Zeitungssterben - Markenstrategien - Forschungspreis

VON Dr. Wolf SiegertZUM Freitag Letzte Bearbeitung: 20. Oktober 2013 um 15 Uhr 57 Minuten

 

Sterben Europas Zeitungen?
Die EU und die Medienvielfalt

An dieser Stelle war ein Bericht vom Journalistenworkshop aus der aktion europa-Serie „Europa kontrovers“ vom heutigen Freitag, 18. Oktober 2013, in den Räumen des Verlages "Der Tagesspiegel", Askanischer Platz 3, 10963 Berlin avisiert.

TeilnehmerInnen:

Prof. Dr. Susanne Fengler
Wissenschaftliche Leiterin am Erich-Brost-Institut für Internationalen Journalismus, Technische Universität Dortmund, EU-Forschungsprojekt MediaAcT

• Reinhard Hönighaus
Pressesprecher der Vertretung der EU- Kommission in Berlin, zuvor u.a. FTD-Korrespondent in Brüssel

• Doris Pack
Europaparlament, Vorsitzende des Ausschusses für Kultur, Jugend, Bildung, Medien und Sport, Brüssel/Straßburg/Saarbrücken

• Dr. Helga Trüpel
Europaparlament, stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für Kultur, Jugend, Bildung, Medien und Sport, Brüssel/Straßburg/Bremen

• Robert Sedlak
Journalistenberater im Auftrag der EU-Kommission, Köln


Stattdessen wird es noch einen kurzen weiteren Einblick in den dritten Tag der Medientagen in München geben.

Thema:
Brand New World.
Markenstrategien etablierter Medienunternehmen in der digitalen Welt
 [1]

Teilnehmen werden in der Moderation von Prof. Dr. Frank Lobigs, Professur für Medienökonomie, Institut für Journalistik, TU Dortmund
 Arnd Benninghoff, Chief Digital Officer, ProSiebenSat.1 Media
 Prof. Dr. Karola Wille, Intendantin MDR
 Oliver von Wersch, Geschäftsführer / Managing Director G+J Digital

In dieser ebenso kleinen wie feinen Runde wurde klar, wie heftig und nachhaltig die noch bevorstehenden Änderungen schon heute in das alltägliche Geschäft in Print und Broadcast eingreifen. Wobei alsbald klar wurde, wie deutlich sich - bei den gleichen Herausforderungen - die "Privaten" und die "Öffentlich-Rechtlichen" voneinander unterscheiden.

Ja, auch die ARD brauche starke Marken, aber die Wertstellung der Marke sei eine andere als bei den Privaten. Das das Brand der Öffentlich-Rechtlichen aber nach wie vor auf seine Weise wirken würde, dafür steht, dass selbst gemeinsam ausgestrahlte Sendungen wie zuletzt das "TV-Duell" zuallererst und zumeist auf den Kanälen der ARD und des ZDF angeschaut werden würde.

Aber es wird auch klar, dass selbst ein "Tatort" allein ebensowenig auf Dauer die Zukunft der ARD sichern werde wie die "tagesschau-" App. In der Zukunft, so wurde deutlich geht es nicht mehr um dieses eine oder andere "Detail", sondern darum, dass die Programm-Angebote in Zukunft nur noch erfolgreich sein werden, wenn sie im Rahmen einer Multi-Channel-Display-Strategien zu platzieren seien.

Egal, ob starke Marken aus der analogen Welt in die digitale verbracht werden oder dort neu geschaffen werden sollen, der Satz "Wir müssen mehr leisten und haben dafür nicht mehr Finanzen" hatte für alle drei SprecherInnen die gleiche Aussagekraft. Auf jeden Fall müsse die crossmediale Produktführung weiter ausgestaltet werden, um auf diesem Wege bei gleichen Ressourcen noch mehr Effizienzgewinne herausholen zu können, und dabei zugleich mehr Relevanz zu erzeugen.

Interessant zu hören, wie es dabei auch im Zeitschriftenbereich gelingt, die Digitalisierung als neues Mittel der Leserbindung zu nutzen. Ein Beispiel von vielen sind nicht nur die nach wie vor boomenden Ess- und Koch-Titel, sondern die Möglichkeit, die LeserInnen dort mit ihren eigenen Rezeptvorschlägen mit einzubinden. Das Beispiel als pars pro toto: Das Vermarktungskonzept der Zeitschrift Chefkoch: Wer, so die Frage, sei nicht darauf erpicht, seine eigenen Rezepte - von der Redaktion erprobt - im Heft in einer gedruckten Auflage wiederzufinden?


Der Nachmittag ist dann einer Veranstaltung im Stuttgart in der Neuen Staatsgalerie vorbehalten. Es geht um die Verleihung des Forschungspreises Technische Kommunikation der Alcatel-Lucent-Stiftung für Kommunikationsforschung.

