13 Jahre - 2 Takes: D. Reim

VON Dr. Wolf SiegertZUM Donnerstag Letzte Bearbeitung: 1. Juli 2016 um 09 Uhr 39 Minuten

 

Nach der Wahl der neuen Intendantin in der Sitzung des Rundfunkrates des rbb am 7. April 2016:

hier nun zwei Sendungen im Schnitt und Gegenschnitt [1]: Vom 29. März 2003 und vom 25. Juni 2016. Das erste und das letzte Interview von Jörg Wagner mit Dagmar Reim, an dieser Stelle eingespielt am letzten Arbeitstag von Dagmar Reim in ihrem Büro im rbb [2] - von dem es kein einziges Bild zu sehen gibt [3], ausser vielleicht dieses hier, das auf der Website der media convention anno 2014 zu finden ist. Zusammen mit einem Text von Dagmar Reim "über die Zukunft des Fernsehens". [4]

Anmerkungen

[1und für diese Darstellung nochmals etwas komprimiert

[2gefunden wurde nur dieses Bölling-Foto an seinem Intendanten-Schreibtisch

[3nur dieses Angebot einer handsignierten Autogrammkarte "in sehr gutem Zustand" - sic!

[4

„media rules!“ – so der Titel der neuen „Media Convention“ in Berlin. „Digital“, „global“ und selbstverständlich „innovativ“ soll es zugehen. Wer dort wie ich die öffentlich-rechtliche Senderwelt in den Panels und Foren vertritt, gerät schnell in die Rolle der medialen Keilschriftkundlerin: Kompetent in Sachen „gute alte Zeiten“, indes meilenweit entfernt von Trends und Entwicklungen der Gegenwart. Zum Mainstream scheint die Auffassung zu zählen: Öffentlich-rechtlicher Rundfunk – das ist 8-Bit-Fernsehen für Herrn und Frau Schruppke. Ein willkommenes Beispiel zur Abgrenzung vom eigenen Medientraum.

Es gibt nun sicher genug Bedauernswertes im deutschen Fernsehen. Wir alle, auch und gern „befruchtet“ durch den kommerziellen Rundfunk, haben im Sinne von Marshall McLuhan teils Beachtliches geleistet bei der Entwicklung unseres Programms. Was er vor rund 50 Jahren in der Glühbirne sah - ein inhaltsfreies, aber sozial wirksames „Medium“ - sehe ich heute in Scripted-Reality-Formaten oder Dauerwerbesendungen auch auf meinem Fernsehschirm.

Wenn aktuell das „Slow TV“ aus Norwegen für Furore sorgt, denke ich mit einer Mischung aus Schaudern und Freude zurück an unsere beim Publikum sehr erfolgreichen, nächtlichen Übertragungen von S-Bahnfahrten und Aquariumsbildern. Die waren nicht mal live. Wir mussten feststellen: Endlosschleife Aquarium aus Potsdam ist publikumsträchtig. 30 Minuten inhaltlich facettenreiches Kulturmagazin aus der nach Selbsteinschätzung coolsten Hauptstadt der Welt sind es bis heute nicht durchgängig. Aber immer öfter.

Was also tun? Eine Wilmersdorfer Witwe ein Stündchen Zopfmuster stricken lassen? Abschied nehmen von der Idee des linearen Programms, hin zum Fernsehen der ganz persönlichen Wünsche? Die Möglichkeiten, Inhalte individuell zusammen zu stellen, sind schon heute faszinierend – etwa wenn sich jeder Einzelne im Zusammenspiel von Satelliten-TV und Internet ein ganz eigenes Bild von den Entwicklungen auf der Krim machen kann.

Reizvoll ist dies indes vor allem für intellektuelle und ökonomische Eliten, bei denen Mediennutzung keine Kostenfrage und reflektierte Medienrezeption Frühsport ist. Ich gewänne natürlich gern all jene, die „Game of Thrones“ im Original streamen, die 90-minütige Umwelt-Dokus aus dem Niger-Delta anschauen und sich über die Daily Show freuen.

Was auffällt: Die digitalen Bohemiens klagen oft am lautesten, obwohl sich das Fernsehen gerade für diese Gruppe in den vergangenen Jahren verbessert hat. Sie finden die Rosinen im weltweiten TV-Kuchenteig, nutzen virtuos die neuen Möglichkeiten der Interaktion. Ich erinnere kurz an die gar nicht so ferne Vergangenheit: Wer damals die rote Taste der Fernbedienung drückte, sah nicht HbbTV, sondern schaltete das Gerät aus. Plattformwechsel hieß: Plattenspieler an.

Was ist aber mit all denen, die das Medium weiter "traditionell" nutzen? Die gemeinsam mit Herrn und Frau Schruppke das Recht haben, nicht allein in eine bunte Glühbirne zu sehen? Schon lese ich den 140 Zeichen-Vorhalt: „@F_Silvermetal, Brisant, Daily Soap statt Doku und Information - #ARD größter Glühbirnenfabrikant weltweit #zwangsfinanziert #quotenhörig“. Ja, ich verteidige auch solche Fernsehformate, die ich selber eher nicht nutze. Aber wir beschreiben Fernsehen nicht mehr als Gesamtprogramm, sondern bewerten – weil auch das Publikum in immer kleinere Gruppen zerfällt - nur noch seine einzelnen Bestandteile. Tagesschau, Brennpunkt Krim, Sesamstraße sind eher gut, Sturm der Liebe, Brennpunkt Wetter, Maus -Quiz sind eher schlecht.

Information, Bildung und Unterhaltung - der Programmauftrag für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist ein Gesamtpaket. Er gibt dem Fernsehen eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Natürlich ist es spannend, von welchem Sender das nächste „Borgen“ kommt oder wie eine Community über den Second Screen besonders elegant zu bespielen ist. Und wer behauptet, Quote spiele keine Rolle, hat den Sinn eines Massenmediums missverstanden. „media rules!“ – wenn dieser Ausruf stimmt, sollten wir nicht nur fragen, was im „Fernsehen“ läuft, sondern vor allem, für wen und warum.


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