Zur Zukunft der ÖRA’s, der Öffentl.-Rechtl. Rundfunk-Anstalten

VON Dr. Wolf SiegertZUM Samstag Letzte Bearbeitung: 31. Juli 2021 um 21 Uhr 51 Minuten

 

Dieser Text ist noch im Entwurfsstadium und darf weder zitiert noch vervielfältigt werden. WS.

Warum das Ganze?

"Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit"... entweder, weil man den Anforderungen seines Jobs nicht mehr genügt, oder weil der Job nicht mehr den veränderten Anforderungen genügt, oder weil die Lebenszeit nicht mehr zur allfälligen Disposition steht.

Was ARD und ZDF noch seinen Pensionären anbieten kann, sind gute Rentenleistungen: Eigentlich schade, dass auch jene MitarbeiterInnen aufhören m ü s s e n, die eigentlich genau die richtige Profillinie für ’ihr’ Publikum gehabt und noch gerne weiter gemacht hätten. Würden sie freiwillig weiterarbeiten, würden sie damit die Budgets nicht weiter belasten und dennoch eine wertvolle, ja unersetzliche Hilfe sein. Sei es für das oben angesprochene Beispiel der kommunikativen Nutzung des inzwischen eingespielten Archiv-Materials, sei es als Mentoren für die Jungen - damit diese dann die Möglichkeiten für sich entwickeln könnten, etwas Eigenes, ihrem Publikum Entsprechendes zu finden, zu erproben und zu machen. Auch hierauf sind wir exemplarisch am Beispiel von "funk" eingegangen.

So schön diese Idee - und gelebte Praxis - einer Sende(r)familien in und mit ARD und ZDF auch ist, so sträflich vernachlässigt wurde dabei bei ihrer Umsetzung die Verpflichtung, innerhalb dieser ’Familienaufstellung’ auch einen Generationenvertrag zu entwerfen: Und zum Leben zu erwecken. Stattdessen finden sich immer noch viel zu viele Wiederbelebungsversuche und CopyCatTrials, um die aktuelle Praxis weiterhin für einige Zeit absichern zu können - und sei es gerade noch bis zur eigenen Vor-Verrentung.

Dieser Ausflug in die Psychologie und Soziologie ist notwendig, um noch besser verstehen zu können, was die hier vorgestellte Eingangsthese sagen will: die ÖRA’s sind immer noch nicht erwachsen geworden, haben sich immer noch nicht von den Ziehvätern /und einigen Ziehmüttern/ abnabeln können, die sie einst aus der Taufe gehoben hatten, deren Wein sie immer noch trinken, um dann von der heilsamen Kraft des Wassers predigen zu können.

Die Zeiten, um sich auf dem Schutzschirm der Medienpolitik zu verlassen, sind vorbei. Dort ist man inzwischen sogar eher bereit, den Verlegern noch Geld dafür auszuzahlen, dass ihre Zeitungen weiter ausgetragen werden können, als zu verstehen, was es bedeutet, wenn in den Zeiten des Internets die Frage nach der sozialen Verantwortung gestellt wird.

Zu spät?

Mitte der Nuller Jahre hatten sich der deutsche Bundeskanzler und der französische Staatspräsident darauf geeinigt, eine europäische Suchmaschine aus der Taufe zu heben, Quaero, ein Projekt, das - aus eigenem Erleben wahrgenommen - krachend gescheitert ist. Danach sind nur noch nationale Alleingänge übrig geblieben, mit Ausnahme von "La Sept", aus der sich dann Zug um Zug das ARTE-Programm-Angebot hat entwickeln lassen.

Ein Lichtblick in einer Welt, die sich derzeit schon wieder durch die Nachricht wie diese verdunkelt, dass zu den Projektpartnern einer vernetzten Datenstruktur für ein europäisches digitales Ökosystem. GAIA-X genannt, jetzt auch die US-Tech-Giganten zur Teilnahme eingeladen wurden? Dazu Christian Sachsinger in den BR Nachrichten vom 7. Dezember 2020:

Und so sind mittlerweile viele US-Firmen wie, Microsoft, Google, Amazon Web Services (AWS) oder Microsoft mit an Bord. Auch Huawei und das amerikanische Datenanalyseunternehmen Palantir sind an dem Projekt beteiligt. Palantir arbeitet viel mit Sicherheitsbehörden und Geheimdiensten zusammen, insbesondere in den USA. Wie sicher sind aber Daten von deutschen, französischen, italienischen oder schwedischen Nutzern und Unternehmen noch in dieser Cloud? Experten sind zumindest skeptisch.

Was das mit der Zukunft der ÖRA’s zu tun hat? Sehr viel: Die Sendemasten sind verkauft, danach die nationalen Dienstleister, die diese einst betrieben haben, und schon heute ist der wichtigste Partner für die Ausspielung der Programme, na, wer wohl, richtig: die Google-Tochter Youtube des US-amerikanischen Alphabet-Konzerns.

Und auf deren Plattform sind alle Katzen alles andere als grau. Und alle Videos mit Werbung unterbrochen, auch die, die aus den Sendezentralen der ÖRAs eingespielt werden.

