Büro-Flur-Funk-Feuer-Leiter-Text

VON Dr. Wolf SiegertZUM Montag Letzte Bearbeitung: 17. Oktober 2004 um 15 Uhr 36 Minuten

 

Am vergangenen Wochenende traf ich in unserem Bürohaus gleich eine ganze Reihe von Selbständigen, die sich, genau wie ich, zur Arbeit begaben.

Aber, anders als unter der Woche, war jeder von ihnen zu einem kleinen "Schwatz" aufgelegt.

Einer kämpft seit Monaten mit der Steuer vordergründig um eine Kostenstellendifferenz von nicht einmal 10 Euro.

Einer freut sich, dass er am Wochende endlich frei von Anrufen und Kundenanfragen schaffen kann und ist froh, dass es überhaupt noch was zu tun gibt.

Einer ist davon beeindruckt, wie es um ihn herum nur noch am Zusammenbrechen sei. Und keiner mehr den Mut habe, sich der Zukunft zu stellen. Jeder würde nur noch versuchen eine 20 Centimeter hohe Sandburg zu errichten in der Hoffnung, sich damit vor der drohenden Sturmflut zu schützen.

Soweit die Innenansichten der Erzählungen.

Bei der Kommentierung der äusseren Verhältnisse sieht es ähnlich bitter aus.

Der Münchner betont den Mangel an politischem Geschick der beiden christlichen Schwesterparteien und zitiert diejenigen öffentlichen Arbeitgeberstimmen, die diesen Parteien zur Zeit jegliche politische Handlungskompetenz absprechen.

Der Hamburger ist betroffen von der nun vollzogenen Entlassung des Trainers des Hamburger Sportvereins.

Und der Mann aus NRW hat die Sorgen en gros gepachtet: da ist die Rede von dem Lügenbaron von Borussia Dortmund, der einst mit weit über 90% zum Präsidenten gewählt worden war. Und dann kommen auch gleich die Stichworte OPEL und KARSTADT zu Ohren. Und zu guter Letzt wird die doch so tüchtige Staatssekretäring für Medien- und Europafragen bedauert, der man nun einen Mann als Minister vor die Nase gesetzt habe.

Müsste man Bilanz ziehen aus diesen Mikro-Klima-Gesprächen am Rande der Wirtschaft, könnte einem wirklich Angst und Bange werden. Vor allem deshalb, weil der Druck inzwischen so stark zu werden scheint, dass selbst bis dahin Unbekannte beginnen, sich darüber zu verständigen. Das mag zwar als erfreulich gelten, was die "inhouse"-Kommunikation betrifft, ist aber objektiv gesehen soweit Anlass zur Sorge, dass es hier aufgeschrieben wird.


Addendum:

Als wir vor knapp einem Jahr begonnen haben, diesen Kalender "vollzutexten", hätte ich es mir nicht träumen lassen, einmal einen solchen Text als den wichtigsten des vergangenen Wochenendes zu fixieren.

Dann aber gibt es einen weiteren Mann zu zitieren, dem ich im Büro im Deutschlandfunk zuhörte, der während sieben Jahren in Wien gelehrt hat und nun wieder im bundesdeutschen Hochschullehr(er)Kader integriert ist, der Holger Rust heisst und ein engagiertes Plädoyer hält über das "unvoreingenommene Beobachten", den immer wieder entfremdenden Blick des Reisenden auf die eigene - ich würde sagen: angeeignete - Wirklichkeit.

Er ist jemand, der das hohe Lied der Praxis preist, der man auch selbst immer wieder unterworfen sein sollte, um als Vermittler für Zukunftsszenarien authentisch wirken zu können, der von der Notwendigkeit einer differenzierenden (Aus-)Bildung für eine nicht vorhersehbare Zukunft spricht. Und der bedauert, dass bei so vielem Gerede so wenig Verständigung stattfindet.

Ich zitiere: Die Voraussetzung für den Erfolg sei die Begegnung von unverbogenen Individuen, die sich mit anderen unverbogenen Individuen umgeben, die aus ihrer Sicht besser seien als sie selbst.

Das gefällt, gerade weil es nicht gefällig sein will.

WS.


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