Anstatt eines Nachrufs

VON Dr. Wolf SiegertZUM Samstag Letzte Bearbeitung: 1. Juli 2017 um 20 Uhr 30 Minutenzum Post-Scriptum

 

Zum Tod von Dr Helmut Kohl
Anstatt eines Nachrufs


Es reicht der Konrad Adenauer Stiftung zur Ehre, dass sie auf der Seite: www.helmut-kohl.de das Bild des am 15. Juni 2017 Verstorbenen Alt-Bundeskanzlers Dr. Helmut Kohl aus einer Phase seines Lebens zeigt, als er schon deutlich von Krankheit geprägt, ja, gezeichnet ist.

Das macht ihn - aus der Sicht eines Zeitzeugen - nicht sympathischer, aber es lässt einen erahnen, darüber nachdenken, wie es in Zukunft um das eigene Ende bestellt sein mag.

Das macht ihn - im Rückblick auf eigene Erfahrung in den Jahren in Rheinland-Pfalz - auch nicht menschlicher, aber es ruft einmal mehr das Bild seiner Frau in den Vordergrund, bis sie sich schliesslich schon so viele Jahr zuvor das Leben genommen hat.

Und es macht ihn - den "Landesvater" - auch jetzt nicht väterlicher, wohl wissend um das Drama der Familie, die sich jetzt noch einmal an seinem Grab zusammenfinden mag, aber nicht in seinem Geiste.


Nein, dieser Mann war in der ganzen Zeit seiner öffentlichen Präsenz, in der er bewusst wahrgenommen war, keine Vorbild oder ein Leitbild. Nicht als Politiker und nicht als Persönlichkeit.

Es ist daher auch nicht der richtige Ort oder der angemessene Moment, in den Chor all jeder einzustimmen, die jetzt über ihn in der medialen Öffentlichkeit so viel Gutes zu sagen haben.

Aber es ist auch kein Grund, sich wegzuducken. Seinen Tod unkommentiert zu lassen, sich nicht der Auseinandersetzung zu stellen, die er immer wieder herausgefordert - und auch gewollt hat. [1]


Nein, die Frage war eher: wie konnte es so ein Mann so weit bringen und so grosses leisten – oder auch nicht?

Wir sind als Bürger zu weit weg von „der Politik“, um das wirklich beurteilen zu können. Selbst bei all der politischen Tagesberichterstattung ist es kaum möglich, wirklich „Leben und Werk“ beurteilen zu können. Was bleibt, das sind all jene nun veröfftlichten Nachrufe mit all den wiederkehrenden Schlagworten vom Kanzler der Einheit und von jenem Manne, ohne den der Euro nicht möglich gewesen wäre.

Und die Bilder. Von dem Mann, als er sich dagegen wehren will, wenn er in der Öffentlichkeit mit Eiern und Tomaten beworfen wird, bevor ihn die Polizisten von der Absperrung abdrängen. Und von den vielen fast allmonatlichen Begegnungen mit dem französischen Präsidenten François Mitterrand, die dann 1984 in Verdun mit dem berühmten Hand-in-Hand-Bild kulminierten.

Ob nun in Oggersheim oder in Paris, mehr als einmal waren wir oft unverhofft unmittelbare Nachbarn. Dennoch kam nie der Wunsch nach einer persönlichen Begegnung auf, der sich vielleicht bei einer dieser Gelegenheiten hätte umsetzen lassen können. Wir hätten uns nichts zu sagen gehabt. Und, wenn überhaupt, hätte eher geredet. Ihn als Zuhörer zu erleben, das wäre ein seltenes Ereignis gewesen.


Dieser Text entsteht inmitten einer jener Regionen, die heute – tatsächlich – zu jenen blühenden Landschaften zählen, von denen so viel und so lange die Rede war.

Es ist Frühsommer. Und Wald und Flur stehen im vollen Saft und in letzter Blüte. Und hier ist nichts mehr von jenem Hautgout der DDR-Vergangenheit zu spüren.

In dem Eiskaffee „Merle“ in Freyburg erinnert nur noch die Portion „DDR-Nostalgie“ mit Vanille, Erdbeer, Schoko und Sahne an die Geschichte dieses gastlichen Hauses. Und auch all die anderen Häuser rund um dem Marktplatz sind allesamt „in Schuss gebracht“ worden. Ebenso die Strassen, und selbst die neu erbauten und asphaltierten Radwege sind in sehr guter Verfassung.

Alles ist gerichtet und beschildert: Selbst zu Beginn des Saale-Unstrut-Radweges gibt es nicht nur ein Schild, das auf diesen verweist. Es gibt dazu ein blauweisses Schild, auf dem Fussgänger und Radfahrern Seite an Seite abgebildet sind. Und darunter gibt es noch eine weitere angebrachte Tafel, auf der schwarz auf weiss für die Radfahrer der Hinweis vermerkt ist: „im Begegnungsfalle absteigen.“

„In echt“ verlaufen diese Begegnungen auf dieser Streck dann ganz anders: Das Tempo wird verlangsamt, Gruppen lösen sich auf in Reih‘ und Glied. Und bei jeder Begegnung kommt es zu einem kurzen Austausch eines Grusses: vom „Hallo“ bis zum „Guten Tag“.


Es ist vollbracht. Und doch sind kaum Stimmen aus der ehemaligen DDR zu hören, die sich zu seinem Ableben würdigend äussern. Gibt es sie nicht, oder werden sie – einmal mehr - nicht gehört?