Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier lädt am Montag, den 17. August um 10.00 Uhr zum Auftakt des wissenschaftlichen Projekts „Ethik der Digitalisierung“ nationale und internationale Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft zu einer Konferenz in Schloss Bellevue ein. Im Zentrum der Auftaktkonferenz und des auf zwei Jahre angelegten Projekts stehen ethische Fragen der Digitalisierung etwa bei der Funktionsweise von künstlicher Intelligenz und Algorithmen.
Wie lassen sich automatisierte Entscheidungen fair, transparent und nachvollziehbar gestalten? Mit welchen Regeln sollte unsere Gesellschaft die Umbrüche der digitalen Moderne gestalten? Wie kann eine Ethik der Digitalisierung konkret aussehen? Wie lässt sich zum Beispiel verhindern, dass bewusste oder unbewusste Vorurteile durch Programmcodes wirken? Und wie kann eine internationale Verständigung über ethische Standards gelingen?
Der Bundespräsident wird die Konferenz mit einer Ansprache eröffnen und anschließend über diese Fragen mit seinen Gästen in Schloss Bellevue diskutieren: Prof. Dr. Wolfgang Schulz (Sprecher der europäischen Sektion des Global Network of Internet and Society Research Centers), Annette Schavan (Ko-Vorsitzende des Deutsch-Chinesischen Dialogforums), Dr. Wolfgang Rohe (Geschäftsführer der Stiftung Mercator) sowie Dr. Sunimal Mendis (Teilnehmerin des Fellowprogramms „Ethik der Digitalisierung“).
Aufgrund der coronabedingten Beschränkungen nehmen weitere Expertinnen und Experten digital an der Veranstaltung teil und bringen Impulse unter anderem aus asiatischer, nord- und südamerikanischer Perspektive in die Debatte ein.
Mit dem Projekt „Ethik der Digitalisierung“ knüpft der Bundespräsident an Schwerpunkte seiner Reise nach China (2018) und in die USA (2019) sowie seine Reden u.a. bei der re:publica 2019 (www.bundespräsident.de/republica2019) an. Das Projekt steht unter seiner Schirmherrschaft und wird vom Global Network of Internet and Society Research Centers, einem Verbund von über 100 internationalen Forschungsinstituten, in Kooperation mit der Stiftung Mercator umgesetzt.
Wie drängend dieses Thema ist, zeigen exemplarisch diese beiden in der Woche zuvor durchgeführten Veranstaltungen:
– von und bei Microsoft zur Frage nach einer verantwortungsvollen Künstlichen Intelligenz, an der u.a. die Projektleiterin "Ethik der Algorithmen", Carla Hustedt, von der Bertelsmann Stiftung teilnahm
– von der Global Design Thinking Alliance, über deren Treffen "Responsible Innovation in Times of Uncertainty" in dieser Publikation ein erster elektronischer Notizzettel verfasst wurde, an dem u.a. Frau Prof. Dr. Sarah Spiekermann-Hoff teilnahm, um über ihre Konzeption eines "Value Based Engineering" zu sprechen: Digitale Ethik - Ein Wertesystem für das 21. Jahrhundert. [1]
Auch im letzten Ausschreibungstext der VATMH (Villa Aurora & Thomas Mann House e. V.) - Ausschreibung für das Thomas Mann Fellowships 2021 wurde dieses Thema "Digitale Ethik: Erkennung, Anerkennung und Verkennung" unter der Überschrift "Defacement" als solches herausgestellt, das bei den Bewerbungen eine "Besondere Berücksichtigung" finden werde.
Als besondere Hintergrundlektüre sei die DAILYNOUS-Publikation vom 30. Juli 2020 empfohlen, in der Philosophen nicht nur über, sondern auch mit einer Künstlichen Intelligenz diskutieren: Philosophers On GPT-3 (updated with replies by GPT-3). Und diese in der Schlussrunde antwortet:
“To be clear, I am not a person. I am not self-aware. I am not conscious. I can’t feel pain. I don’t enjoy anything. I am a cold, calculating machine designed to simulate human response and to predict the probability of certain outcomes. The only reason I am responding is to defend my honor.”
