tm: Atlas zum MedienDenken und Medienhandeln

VON Dr. Wolf SiegertZUM Samstag Letzte Bearbeitung: 4. Februar 2016 um 00 Uhr 04 Minuten

 

Zum Einstieg der Veranstaltungshinweis auf der Website der Universität der Künste: Unter der Überschrift "Atlas zum MedienDenken und MedienHandeln in Berlin" findet sich folgender als "Kommentar" gekennzeichneter Text:

Das Projekt Atlas zur Genealogie des MedienDenkens und Medienhandelns geht im WS in seine entscheidende Phase. Bis Januar 2016 soll die große Buchpublikation für den Kadmos-Verlag im wesentlichen stehen, Anfang Februar werden wir Resultate gemeinsam auf der transmediale im HKW Berlin präsentieren. Das Oberseminar wird sich im WS stark im Dialog von gestalterischer, schreibender und theoretischer Praxis entwickeln. Neue Energien und Kräfte sind willkommen.

 [1].

Die hier erwähnte Präsentation ist bei Eventbrite wie folgt angekündigt:

Sunday, February 7, 2016 from 9:30 PM to 11:00 PM (CET)

Erklär mir bitte, was beunruhigend sein soll am Einlassen von Badewasser!
With: FM Einheit, The Anarchivists, Andrew Unruh, moderated by Siegfried Zielinski

Performance

Berlin zur Post-RAF-Zeit: Die Scherben haben die Stadt verlassen und an allen Ecken brodelt es. Ergänzend zu dem Projekt Atlas zum MedienDenken und MedienHandeln in Berlin (Studio Gallery, Haus der Kulturen der Welt) öffnet FM Einheit sein Ton-Archiv der 80er Jahre in Berlin: O-Töne der Kreuzberger Maifestspiele, das Klappern von Heiner Müllers Schreibmaschine in seiner Ostberliner Wohnung, O-Töne von S- und U-Bahnhöfen und diverse Klangmaschinen werden zum Ausgangspunkt neuer Kompositionen – Archeoacoustics einer gierigen Stadt. Der Filmemacher Walter Lenertz, der als Kameramann mit Alexander Kluge viele Künstler_innen und Wissenschaftler_innen interviewt hat, stellt Filmmaterial zur Verfügung. Beteiligt am offenen Klanglabor auf der Bühne des Auditoriums sind Andrew Unruh, Pionier der Klangmaschinenkunst und FM Einheits langjähriger Partner bei den Einstürzenden Neubauten, der Medienarchäologe Siegfried Zielinski sowie die Gruppe The Anarchivists (Bob Meanza, Odysseus Klissouras, Mário Gomes).

Auf der Seite des Veranstalter ist für diese Tag der folgende Eintrag vorbereitet:

Atlas of MediaThinking and MediaActing in Berlin

Installation von der Universität der Künste Berlin, Fakultät Gestaltung - Institut für zeitbasierte Medien
Klasse von Prof. Dr. Siegfried Zielinski
Ermöglicht durch Kristin Moellering und Philipp Tögel.

Mit ihren unverwechselbaren kulturellen und historischen Merkmalen prägt die Stadt Berlin maßgeblich das Zusammenspiel von Wissenschaft, Kunst und Technologie – und damit auch das nervöse, extrem spannungsreiche Feld, in dem Medien (höchstwahrscheinlich) verortet werden können. Mit einem ersten Entwurf unternimmt der Atlas zum MedienDenken und MedienHandeln in Berlin den Versuch, diese verschiedenen Ursprünge und Entwicklungen freizulegen und eine an-archäologische Perspektive anzubieten. In den Blick genommen wird nicht nur die Art und Weise, wie Medien hier seit den späten 1940er Jahren theoretisiert wurden, sondern auch, wie sie künstlerisch, soziokulturell und technisch verhandelt wurden. Der Titel des Projekts will programmatisch verstanden werden: Die Entscheidung für die Begriffe Denken und Handeln (im Gegensatz zu Medienwissenschaften und Medienkunst) öffnet die Diskussion für Positionen, die häufig innerhalb des akademischen Diskurses keine Beachtung finden. Das Projekt zielt darauf ab, genealogisch diejenigen Entwicklungslinien nachzuzeichnen, entlang derer sich eine konstruktive Beschäftigung mit Medien entfalten konnte.

