Der kress-Kongress tanzt - auf dem Vulkan?

VON Dr. Wolf SiegertZUM Dienstag Letzte Bearbeitung: 16. Januar 2015 um 12 Uhr 51 Minuten

 

Unter dem Titel: »Inhalte – Aufbereitung – Monetarisierung« hat sich das kress-Team eine Reihe von qualifizierten Gesprächspartnern eingeladen, um heute in einer Veranstaltung im
Empire Riverside Hotel die folgenden Fragen zur Diskussion stellen zu können:
 Wie bekommt man die Inhalte seiner Angebote auf alle derzeit (und künftig) relevanten Plattformen?
 Wie werden sie für die jeweilige Vertriebsform adäquat aufbereitet? - Wie kann man dafür nachhaltig Geld verlangen?

Nachdem dieses Thema ja in aller Breite auf den Medientagen in München diskutiert wurde, wäre es wahrlich ein Fortschritt, wenn nun in Hamburg dazu auch "Butter bei die Fische" käme.

In der Einladung zur Veranstaltung heisst es dazu:

Dabei geht es nicht nur um den kontinuierlichen Transfer etablierter Medienmarken auf ein zukunftsfähiges Internetangebot, sondern auch um Investitionen in neue Marken und Modelle im Netz, von Social Media bis zur App (und was danach kommt). Performance-orientierte Werbeerlöse oder E-Commerce, Paid-Content-Modelle oder vertikale Angebote und effizientere Strukturen in Produktion, Vermarktung und Administration

Mit dabei sind u.a.:

 Philipp Welte (Hubert Burda Media)
 Christoph Keese (Axel Springer AG)
 Stefan Winners (Tomorrow Focus AG)
 Claude Schmit (RTL Disney Fernsehen GmbH & Co. KG)
 Dr. Stefan Engels (Hogan Lovells)
 Cord Dreyer (dapd nachrichtenagentur GmbH)
 Tim Ramms (Motor Presse Stuttgart GmbH & Co. KG)
 Dr. Olaf Conrad (Deutscher Presse Vertrieb (DPV)
 Mathias Müller von Blumencron (Spiegel-Online GmbH)
 Lukas Kircher (KircherBurkhardt GmbH)
 Wolfgang Büchner (dpa Deutsche Presse-Agentur GmbH)
 Michael Rzesnitzek (OC&C Strategy Consultants GmbH)
 Georg von Waldenfels (lb-lab GmbH)


Was seit der Zustellung dieses Programms geschah:

— Am 18. Oktober 2010 wurde diesbezüglich an den Veranstalter eine Akkreditierungsanfrage übermittelt

— Bis zum Freitag, den 26. November 2010 wurde keine Antwort zugestellt und die Anfrage zu diesem Zeitpunkt wiederholt

— Andere Kolleginnen und Kollegen wurden bereits von der Berichterstattung ausgeschlossen - oder es wurde ihnen alternativ eine ermässigte Teilnehmergebühr angeboten

— Der hier angegebene Link auf den Kongress funktioniert nicht mehr

— Die Mail an "lutz.nahold@haymarket.de" kommt nicht an [1]

— Eine persönliche telefonische Kontaktaufnahme ist am 26. 11. 2010 um 12:35 nicht möglich. [2]


Aber: Dank der aufmerksamen Lektüre dieser bis zu diesem Punkt bereits publizierten Zeilen flattert nach dem Ende der Tagung die Ankündigung einer bekannten Kollegin herein mit dem Angebot, einen eigenen Text zur Verfügung zu stellen. Und Sie hält Wort!

Damit wird nicht nur eine No-Show-Lücke geschlossen, sondern auch der Blick auf eine Veranstaltung gelenkt, über die es sich auch zu schreiben offensichtlich wirklich gelohnt hat.

Hier der Gastbeitrag in vollem Wortlaut:


Wer 2011 als Zeithorizont wählt, wagt sich Ende des Jahres 2010 nicht gerade weit vor. Dass dies durchaus angebracht ist, angesichts der rasanten Entwicklungen und der Turbulenzen am deutschen Medienmarkt, kam der ersten kresskonferenz in neuer Konzeption sehr zu Gute: So wurde deutlich weniger im Nebel gestochert als bei anderen Veranstaltungen, die sich in letzter Zeit mit Perspektiven von Print-, TV- oder Online-Märkten beschäftigt haben, und auch die teilweise sehr unterschiedlichen Einschätzungen der hochkarätigen Experten wurden nebeneinander stehen gelassen statt der Versuchung zu erliegen, einen verschwurbelten gemeinsamen Nenner herbeizureden. [3]

Dass sich die Strategie der Verlage in digitalen Märkten vom Journalismus zur Technologie hin verschiebt, dafür steht das Haus Burda exemplarisch: Millionen-Investitionen in die Aktivitäten der Tomorrow Focus AG mit Internetportalen wie holidaycheck.de oder elitepartner.de steht die Entlassung von rund 50 Focus-Mitarbeitern aus dem redaktionellen Bereich vor wenigen Monaten gegenüber. Philip Welte, Verlagsvorstand bei Hubert Burda Media, hält den Printmarkt nach wie vor für lukrativ. Der bekannte Skeptiker gegenüber den Verheißungen der Online-Vermarktung von Printprodukten sieht dennoch gerade durch das Netz das Ende der Chefredakteure als Gatekeeper gekommen – eine These, der dpa-Chefredakteur Wolfgang Büchner später, leider bereits in Abwesenheit des streitbaren Welte, heftig widersprach. Die Konfrontation des Ex-Chefs von Spiegel Online Büchner mit dem Verlagsverantwortlichen für das Konkurrenz-Produkt Focus Online wäre sicher spannend gewesen, zumal Welte dabei ist, die Online-Auftritte der Burda-Publikationen drastisch herunterzufahren.
Und damit diametral anders denkt und handelt als Christoph Keese, Konzerngeschäftsführer der Axel Springer AG, der in paid content die Zukunft der Verlage sieht – wenn es gelingt, single-sign-on und one click payment zu verwirklichen. Seit gut einem Jahr investiert das Verlagshaus massiv vor allem in Apps für ipad und iphone und sieht darin die Chance, schnell Geld zu verdienen; notwendig sei dafür eine Präsenz auf möglichst vielen Plattformen, nicht zuletzt um Apples 30-%-Provisionen zu unterlaufen. Aber auch Keese räumt ein, dass die markanten Erfolge Springers in der digitalen Welt nicht von journalistischen Produkten getragen werden.
 [4]