Zur Eröffnung spricht:
 Prof. Dr. Jürgen Mittelstraß
U.a. Vorsitzender des Kuratoriums der Stiftung

Seine Anmerkungen beziehen sich auf das Verhältnis von Wissenschaft, Kunst und Kultur. Er vergleicht eine Vernissage mit einer wissenschaftlichen Tagung. Die Kunst versetze den wachen Geist in den selbst konstruierten Himmel - und die Wissenschaft hole sie wieder herunter... ist das wirklich so?

Wenn Kunst von "Können" kommt, dann ist auch Wissenschaft eine Kunst, die geübt sein will. Man muss dabei bereit sein, gewohnte Wege zu verlassen, auch wenn es in der Wissenschaft kein Abo auf das Neue gibt.

Das Neue ist ein besonderer Maßstab - auch für die Wissenschaft. Während in der Kunst dieser Begriff oft überstrapaziert wird.

Voraussetzung dafür ist ein offener Wissensbegriff. Der Kunstbegriff dagegen ist selber schon ein offener. In der Wissenschaft geht es um den Gedanken der transdiziplinären Form der Wissensbildung.

Die Symmetrie als Bausteine des Kosmos - dies gilt in beiden Welten. Ebenso die An-Forderung nach Einfachheit. "Wo die einzige erkennbare Form der Bilderrahmen wird, wird es eng in der Anschauung."

Ausdruck ist immer Form, in der Wissenschaft wie in der Kunst. Aber das Selbstverständliche muss nicht immer das Normale sein.

"Man sollte die Dinge so einfach wie möglich machen, aber nicht einfacher." wo zum Abschluss der Ausführungen eine Referenz an A. Einstein.

 Dr. Andreas Goerdeler
U.a. Kurator der Stiftung

Der Preis wird heute zum 34. mal verliehen. Und die Verleihung an Prof. Dr.Ing. Thomas Wiegand hat zu tun mit Standards, die in seinem Team entwickelt wurden. H 264 oder MPEG 4, sowie H265 gehören dazu, als Möglichkeiten der Quellkodierung. Damit möglichst viele Informationen mit möglichst geringem Aufwand übermittelt werden können. Das 3D-Zentrum vom HHI in Berlin zeigt, welche Möglichkeiten mit diesen neuen Standards einhergehen.

 Prof. Dr.-Ing. Thomas Wiegand [2]
... beschreibt die Aufgaben und Prinzipien, die mit dem Videokodieren verbunden sind und ist dabei in der Lage auch auf so nicht von ihm vorhersehbaren Umstände Souverän, weil mit Humor, zu reagieren: Darauf, dass eine solche Festversammlung so nicht erwartet habe. Und darauf, dass sich die Folien seiner eh schon arg gekürzten Power-Point-Präsentation vom Rednerpult auch nicht weiterschalten lassen konten:

Er spricht u.a. zu Themen wie diesen:
— 70% der Bits im Internet sind Video
— mit H265 gibt es 50% Bitratenreduktion
— in Zukunft aber brauchen wir auch "mehr Gehirn in der Videocodierung". Das Ziel ist die Übertragung und Messung von EEG-Signalen.
— in der Zukunft soll die Wahrnehmung selber neu erforscht werden.
— die Darstellung von 3D-Bildinhalten stellt neue Anforderungen und es geht um das Thema der autostereoskope Ansichten ohne die Brille.
— das Thema Ultra HD wird das 3D-Thema nochmals /wieder befeuern.

Aber: eine Bitratenreduktion wird mit erfolgreicher Einführung nicht weniger, sondern neue Businesscases lostreten.

 Prof. Dr. Arnolt Picot
Kurator der Stiftung

stellt die zwei Dissertationspreisträger aus dem Bereich der Wirtschaftsinformatik vor:
 Dr. Tobias Ackermann
 Dr. Erik Hemmer
Beide stellen den Nutzer in den Vordergrund und beziehen sich auf aktuell heftig diskutierte Fragestellungen.
— Zum Cloud Computing: Ackermann untersucht nicht nur die IT-Risiken, sondern achtet vor allem darauf, wie diese von den Nutzern wahrgenommen werden, subjektiv wie objektiv.
— Zum subjektiven Informationsverhalten auf der Suche nach entscheidungsrelevanten Inhalten: Hemmer. Die Analyse dieses Verhaltens wird um neue Methoden ergänzt. Damit entstehen neue Fragestellungen nach der Art und Weise, wie diese Informationen in dem Umfeld der Rezeption der sogenannten "Neuen Medien" erstellt und dargestellt werden.

Es folgt die Festrede von
 Prof. Dr. Henning Kagermann
mit dem Titel: "Innovationsfähigkeit des Industriestandorts Deutschland"

Sein improvisiertes Intro hat zum Einstieg das Thema: Die Einfachheit.
Und dann befeuert er einmal mehr die Frage nach den neuen Werten, die es in Zukunft braucht. Dazu gehörten, neben der Agilität, gerade auch Einfachheit.

