausgabe der "tagesschau" vom 19.06.2009
Es gelten die Regeln des Urheberrechts all rights reserved

 "Urheberrecht muss sich Menschen anpassen". Rechtsexperte - Viktor Mayer-Schönberger, Direktor des Information and Innovation Policy Research Centres an der National University of Singapore- kritisiert falsche Strategie gegen Online-Piraterie.
Markus Steiner in der pressetext-Meldung vom 19. Juni 2009, 11.40 Uhr.

Von der SPD zu den Piraten: MdB Tauss
Bericht aus der 20 Uhr-Ausgabe der "tagesschau" vom 20.06.2009
Es gelten die Regeln des Urheberrechts all rights reserved

 [8]

Anmerkungen

[1Siehe die ZDF-Doku vom 23. April 2009 über den "Fluch der Sieben Meere": http://www.zdf.de/ZDFmediathek/content/741192?inPopup=true.

[2 Schutz geistigen Eigentums
Erklärung der Hamburger Verlage

Das Internet ist für den Journalismus eine große Chance. Aber nur, wenn die wirtschaftliche Basis auch in den digitalen Vertriebskanälen gesichert bleibt. Das ist derzeit nicht der Fall.

Zahlreiche Anbieter verwenden die Arbeit von Autoren, Verlagen und Sendern, ohne dafür zu bezahlen. Das bedroht auf die Dauer die Erstellung von Qualitäts-Inhalten und von unabhängigem Journalismus.

Wir treten deswegen entschieden dafür ein, den Schutz geistigen Eigentums im Internet weiter zu verbessern.

Freier Zugang zu Webseiten bedeutet nicht zwingend kostenlosen Zugang. Wir widersprechen all jenen, die behaupten, dass Informationsfreiheit erst hergestellt sei, wenn alles kostenlos zu haben ist. Der freie Zugang zu unseren Angeboten soll erhalten bleiben, zum Verschenken unseres Eigentums ohne vorherige Zustimmung möchten wir jedoch nicht gezwungen werden.

Wir begrüßen deshalb die wachsende Entschlossenheit von Bundesre-gierung, Landesregierungen und den im Bundestag vertretenen Partei-en, die Rechte von Urhebern und Werkmittlern weiter an die Bedingun-gen des Internets anzupassen.

Im Internet darf es keine rechtsfreien Zonen geben. Gesetzgeber und Regierung auf nationaler wie internationaler Ebene sollten die geistige Wertschöpfung von Urhebern und Werkmittlern besser schützen. Unge-nehmigte Nutzung fremden geistigen Eigentums muss verboten bleiben.

Am Ende muss auch im World Wide Web gelten: Keine Demokratie gedeiht ohne unabhängigen Journalismus. Kein Wissen entsteht ohne faire Beteiligung an seinem wirtschaftlichen Ertrag.

Hamburg, den 8. Juni 2009

[3" Die korrigierte Resolution im Wortlaut
Das Internet ist für den Journalismus eine große Chance. Für Clickstrecken, DPA-Abschreibe und Sonntagsreden Aber nur, wenn die wirtschaftliche Basis auch in den digitalen Vertriebskanälen gesichert bleibt. Auf sowas die Diskussionskanäle oder Mitwirkungskanäle scheissen wir dagegen, wir wollen nur die Kohle. Das ist derzeit nicht der Fall. Wir haben es schliesslich mehrfach in der New Economy verschissen.

Zahlreiche Anbieter verwenden die Arbeit von Autoren, Verlagen und Sendern, ohne dafür zu bezahlen. Wir dagegen klauen die Bilder von Unglücksopfern wie die Raben bei StudiVZ und Co. in der Hoffnung, dass die Hinterblieben andere Sorgen haben, als uns den Arsch bis zum Sprechloch aufzureissen. Das bedroht auf die Dauer die Erstellung von Qualitäts-Inhalten und von unabhängigem Journalismus. Der ist leider nicht im Mindesten so gewinnbringend wie unsere gekauften Schmierereien, siehe Reise, Auto, Strom, Internet, Bücher, Anzeigen, kostenloses Fingerfood und so weiter.