Warum ich?

Ja, ich habe meine Aus- und Fortbildung bei den ÖRAs machen dürfen, aber selbst damals schon nicht mehr als Fester oder FesterFreier, sondern als gern geduldeter und gut bezahlter Gast, der beim WdR schon in den frühen Zwanzigerjahren zum Thema "Sprache der Ausbildung" eine ganze Filmreihe beginnen konnte.

Ja, ich habe die Chance wahrgenommen, mit dem Start des ersten Kabelpilotprojektes die Seiten zu wechseln, mich von Hongkong nach Ludwigshafen engagieren lassen und dort in Windeseile gelernt, wie die BFE-Technik funktioniert, wie ich eine Redaktion leite und Verantwortung für einen ganzen TV-Kanal zu tragen hatte.

Und ja, ich solle damals sogar aus der Gewerkschaft ausgeschlossen werden, da ich mich mit den "Klassenfeind" verbündet hatte.

Damals gab es nur die Alternative auszuwandern, in ein neues Land, nach Frankreich, und in eine neue digitale Technologie. Und so gab es gleich mehrere bis dahin fremde Sprachen zu lernen, das Französische und die der ISDN- und IP-Protokolle. Das Spannende an diesen Sprachen war, dass sie selber noch in der Entwicklung waren und es die Chance gab, an diesen mitzuwirken. Wir schreiben die ersten Protokolle, um einen Windows 3.11 für Workgroups-Rechner ins digitale Netz hängen zu können, waren - zu früh - stolz darauf, dass man auf den Telefondisplays jetzt die Rufnummer der Gegenseite erkennen konnte, und inszenierten im IFA-Sommergarten mit den damals brandneuen Bildtelefonen die erste interaktive Live-TV-Sendung in ganz Europa.

Rückblicke: Warum?

Warum dieser Rückblick auf eine Zeit, die schon bis in das letzte Jahrhundert zurückreicht: Weil wir damals noch neue Inhalte (wie der "Beat-Club" in Bremen) und neue Technologien (damals "Multimedia" genannt) sich nicht gegenseitig im Wege standen, sondern einander ergänzten. Und weil wir es waren, die selber die Chance der Gestaltungsfreiheit in Anspruch nehmen konnten: inhaltlich und technologisch.

Lou van Burg und die ZDF-Sendung "Der goldene Schuss" - jetzt vor mehr als 50 Jahren eingestellt - mag nichts mehr mit dem Wilhelm Tell von Schiller zu tun gehabt haben, und "Vom Telephon zum Mikrophon" nichts mit Brechts Radiotheorie, aber all die damals entwickelten Formate hatten eine durch Technologie ermöglichte Interaktivität auf einem eurozentrischen Erfahrungshintergrund.

Die Bedeutung all dieser damals ikonografischen Events mag man gerne in die Tonne des Vergessens treten, aber es reicht, sich die Silvestershow des ZDF vor dem Brandenburger Tor zum Ausklang des Jahres 2020 anschauen um zu verstehen, dass es immer noch diese ikonografischen Highlights sind, auf denen der "Erfolg" einer solchen Sendung beruht - und sei es, dass man dieses Tor in ein bunt flackerndes und - wieder einmal nur gen Westen leuchtendes - Lichtermeer taucht.

Ich weiss noch, wie mir die Tränen wie Wasser aus den Augen lief, als ich das erste Mal wieder durch eben dieses Tor habe hindurchgehen können. Mit meinem alten, inzwischen verstorbenen japanischen Freund, in dessen Gegenwart ich schon einmal in Tränen stand, als er mir erstmals einen ’seiner’ blühenden Kirchblütengärten in der Nähe von Tokyo gezeigt hatte. Und mit dem Sony-Chef standen wir kurz vor der Jahr-tausender-Wende auf den noch nicht fertiggestellten, damals noch Sony-Turm genannten Tower am Potsdamer Platz, als wir mit einer bis dahin als unmöglich gehaltenen Licht-Installation namens "High-Light-O" erstmals die Geschichte des Rundfunks illuminiert hatte: Mit drei grünen Laserstrahlen, die ganz leise, langsam und lichtstark zwischen dem Funkturm, den Fernsehturm und dem Vox-Haus (für das der Sony-Tower stand) hin und her wanderten.

Quo Vadis

So. Jetzt Schluss damit. Was ich sagen will, dass wir mit dem Anstreben von unmöglich erreichbar geltenden Zielen immer wieder erfolgreich versucht hatten, entweder Rundfunkgeschichte selbst zu schreiben, oder sie einer grossen Öffentlichkeit jenseits eines allzu plakativen Marketings ans Herz zu legen.

Und es gilt jetzt die Forderung, mit den Mitteln neuer digitaler Verfahren und Erfindungen, diesen Weg wieder von Neuem zu beschreiten. Nur dann können wir beweisen, dass wir nicht lügen, sondern das bislang als unmöglich geltenden möglich machen können, das Geschichte kein Ballast, sondern die Quelle für stimulierende Erkenntnisse ist. Und, dass das Rund-funken was mit community building zu tun haben kann...


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