Nachfolgend wiederholt er seine in Fachkreisen weitestgehend bekannten Positionen [3]
Wir sind immer noch einer der konkurrenzfähigsten Standorte in der Welt.
Und werden auch dafür bewundert.
Aber damit geht einher, dass dieser Standort gesichert werden muss. Und die nächste Innovationswelle angestossen werden müsse. Und das "auf Ansage" :-)
Das Mainstreamthema bisher war die 3. Revolution, die durch den Computer verursachte. Aber da sind wir schon drüber hinaus.
Es geht jetzt um Vernetzung: von Allen. Und Datensprachen: Vernetzung von Allem, von 18 Milliarden Geräte.
Das bedeutet: die Verschmelzung von physikalischer und virtueller Welt.
Es ist die Rede von CyberPhysicalSystems.
Es wird eine Konvergenz der Branchen geben, so wie wir es bei den mobilen Telefonen erlebt haben.
3D-Kodierung ist genau eines jener Themen, das angepackt werden muss.
Diese Transformation muss in verdaubaren Schritten organisiert werden.
Aber es bedarf auch der disruptiven Innovation - und die wird durch die Digitalisierung ausgelöst.
Die Fragestellungen bleiben immer wieder die gleichen:
Energie: Mit wandlungsfähigen Produktionsstätten. Die Antwort ist ein Internet der Dinge. Und das ist weder billig noch einfach.
Medizin: die Orientierung geht immer mehr in Richtung des Patienten
Mobilität: 20% mehr Verkehr in 2020. Es bedarf einer verfahrenstechnischen Optimierung, der Vernetzung von Fahrzeugen, und es wird immer komplexer und es bedarf eines guten Designs
Produktion: Die Produktionslogistik wird auf den Kopf gestellt. Die Frage nach freien Kapazitäten wird von den Maschinen (unter sich) ausgehandelt.

Die smarte intelligente Welt ist eine Vision, keine Bedrohung.
Aber: " Visionen ohne Exekutionen sind Halluzinationen".

Im Gegensatz zu CIM geht es nicht um die menschenlose Fabrik, sondern um intelligente Dezentralisierung. Und um soziotechnische Systeme. Um
Industreikonvergentes Design
interdisziplinäres Design
systemische Plattformen und Roadmap.

Die Wirtschaft braucht Planungs- und Investitionssicherheit - und das für die nächsten 10 Jahre.

"Innovating Innovation" - und das bedeutet immer mit Partnern und mit Kunden arbeiten!

Die zentralen Herausforderungen:
— zuverlässige IKT mit garantierten Latenzzeiten.
— intuitive selbsterklärende Nutzerszenarios
— Vernetzung der Akteure
— Aufklärung und Persönlichkeitsentwicklung wird immer wichtiger:
Es wird immer mehr um die Frage gehen, "welche Wertkompromisse wollen wir eingehen?"

Damit kommt er wieder an jenen Punkt zurück, an dem er eingestiegen ist, es geht immer weniger nur um die Technik und selbst das Thema der Vernetzung ist nicht nur eine technische Herausforderung: Es geht immer mehr um die Werte und Ziele, die im Verlauf dieser Wertedabatte neu formuliert und gesetzt werden. [4]

 Wilhelm Dresselhaus
Vorstandsvorsitzende der Alcatel-Lucent Deutschland AG und
Kurator der Stiftung.

Thema: Systemführerschaft
"Ohne die IKT-Industrie und leistungsfähigen Netzen geht in Deutschland gar nichts." [5].

Anmerkungen

[1Was etablierte Medienunternehmen Newcomern in der digitalen Welt noch voraushaben könnten, sind die Reputationen ihrer bekannten Medienmarken. Diese im laufenden Transformationsprozess möglichst effizient zum Aufbau neuer Geschäfte im Internet sowie im Mobile-Bereich zu nutzen, wird derzeit als zentrale strategische Aufgabe der etablierten Medienunternehmen gesehen. Da sich die reine Werbevermarktung im Digitalen als eher unergiebig erweist, werden nun andere Modelle fokussiert. Neben der Implementierung von Zahlschranken für exklusive Inhalte wird vielerorts - und nun sogar auch in Hamburg - eine markengetriebene Integration von Medien und E-Commerce angestrebt, auch wenn man stattdessen lieber von "Communities of Interests" spricht. Die großen privaten Fernsehunternehmen versuchen nicht nur die Skalierbarkeit ihrer Markeninhalte über neue digitale Plattformen auszuweiten, sie erschließen auch ganz neue Geschäftsräume wie Online-Games. Zuletzt muss auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk die Digitalisierung seiner Marken vorantreiben, um sein Publikum zu verjüngen und seinem öffentlichen Auftrag auch in Zukunft nachkommen zu können.

[3Und war danach auch nicht mehr gesehen, da der das Podium quasi im Laufschritt danach in Richtung Flughafen verlassen hatte.

[4Ein Anstoss mehr, dazu am 19. September 2014 ein eigenes Symposion zum Thema Werte in der digitalen Weltauszurichten.

[5Da dieser Vortrag vom Blatt gelesen wurde, wird dieser Text im Anschluss an die Veranstaltung angefordert und an dieser Stelle eingestellt werden.


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