VideoFilmFest -> Transmediale

VON Dr. Wolf SiegertZUM Freitag Letzte Bearbeitung: 2. Februar 2023 um 22 Uhr 27 Minuten

 

25 Jahre nach dem Start vom Berliner VideoFilmFest wurde am 31. Januar 2012 die 12. transmediale eröffnet.

Dazu wurde noch kurz vor Weihnachten des Jahres 2011 der folgende Artikel verfasst und in dieser Form zur Veröffentlichung in einer Sonderbeilage von "derFreitag" vom 3. Februar 2012 bereitgestellt:

6000 Zeichen für 25 Jahre

Vom VideoFilmFest zur transmediale - und darüber hinaus
Sechstausend Textzeichen für ein ¼ Jahrhundert Medien- und Kunst-Geschichte

Die Zeit der Elektrifizierung der Medien-Kunst ist immer noch jung. Während eines ¾ Jahrhunderts wurde der Film um Ton und Farbe erweitert. Jetzt kann er sogar dreidimensional wirken, ist dafür aber seines Datenträgers verlustig gegangen. Video-„Filme“ gehörten bis 1988 nicht auf die Berlinale. Also ersetzten die Videoaktivisten der Medienoperative, später unter dem Namen „Mediopolis“ als Verein emanzipiert, auf ihrem VideoFilmFest das Zelluloid durch Magnetbänder.
Schon damals, bevor mit der Digitalisierung selbst die Dimension des Bildraumes gesprengt wurde, konnte schier endlos gedreht und geschaut werden. Die Freaks bekamen mehr und mehr Follower, zogen von der Ladenwohnung in der Pallas- in die Fabriketage in der Potsdamer- und dann in das Podewilsche Palais in der Klosterstraße: dem „Haus der Jungen Talente“ 2.0. Sie emanzipierten sich jenseits des klassischen Films und der Berlinale mit ihrem eigenen, alsbald auch zunehmend internationalen Festival. Im Zentrum des Berliner Ostens erblühte der Video-Film als diese neue Kunstrichtung. Mitte der 90er Jahre kamen die ersten Multimedia-Projekte, und spätestens dann wurden die permanenten finanziellen und Identitäts-Krisen virulent.

10 Jahre nach der Gründung gab es die erste transmedial angelegte Veranstaltung, die wieder in die zeitliche Nähe zur Berlinale gerückt wurde. Die Videoten hatten ihre Ziele erreicht, aber blieben auf ihren Träumen sitzen. Jetzt erkundeten die Nerds die Welt neu, EDV und IT wurden zu einem unverzichtbaren Bestandteil der neuen Produktions- und Rezeptionsmittel.

Im neuen Jahrtausend war das „klassische“ Video „out“. Die nachwachsende Kunst gönnte sich im Jahr 2000 lieber ihren ersten Club. Die nachgewachsenen Protagonisten hatten sich mit der Politik ausgesöhnt. Und seit dieser Zeit gab es drei neue Leiter, die sich, wie auch das Festival, bester Gesundheit erfreuen.

Andreas Broeckmann hatte nach dem unfreiwilligen Ausscheiden des Festivalgründers und Leiters Micky Kwella dessen Position, nicht aber dessen Philosophie übernommen. Als erstes wurde die Referenz auf das Thema Video aufgegeben, danach traf es auch all die anderen “post-modernen“ Produktionsmittel. 2006 lautete die neue Zielvorgabe: „Wir wollen heraus aus der Nische ’Medienkunst’ und sagen, dass es um Kunst geht, nicht um irgendeine technologisch determinierte Form von Kunst; und es geht um das Feld der ’digitalen Kultur’, also um den Bereich der Gegenwartskultur, in dem elektronische und digitale Technologien zunehmend wichtig werden.“ (Interview A. Broeckmann im Archiv.06 www.transmediale.de)

Stephen Kovats nimmt diese Position als dritter Festivalleiter auf und sagt 2008: „Es geht wirklich darum zu sehen, was die Kunst ausmacht, die unserer allgemeinen digitalen Kultur entspringt. Das beinhaltet erst mal eine gesellschaftliche Überlegung, nämlich, wie wir von Technologie beeinflusst werden, die tatsächlich mehr digital als mechanisch ist.“ (Interview mit Kito Nedo auf art-magazin.de, 07.01.2008)