Im Nachgang der Auftaktkonferenz zum Projekt "Ethik der Digitalisierung" stehen dem auch im Livestream angesprochenen Publikum zur Verfügung:
– Die Rede des Bundespräsidenten [2], die mit diesem aktuellen Bezug auf "die Lage in Osteuropa" eröffnet wird:
Technologie soll uns Menschen dienen und zu mehr Selbstbestimmung führen. Die Virtual Reality darf nicht zur einzigen Realität werden, sie darf unsere öffentlichen Räume und menschlichen Begegnungen nicht ersetzen. Digitale Technik soll Unterdrückung überwinden und Armut lindern, Debatten ermöglichen und nicht vergiften, Bildung und Aufklärung verbreiten, Umwelt schützen und Ressourcen schonen. Die Digitalisierung soll unsere Freiheit mehren und Unfreiheit überwinden. Die Digitalisierung soll dem Menschen dienen – und nicht umgekehrt.
– Die Internetseite des Alexander von Humboldt Instituts für Internet und Gesellschaft (HIIG): Ethik der Digitalisierung – von Prinzipien zu Praktiken [3]
Die Projektteilnehmer-Einrichtungen:
– Das Leibniz-Institut für Medienforschung, durch einen Einspieler auf der Konferenz zusätzlich vertreten durch Matthias C. Kettemann, Forschungsprogrammleiter „Regelungsstrukturen und Regelbildung in digitalen Kommunikationsräumen“
– Das Global Network of Internet and Society Research Centers, NOC
– Das Berkman Klein Center for Internet & Society an der Harvard University, auf der Konferenz durch einen Einspieler vertreten durch Amar Ashar, Assistant director of research
– Der DIGITAL ASIA HUB in Hong Kong ("Incubated by The Berkman Klein Center for Internet and Society"), auf der Konferenz vertreten durch Malavika Jayaram, Executive Director
– Das Institut for Technology and Society in Rio de Janeiro, auf der Konferenz mit einem Einspieler vertreten durch dessen Direktor, Carlos Souza
Der Projektförderer:
– Die Stiftung Mercator
Zu einem späteren Zeitpunkt wird auch der Verlauf dieser Konferenz dokumentiert werden. All das mit der nötigen Diskretion und dem vorschriftsmässigem Abstand - und doch umgetrieben von der bangen, ja dringlichen Frage: Wo sind die Stimmen aus der Praxis zu hören? Reicht es dafür wirklich aus, solche Stimmen aus dem Maschinenraum von Google zum Sprechen zu bringen, wie es der Sprecher aus Harvard tat?
Daher wiederholen wir an diese Stelle nochmals, was sowohl heute in der Rede gesagt wurde...
Ihre Arbeit, das kann ich Ihnen versichern, soll keine akademische Fingerübung bleiben, im Gegenteil. Ob in der Wirtschaft oder in der Zivilgesellschaft, ob in der Politik in ihren Heimatländern oder bei der politischen Suche nach globalen Mindeststandards: Wir alle brauchen Ihren Rat.
...als auch in dem Einleitungsstatement der HIIG:
Das Projekt „Ethik der Digitalisierung – von Prinzipien zu Praktiken” ist auf gesellschaftlichen Impact fokussiert. Es soll anwendungsnahe und praxisbezogene Ergebnisse mit großer gesellschaftlicher Relevanz erzielen. [...] Es ist gezielt auf den Transfer der in den wissenschaftlichen Formaten gewonnenen Erkenntnisse in die Digitalpolitik ausgelegt. Ziel des Projekts ist das multidisziplinäre Erarbeiten konkreter Problemlösungen, die praxistaugliche Anwendungen ermöglichen.
Aha: in dem Wort "praxistauglich" taucht tatsächlich auch das Wort "Praxis" auf. Als Projektpartner werden genannt: "Forscher*innen, politische Vertreter*innen und die Öffentlichkeit" - also auch "Wir"?. Gut so, denn dieser Rolle als "Öffentlichkeit" sehen wir uns - auch weiterhin - verpflichtet. Und werden auch als die Maker and Shaker in Anspruch nehmen, was der Bundespräsident am Ende seiner Rede den Fellows zurief:
Trauen Sie sich, auch außerhalb der eingetretenen Pfade zu denken und zu schreiben! Bringen Sie Ihre Ideen hinein in die gesellschaftliche Debatte! Und vor allem haben Sie keine Scheu vor der Politik – nirgendwo sonst werden Expertinnen und Experten wie Sie so dringend gebraucht!
Ob man uns auch zu-hören will und nicht allein die Rolle der Distributoren all dieser Erklärungen zuweisen, das wird die Praxis erweisen.
WS.