"Privacy Shield": Da war doch was?

VON Dr. Wolf SiegertZUM Donnerstag Letzte Bearbeitung: 17. Juli 2020 um 18 Uhr 53 Minuten

 

 Gigi Deppe, SWR: EuGH erklärt Datendeal zwischen USA und EU für ungültig

 Frank Bräutigam, SWR, in der 12-Uhr.tagesschau zum "Privacy Shield"-Urteil des EuGH

 Frank Bräutigam, SWR, in der 20 Uhr-tagesschau : "Erfolgreiche Klage vor dem EuGH gegen Facebook und für mehr Datenschutz

Hier diese zwei Verbandsreaktionen:

Thomas Duhr, Vizepräsident Bundesverband Digitale Wirtschaft (DVDW):

Berlin, 16. Juli 2020 – Der Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) e.V. hat das Urteil des Europäischen Gerichtshofs zum Aus des EU-US Privacy Shield scharf kritisiert. „Der Wegfall des EU-US Privacy Shields hat erneut erhebliche Auswirkungen auf die Digitalwirtschaft in Gänze und belastet insbesondere auch kleine und mittelständische EU-Unternehmen“, sagt BVDW-Vizepräsident Thomas Duhr (IP Deutschland). Der Digitalverband BVDW begrüßt zwar, dass der EuGH die Rechtmäßigkeit von Datentransfers auf der Basis von Standardvertragsklauseln weiterhin erlaubt, wodurch grundsätzlich Nutzerdaten von EU-Bürgern in andere Staaten übertragbar bleiben, „Unternehmen benötigen aber auch in dynamischen Märkten wie der Digitalwirtschaft dauerhafte und langfristig stabile rechtliche Rahmenvorgaben. Wir können nicht alle fünf Jahre bei null anfangen“, so Duhr.
Der EU-US Privacy Shield hatte der EU-Wirtschaft in den vergangenen Jahren Rechtssicherheit geboten und den Datenaustausch zwischen EU- und Drittländern auf eine eindeutige und tragfähige Säule gestellt. Doch nun hat der Europäische Gerichtshof den Privacy Shield für ungültig erklärt. Der BVDW verurteilt diese Entwicklung scharf. Vizepräsident Duhr: „Die Privatwirtschaft darf hier nicht zum Spielball gemacht werden. Zwar sind die ebenfalls marktüblichen Standardvertragsklauseln weiterhin gültig. Aber der Wirtschaft wird immer wieder die Grundlage für nachhaltige Entwicklung im Sinne des Gemeinwohls durch den Wegfall von stabilen und dauerhaft gültigen Regelungen entzogen.“

Susanne Dehmel, Mitglied der Bitkom-Geschäftsleitung:

„Nach dem gescheiterten Safe-Harbor-Abkommen fällt jetzt zum zweiten Mal die Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung zwischen der EU und den USA. Auch die bis dato gültige Praxis der Standardvertragsklauseln gerät mit dieser Entscheidung ins Wanken. Für Unternehmen mit einer Datenverarbeitung in den USA entsteht durch dieses Urteil massive Rechtsunsicherheit. Wer bislang allein auf Basis des Privacy Shield Daten verarbeitet hat, muss zumindest auf die Standardvertragsklauseln umstellen – andernfalls droht ein Daten-Chaos. Internationale Datenströme sind das Fundament einer globalisierten Wirtschaft. Für global tätige Unternehmen ist es entscheidend, dass sie ihre Geschäftsprozesse und Datenströme rechtssicher abwickeln können. Die EU ist jetzt aufgerufen, schnell für Rechtssicherheit zu sorgen und eine Datenverarbeitung in Drittländern wie den USA langfristig zu ermöglichen. Daten ausschließlich in Europa zu verarbeiten, ist einerseits technisch kaum umsetzbar und würde andererseits einen massiven Wettbewerbsnachteil für europäische Unternehmen bedeuten.“

Hier zwei bundesdeutsche Tageszeitungen mit zwei ganz unterschiedlichen Empfehlungen:

Die HANNOVERSCHE ALLGEMEINE ZEITUNG:

„Wer es ernst meint mit der Würde und Freiheit des Einzelnen, muss weltpolitisch daran interessiert sein, dass EU und USA enger zusammenrücken, statt übereinander herzufallen. Das spricht, auch wenn es im Augenblick unendlich mühsam erscheint, für einen weiteren Anlauf zu einem Datenschutzabkommen zwischen EU und USA – in einer dann hoffentlich gerichtsfesten Variante“

Die TAGESZEITUNG, Berlin:

„Im besten Fall liest die EU-Kommission das Urteil gründlich, verzichtet auf eine neue wackelige Vereinbarung – und wartet einfach mal ab. Denn spätestens, wenn die Aufsichtsbehörden in der EU die ersten Datenexporte untersagen, es vielleicht noch ein paar Schmerzensgeldklagen wegen illegaler Datenübermittlung gibt, dürfte es spannend werden in den USA: Denn dann treffen zwei der mächtigsten Player des Landes aufeinander: Auf der einen Seite die Geheimdienste, die gerne weiterhin weitgehend unbeschränkte Zugriffe auf alles haben wollen. Auf der anderen Seite die Firmen aus dem Silicon Valley, für die der Import von Daten europäischer Nutzerinnen und Nutzer Teil ihrer Unternehmensmodelle ist. Wer sich durchsetzt? Unmöglich vorherzusagen. Aber der Anfang ist gemacht.“

Hier zwei Stimmen aus Österreich und der Schweiz:

DER STANDARD, Wien:

„Das Problem muss auf der politischen Ebene gelöst werden. Die Trump-Regierung wird der EU kaum entgegenkommen, aber bei den US-Demokraten wächst die Unterstützung für Europas Zugang zum Schutz der Privatsphäre. Ein Wahlsieg von Joe Biden und eine demokratische Mehrheit im Senat könnten den Weg für eine nachhaltige Lösung ebnen“

Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG:

„Der europäische Bürger war im Durchschnitt schon immer sensibler als der amerikanische, wenn es um die Vertraulichkeit von sensiblen Informationen geht. Auch fällt es europäischen Gerichten leichter, beim Schutz der Privatsphäre andere Prioritäten zu setzen, weil die Konzernriesen, die mit den Daten das große Geschäft machen, fast alle in den USA ihren Sitz haben. In den USA dagegen sind die Datenschutzrichtlinien bisher vergleichsweise lax, und die verschiedenen Geheimdienste pochen darauf, wie Datenkraken alle Informationen aufzusaugen, derer sie habhaft werden können“


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