Bereiten sinkende Mediennutzung und sinkende Werbeumsätze den Boden für paid content? Die Antwort von Michael Rzesnitzek von OC&C Strategy Consultants ist ein vorsichtiges Ja: Die Stimmungslage in den Verlagen sei so gut wie lange nicht mehr (offenbar beflügelt durch Apps für ipad & Co.), die Zahlungsbereitschaft der Deutschen zwar nicht besonders hoch, aber auch nicht hoffnungslos (9 % im Vergleich zu 13% im internationalen Durchschnitt, mit Spitzenwerten in Skandinavien von bis zu 40 % [5] ), und der Boden sei bereitet durch Filme, Musik und Spiele, die bereits gegen Bezahlung abgerufen werden. Er plädiert für intelligentes Bundeling von Print- und Online-Ausgaben, wobei der Nutzer App-Preise, die sich an Print orientierten, nicht akzeptiere. Erfolgsfaktoren für paid content macht er fest an 1. Einzigartigkeit, 2. hohem empfundenem Wert und 3. einfacher Nutzung und Bezahlweise. Seine Schlussfolgerung, daraus resultierten niedrigere Umsätze bei deutlich niedrigeren Kosten, mochten die anwesenden Verlagsmanager aber nicht teilen. Aber auch hier ein Plädoyer für Investitionen in den redaktionellen Teil als differenzierenden Erfolgsfaktor.

Die Transformation der Marke Spiegel sieht Chefredakteur Mathias Müller von Blumencron als erfolgreich an. Er nennt rund 10 Millionen SPON-Nutzer bei 5 Mio. Print-Lesern und einer Überschneidung von nur 25 Prozent. Demnach sei es durch den frühen Gang ins Netz (als erster deutscher Verlag bereits 1994) gelungen, die Leserschaft auszuweiten und durchaus möglich, Umsätze auch digital zu generieren. Angesichts der neuen App-Euphorie gießt er Wasser in den Wein: Zu konstant 4.000 e-paper-Lesern kämen aktuell 11 bis 12.000 ipad-Leser des Spiegel– und damit seien aufgrund der geringen Auflage so gut wie keine Anzeigenerlöse per App zu erzielen.

Ein differenziertes Bild der neuen Chancen im digitalen Inhaltegeschäft und sehr unterschiedliche Einschätzungen vorhandender und potentieller Geschäftsmodelle präsentierten die Keynotes und Fachvorträge dieser kresskonferenz. Die Unsicherheit in den Verlagen werde von manchen Beratern ausgenutzt, stichelte Lukas Kirchner, bekannter Zeitungs- und Zeitschriftendesigner, in der Abschlussrunde. Die Herausforderungen bei den aktuellen App-Entwicklungen seien: Wie gelingt es, Inhalte faszinierend darzustellen, Dinge besonders und damit unterscheidbar zu machen, den Spieldrang zu befriedigen, den ipad und andere devices auslösen, und dennoch seriös zu bleiben? Zwei Modelle kristallisieren sich laut Kirchner heraus: 1. Facsimiles à la Spiegel-App, deren Mehrwert die mobile Verfügbarkeit sei, und 2. Hybride à la BILD-App, die interaktiv und emotional daherkämen. Immer aber müsse es darum gehen, die beste Art herauszufinden, Geschichten zu erzählen und nicht die Technik dominieren zu lassen – wenn das kein gutes Schlusswort ist! [6]

sip

Anmerkungen

[1Hi. This is the qmail-send program at borg.webcontact.de.
I’m afraid I wasn’t able to deliver your message to the following addresses.
This is a permanent error; I’ve given up. Sorry it didn’t work out.
<’lutz.nahold@haymarket.de’>:
Sorry, I couldn’t find any host named haymarket.de’. (#5.1.2)

[2Und der vorangegangene Versuch, nach einer anderen Mailadresse zu fragen, hatte zu einem freundlichen aber in der Sache nicht zielführenden Gespräch geführt.

[3Auch Veranstaltungsort (das Empire Riverside Hotel in Hamburg, mit Blick auf den Hafen), Tagungsorganisation, Technik und Timing stimmten, bis hin zum Catering. Nur mit den Presseakkreditierungen taten sich die Veranstalter von Haymarket Media schwer.

[4Interessanter Weise forderte gerade Stephan Winners, CEO der Tomorrow Focus AG, man müsse nach neuen Vermarktungsformen für Inhalte suchen „ohne Journalisten rauszuschmeißen“.

[5Laut einer OC&C-Studie (noch nicht veröffentlicht)

[6Die Präsentationen der Konferenz sollen in angemessener Frist auf der kress-website zur Verfügung gestellt werden.


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