Kristoffer Gansing spricht 2011 auf und von dem Festival als einer „immaterial entity“, bewirbt sich mit einem Fax um die neue Festival-Leitung „as a kind of anachronistic relation to the new media“ und wird auf der 2010LAB.tv-Seite mit der Fotountertitelung präsentiert: „…has intentionally no Facebook profile.“

„Gerade in Krisenzeiten“ so wird jetzt auf der aktuellen Webseite der transmediale gesagt, sei es wichtig, „das produktive und erneuernde Potenzial von Unterbrechungen, Lücken und anderen „In/Kompatibilitäten“ zu erkennen und „Krise“ somit auch als eine Möglichkeit des Einhalts und der Neustrukturierung zu verstehen.“ Und: „ Aus Anlass seines 25. Geburtstags bietet das Festival zudem eine umfassende Rückschau auf die einzigartige Medienkunst- und Kulturgeschichte Berlins“.

Es gibt eine Reihe von offensichtlichen Brüchen in der Geschichte dieses Festivals: Die be-ständigen Veränderungen des Personals und der Themen, der Veranstaltungsorte und -termine, der Technologien und der Trendsetter. Dazu ist schon in den vergangenen Jahren viel Kärrnerarbeit geleistet und an Referenzen in Publikationen wie dem von Andreas Broeckmann und Thomas Munz im Jahr 2007 herausgegebenen „tm*20 register. 20 Jahre transmediale“ zusammengetragen worden.

Aber wer das Wagnis eingehen will, einst wirklich eine Geschichte dieses Festivals schreiben zu wollen, die mehr sein sollte als eine Ansammlung von Namen und Geschichten, wird über diese Trennlinien hinaus schauen müssen.

Hierzu diese Leitfragen: Nach den Brüchen und Kontinuitäten zur Finanzierung des Festivals, zum Umgang mit den Sponsoren und Medienpartnern, zur Vernetzung im nationalen und internationalen Umfeld, zum Verhältnis zu Partnern wie Gegnern in Wirtschaft und Politik, zur Aufhebung und Neubestimmung des Kunst-Begriffs in einem digitalen Zeitalter und zu der Frage, was auf uns zukommen wird, wenn wir endlich den Irrtum aufgedeckt haben werden, dass „die Digitalisierung an sich“ noch nichts mit „der Zukunft“ zu tun hat.

Und diese Leitgedanken: Die transmediale hatte sich mit dem Beginn dieses neuen Jahrtausends einen Namen gegeben, der erst jetzt, Ten Years After, im Bewusstsein, zumindest „unserer“ Branche, angekommen ist. Die jetzt bis 2017 arrangierte Finanzierung zwingt geradezu, erneut die Herausforderung anzunehmen, in diesem Labor der Lebenskunst herauszufinden, welche Werte und Wege aus der analogen Welt in der virtuellen Bezüglichkeit des Digitalen wieder neu auferstehen – oder neu entstehen – werden.

Als alter Freund von Micky Kwella sei dem Team mehr als nur Glück gewünscht: Es geht um das Vermögen, aus dem Zufälligen das Sinnfällige, aus dem Sinnlichen das Sinnstiftende herauszudestillieren und in die neuen Bezüglichkeiten unseres Arbeits-Lebens in digitalen Räumen und Zeiten als permanente Referenz zu stellen.

Erstaunlich an der Entwicklungsgeschichte dieses Textes war, dass er zunächst für eine onlinefähige Edition verfasst wurde, mit einer Reihe von Hyperlinks, Anmerkungen und weiterführenden Lektürehinweisen und Links. Dann stellte sich aber heraus, dass all das aus dem einen oder anderen Grunde nicht passend oder gewünscht sei, sodass schlussendlich ein ganz traditioneller 1.0-Text herausgekommen ist.

Wer an weiterführenden Hinweisen dennoch Interesse hat, kann diese über den hier eingestellten FEEDBACK-Button anfordern.

WS.


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