Signal killed my SMS account

VON Dr. Wolf SiegertZUM Samstag Letzte Bearbeitung: 14. März 2023 um 21 Uhr 52 Minutenzum Post-Scriptum

 

I.

Zu Beginn der ersten März-Woche 2023 war auf dem Android-Handy plötzlich ein Icon verschwunden. Das mit dem SMS-Messager. Und nicht nur das, auch alle Nachrichten, die auf diesem Konto hinterlegt waren, konnten nicht mehr eingesehen werden. Und neue Nachrichten, die per SMS an die T-Mobile-Rufnummer gesendet wurden, konnten nicht mehr empfangen, respektiven angezeigt werden.

Nachfolgend werden mehrere Dokumente zitiert, die zeigen, dass dies bereits ab dem Herbst 2022 zur Diskussion stand - und "erst jetzt" ausgeführt wurde. Aber für jene, die von dieser Weiterentwicklung nichts mitbekommen haben, stellt sich jetzt die Frage, wie mit diesem Verlust umzugehen sei.

Das betrifft den Verlust des SMS-Dienstes als solchen, das betrifft den Verlust der über diesen Dienst versandten und empfangenen Text- und Bild-Dokumente. Das betrifft aber auch einen massiven Vertrauensverlust in einen Dienst wie Signal, der hier auf eine bis dahin so nicht erlebte Weise in die eigene Kommunikations-Struktur und damit letztlich Privatsphäre eindringt, ja, einbricht.

Gerade jetzt, wo infolge der sogenannten 2-Faktor-Identifizierung immer wieder Datensätze in Form von Zahlen und Buchstabenkombinationen per SMS versandt werden - wo und wie können diese noch empfangen werden, wenn es keinen Zugang mehr auf die zugesandten SMS-Meldungen gibt?

II.

Nachrichten wie diese vom 13. Oktober 2022 sind heute obsolet:
Signal als Standard-App für SMS aktivieren: So gehts

Hier einige Dokumente, in denen schon kurz danach auf die bevorstehende Entwicklung hingewiesen wurde:

Hier der Link auf den Original-Signal-Blog-Eintrag: https://signal.org/blog/sms-removal-android/ [1]

Hier ein The Verge - Interview mit der neuen Signal Chefin Meredith Whittaker: https://www.theverge.com/23409716/signal-encryption-messaging-sms-meredith-whittaker-imessage-whatsapp-china

Und hier ein Beitrag aus der LeserInnenschaft:

Lieber Wolf,

vermutlich Du Signal als Standardanwendung für SMS eingesetzt.

Ich habe das nie getan, weil ich das Konzept secure messaging für nicht vereinbar mit SMS halte und weil ich die teils kostenpflichtigen SMS jederzeit streng von den Signal-Messages getrennt halten wollte.

Aus diesem Grund habe ich keine nachteiligen Effekte des Abschieds von Signal von SMS erlebt. Meine SMS sind weiterhin in der Standard-Messaging-App des Betriebssystems vorhanden.

Die Unvereinbarkeit der offiziellen und weitgehend öffentlichen (Clinton
!) SMS und der auf Privatsphäre und Verschlüsselung ausgerichteten Signal Welt beruht auf gegensätzlichen Grundannahmen.

SMS müssen im unter Umständen archiviert und Behörden oder Gerichten gegenüber offengelegt werden.

Signal-Nachrichten sollen im Gegensatz dazu ausschließlich den Kommunikationspartnern zugänglich sein. Jede andere Form der Anwendung steht im Widerspruch zu Idee und Architektur der Software. Deshalb sehe ich auch Features wie Gruppen-Chat, die nach und nach Einzug in Signal halten, als problematisch. Datensicherung und Archivierung werden von Signal zwar unterstützt, sind jedoch unhandlich im Grunde unerwünscht.

Signal ermöglicht auch selbstzerstörende Nachrichten in der Art von "Burn after reading".

Deine SMS sind anscheinend diesem Signal-Paradigma zum Opfer gefallen.
Du hättest sie sofort nach Abkündigung der SMS-Unterstützung exportieren und separat speichern müssen und auf eine andere App für SMS umsteigen sollen.

Kritisch anzumerken wäre, dass der Erfolg von Signal zum großen Teil darauf beruht, dass die App so einfach zu bedienen ist wie Whatsapp. Das Sicherheitskonzept wird dann gerne mit genommen, wobei es selten vollkommen verstanden oder konsequent genutzt wird. Das trifft ein Stück weit auch mich.