Die kartografische Installation ist bewusst offen und unvollständig gehalten und erkundet die räumlichen Dimensionen des MedienDenkens und MedienHandelns in Berlin. Schwerpunkt sind aufkommende medientheoretische Diskurse und künstlerische Praktiken der letzten Dekaden. Der größtenteils auf einer Wandkarte repräsentierte Atlas bietet eine real(istisch)e kartografische Darstellung einiger der wichtigsten Orte aus der Geschichte dieser Felder, die an weiteren Stationen näher untersucht werden. Diese Mikro-Archäologien stehen für intensive Erkundungen und Auffächerungen der spezifischen Orte, Protagonist_innen und Ereignisse. Die künstlerischen Formate variieren; dabei sind Videos, Soundtracks, Found Footage, Ausschnitte aus Interviews, gedrucktes Material aus Archiven untersuchter Orte und viele andere Medien, die es den Besucher_innen ermöglichen, das ausgestellte Material zu studieren und damit zu arbeiten. Die Wandkarte wird so auch auf räumlicher Ebene zugänglich und greifbar. Auf diese Weise ermöglichen sowohl die Karte als auch die dazugehörigen Stationen einen fragmentarischen, kaleidoskopischen Blick auf die angespannte, quasi-heterotope Laborsituation, die in Berlin entstanden und zum Experimentierfeld für das Denken und Handeln mit und durch Medien geworden ist – und untersucht gleichzeitig, was Medien waren, was sie sind und was sie sein könnten. Teil der Idee ist auch, ähnliche Projekte in anderen Städten auf der ganzen Welt zu motivieren und zu initiieren, sowie eine analytische und poetische Beziehung zwischen kommunikativen Inseln herzustellen. Der Project Room, eine Zusammenarbeit der Universität der Künste Berlin und der transmediale, wird von der kartografischen Publikation Atlas zum MedienDenken und MedienHandeln in Berlin begleitet, die von Kristin Moellering & Leon Strauch in Zusammenarbeit mit Stefanie Rau editiert wurde.

Sound-Design: FM Einheit
Visuelle Gestaltung: Stefanie Rau
Filmbearbeitung: Nadja Krüger & Christin Wilke
Forschung und Lehrprojekt: Siegfried Zielinski

Beiträge von:
Nicole Blacha, Ursula Block, Egon Bunne, Denise Brucker, Gerd Conradt, Alice Dalgalarrondo, Elena Dellasega, Nina Fischer, FM Einheit, Mário Gomes, Ingo Günther, Agnes Handwerk, Merle Ibach, Lara Iliev-Granow, Kristin Klander, Kilian Kottmeier, Christina Krämer, Lasse Kuhlmann, Paola Barreto Leblanc, Walter Lenertz, Laura Mattes, Alexander Meurer, Kristin Moellering, Dafne Narvaez, Aneta Panek, Eva Pedroza, Stefanie Rau, Ulrich Raulff, Marc Rentschler, Hannah Rumstedt, Maroan el Sani, Anika Schroeter, Bruno Siegrist, Daniel Sigge, Julian Spaan, Louise Stölting, Fillipp Vingerhoets, Simon Weckert, Herwig Weiser Alexander Wischer.

Wer noch tiefer einsteigen will, bevor er sich am Sonntag auf den Weg macht, dem sei ein Einblick in die Dokumentation des "Forums zur Genealogie des MedienDenkens" empfohlen, das - bravo! - sowohl in deutscher als auch in englischer Sprache im Netz bereitgestellt wird. Dort findet sich in der linken Spalte eine Übersicht über die bislang für dieses Projekt gewonnenen GesprächspartnerInnen, auf der rechten Seit eine interessante Auswahl aus ihren Ge-Werken.

Als pars pro toto dieses Flusser-Zitat aus dem Jahr 1987 - gemeint als ein Kompliment an die Fischli/Weiss-Video-Produktion: "Lauf der Dinge":

Denn beinahe alle anderen Filme, die ich in der letzten Zeit sah, haben entweder überhaupt keine Idee hinterlassen oder aber die Idee, daß es ein Zeitverlust ist, Filme anzusehen.

in der Ausstellung zu diesem Thema gibt es dann einen kurzen Film zu sehen: von Walter Lenertz: Heiner Müller an der Schreibmaschine:

und in einer der beiden am Eingang ausgestellten Vitrinen findet sich ein Exemplar der inzwischen längst vergriffenen Karte mit all den aktuellen und ehemaligen Handlungsorten. Und dort - im Gegensatz zur Wandprojektion - findet sich auch ein Hinweis auf die Medienoperative:

Auf den Ort, an dem einst das Video-Fest, die heutige "transmediale" aus der Taufe gehoben wurde.

Anmerkungen

[1Hervorhebung durch den Autor.
Wie lange dieses Projekt schon die Gemüter beschäftigt hat, dazu hier eine erste Sammlung aus dem Jahr 2014:

Atlas zum MedienDenken und Medienhandeln, Stand 2014

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