Wir treten deswegen entschieden dafür ein, den Schutz geistigen Eigentums im Internet weiter zu verbessern. Solange uns keiner verbietet, bei Wikipedia zu kopieren oder amerikanische Zeitungen zu plündern.

Freier Zugang zu Webseiten bedeutet nicht zwingend kostenlosen Zugang. Wir haben das auch schon mit Bezahlinhalten ausprobiert und sind übel auf die Fresse gefallen. Deshalb: Wir widersprechen all jenen, die behaupten, dass Informationsfreiheit erst hergestellt sei, wenn alles kostenlos zu haben ist. Das behauptet zwar keiner, aber hey, seit wann kümmern wir uns um sowas Blödes wie die Wahrheit? Der freie Zugang zu unseren Angeboten soll erhalten bleiben, zum Verschenken unseres Eigentums ohne vorherige Zustimmung möchten wir jedoch nicht gezwungen werden. Kann jetzt mal bitte jemand die Google-Gründer in Einzelhaft stecken?

Wir begrüßen deshalb die wachsende Entschlossenheit von Bundesregierung, Landesregierungen und den im Bundestag vertretenen Parteien, die Rechte von Urhebern und Werkmittlern weiter an die Bedingungen des Internets anzupassen. Und nicht vergessen: Bald ist Bundestagswahl, und wir haben bei StudiVZ auch die Bilder Ihrer halbnackten PR-Gehilfin gefunden.

Im Internet darf es keine rechtsfreien Zonen geben. Ausser natürlich unsere Bildquellen. Gesetzgeber und Regierung auf nationaler wie internationaler Ebene sollten die geistige Wertschöpfung von Urhebern und Werkmittlern besser schützen, solange es nicht die Knebelverträge tangiert, mit denen wir unsere Schreiber ausnehmen. Ungenehmigte Nutzung fremden geistigen Eigentums muss verboten bleiben. Wir hätten auch nichts gegen Handabhacken, das ist hübsch nachhaltig.

Am Ende muss auch im World Wide Web gelten , also verklickern Sir das auch der EU: Keine Demokratie gedeiht ohne unabhängigen Journalismus. Wir fordern deshalb auch ein Verbot von Blogs. Das hilft auch Ihren Lobbyisten, und unseren Gastbeiträgern, die von der Bahn bezahlt werden. Kein Wissen entsteht ohne faire Beteiligung an seinem wirtschaftlichen Ertrag. Und Wikipedia ist sowieso nur voller Fehler. Was nix kost, ist nix. Ganz im Gegensatz zu unseren tollen Klickgalerien mit den 500 schönsten Uhren und 300 besten Häschenwitzen.

Hamburg und Teheran, 8. Juni 2009

Kursiv im Original, alles andere sind ergänzende Empfehlungen von mir und der spanischen Inquisition."

[4Selbst wer mit dieser hier vertretenen Position - oder auch der in diesem Zusammenhang gewählten Sprache - nicht einverstanden ist, sollte sich mal auf den nachfolgenden Kommentar-Einträgen umschauen...

[5Siehe dazu die Eintragungen in tagesschau.de vom
 12. Mai 2009 18:38 Uhr.
und - in Ergänzung dieses Eintrags die Bestätigung der hier vorgetragenen Berfürchtung durch einen neuen "tagesschau.de"-Eintrag vom
 10. Juni 2009 20:56 Uhr.

[6Zitiert nach: Heise Online - 11.06.2009 13:40 - Französische Regierung hält an Internetsperren-Gesetz fest.

[7Mit der sehr vielsagenden Überschrift: "Auf der Piratenwelle. Die Generation C64 honoriert nicht Politik im Netz, sondern Politik fürs Netz. Warum die Piratenpartei bei der Europawahl überraschte."

[8Siehe dazu auch der Beitrag: Tauss? Rauss!.


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