Nachträgliche Sicherungs-verwahrung

VON Dr. Wolf SiegertZUM Freitag Letzte Bearbeitung: 14. Juli 2012 um 19 Uhr 16 Minuten

 

Bundestag macht Weg für nachträgliche Sicherungsverwahrung freiDer Bundestag hat heute ein Gesetz zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung beschlossen, das auf dem Entwurf von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries beruht. „Das Parlament hat damit einen wichtigen Schritt zum Schutz der Bevölkerung vor hochgefährlichen Gewalttätern getan. Künftig können hochgefährliche Straftäter auch dann über das Ende ihrer Strafhaft hinaus in Sicherungsverwahrung genommen werden, wenn sich Anhaltspunkte für ihre Gefährlichkeit erst nach ihrer Verurteilung ergeben. Jetzt hoffe ich auf die Kooperation des Bundesrates, damit das Gesetz rechtzeitig vor dem 30. September in Kraft treten kann und die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger sicher gestellt ist“, sagte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries.

„Mit dem heutigen Beschluss des Bundestags besteht über die Grenzen der Regierungskoalition hinaus Einigkeit in der jahrelang umstrittenen Frage, ob die nachträgliche Sicherungsverwahrung eingeführt werden soll. Die verbleibenden Unterschiede im Detail sind nicht so gravierend, dass sie das weitere Gesetzgebungsverfahren verzögern müssten. Das ist vor allem deshalb wichtig, weil nur bis zum 30. September Zeit bleibt, über diejenigen Verurteilten zu entscheiden, die bereits jetzt nach Landesgesetzen untergebracht sind. Diese Frist hat uns das Bundesverfassungsgericht vorgegeben, und sie muss zum Schutz der Bevölkerung vor potenziell hochgefährlichen Straftätern unbedingt eingehalten werden. Jetzt ist der Bundesrat am Zug, der seiner Verantwortung für die Sicherheit der Bevölkerung dadurch gerecht werden kann, dass er das Inkrafttreten des Gesetzes nicht durch Anrufung des Vermittlungsausschusses verzögert“, sagte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries.

Die nachträgliche Sicherungsverwahrung stellt einen der schwersten Eingriffe dar, den das Strafrecht zur Verfügung stellt - daher sieht das Gesetz strenge Voraussetzungen für die Anordnung dieser Maßnahme vor. So ist die Entscheidung in jedem konkreten Einzelfall an das Urteilsverfahren gebunden, das die denkbar höchsten rechtsstaatlichen Garantien für den Betroffenen bietet. Der gerichtlichen Entscheidung müssen Gutachten zweier unabhängiger Sachverständiger zugrunde liegen, und das gesamte Verfahren hängt davon ab, dass der Betroffene wegen besonders gefährlich einzuschätzender Straftaten bereits zu einer erheblichen Freiheitsstrafe verurteilt wurde.

Unter ganz besonders strengen Voraussetzungen ist die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung künftig auch gegen Ersttäter möglich. Dann muss der Betroffene allerdings unter anderem ein Verbrechen gegen ein hochrangiges Rechtsgut wie Leben, körperliche Unversehrtheit oder sexuelle Selbstbestimmung anderer begangen haben und dafür zu mindestens fünf Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden sein.

Das geltende Strafrecht bietet bislang zur Sicherung von hochgefährlichen Straftätern lediglich die Möglichkeit, die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung unmittelbar im Urteil anzuordnen (§ 66 StGB) oder im Urteil die Anordnung vorzubehalten, sofern die künftige Gefährlichkeit des Verurteilten zur Zeit des Urteils noch nicht mit hinreichender Sicherheit feststellbar ist (§ 66a StGB). Dieses Regelungsgefüge wird nun ergänzt werden um die nachträgliche Sicherungsverwahrung (§ 66b StGB). Dadurch soll die Allgemeinheit in den seltenen Ausnahmefällen vor besonders gefährlichen Straftätern geschützt werden können, die nicht unter die bereits geltenden Regelungen fallen oder deren besondere Gefährlichkeit sich erst im Vollzug herausstellt. Eine bundesrechtliche Regelung für diese Fälle ist nötig geworden, nachdem das Bundesverfassungsgericht am 10. Februar 2004 festgestellt hatte, dass verschiedene Ländergesetze zur nachträglichen Sicherungsverwahrung verfassungswidrig sind, weil nur der Bund über die Gesetzgebungskompetenz verfüge, eine solche Regelung zu treffen. Da Erfahrungen aus der Anwendungspraxis der Landesgesetze gezeigt haben, dass es einige wenige Verurteilte gibt, deren künftige Gefährlichkeit erst nach dem Urteil erkennbar wird, hat das Bundesverfassungsgericht die Weitergeltung der betroffenen Gesetze bis zum 30. September 2004 angeordnet und dem Bundesgesetzgeber die Möglichkeit eingeräumt, innerhalb der Frist auch auf diese Fälle mit einer bundesgesetzlichen Regelung zu reagieren.

Pressemitteilung des Bundesministeriums für Justiz vom 18. Juni 2004


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