Die hier zusammengetragenen Hinweise, Argumente und Begründungen machen durchaus Sinn. Aber auf der anderen Seite geht es nach wie vor darum, SMS-Meldungen mit Code-Nummern empfangen zu können. Und aus dem persönlichen Umkreis gibt es zur Zeit drei Personen, die jede/r mit schweren, nicht mehr umkehrbaren gesundheitlichen Herausforderungen kämpfen und sich darüber (gerade noch) per SMS auszutauschen verstehen. Es ist unmöglich, mit diesen in dieser Situation andere Softwarelösungen ins Auge fassen zu wollen und sie dazu zu bringen, diese zu implementieren.

III.

Was also tun, wenn all diese Ankündigungen nicht gelesen, die darin angesprochenen Empfehlungen nicht befolgt wurden?

[...]

Am nächsten Morgen ist es die Absicht, über die eigene Mobilnummer eine SMS-Nachricht zuzusenden und zu erkunden, wo diese geblieben ist. Dazu wird in der Liste der Kontakte der eigene Name gesucht - und nicht gefunden. Er steht stattdessen ganz oben in der Liste. Und enthält überhaupt keine weiteren Daten. Daraufhin wird in der Zeile "Phone" die "Mobile"-Nummer eingetragen und über den Bestätigungshaken gefixt. Danach taucht hinter dieser Nummer ein SMS-Textfeld-Icon auf. Dieses wird aktiviert, worauf das System nach der T-Mobile-Geheimnummer fragt. Wenn diese nicht bekannt sei, solle man das "*"-Symbol drücken. Dieses getan, wird diese vierstellige Nummer angezeigt und eingetragen. Jetzt wird der verloren geglaubte SMS-Dienst wieder einsehbar, samt der gesamten bisherigen Historie.

[...]

Was das alles jetzt im Detail zu bedeuten hat, wird noch zu erkunden sein. Denn das "Messages"-Logo taucht nach wie vor nicht wieder auf der Bedienoberfläche des Gerätes auf, und es ist nicht klar, warum die Daten, den eigenen Namen betreffend, alle nicht mehr zur Verfügung standen. Um herauszufinden, auf welcher Grundlage diese SMS-Dialoge jetzt wieder aufgerufen werden können, wird weiter recherchiert und zuletzt diese Info gefunden und gesichert:

Bei diesem Eintrag handelt es sich um den Package version name der Package version 171618063 Installed by com.android.vending Wednesday, 8 March 2023.

Die Google Inc. fragt an, ob man bereit sei, all dieses und noch unendlich viele weitere System-Informationen an die Firma weiterzuleiten, bietet aber nicht an, diese zur eigenen Kenntnis und Einsicht auf dem eigenen Gerät abzuspeichern.

Alles ist bis ins kleinste Detail aufgezeichnet. Das Device bbe100 mit der Build ID ACT575 und diesem Build fingerprint:

blackberry/bbe100dsglobal/bbe100:8.1.0/OPM1.171019.026/ACT575:user/release-keys

Geschickt wird dann diese Anfrage:

IV.

"[wird fortgesetzt]": Dieses Versprechen kann nicht eingehalten werden. Mit der Reaktivierung des Dienstes gibt es neue Nachrichten im Umfeld von Hospiz, Palliativstation und Pflegeheim - und damit andere Prioritäten.

WS.

P.S.

Es bleibt einem anderen Augenblick und vielleicht auch einer anderen Publikation vorbehalten darüber nachzudenken, warum sich eine solche Nervosität über die Nicht-Erreichbarkeit via SMS eingestellt hatte. Hier wurden Nachrichten geschrieben, die für Menschen in einer wahrlich kritischen Lebenslage von hoher Bedeutung waren. Und das dann ’nur’ zu spüren und dies zum Anlass zu nehmen, diese technische Herausforderung zu meistern, ist schon ein erstaunliches Phänomen. Kurz gefasst gesagt: Technikgeschichten sind auch Lebensgeschichten.
Der Hinweis, dass ja SMS-Nachrichten kaum noch eine Bedeutung haben und eh’ bald gänzlich abgeschaltet werden sollten, lässt völlig ausser Acht, dass dieser Dienst für eine gewisse Gruppe von Menschen bislang immer noch die erste und bislang einzige Möglichkeit ist, überhaupt einen Zugang in die ‚digitale Welt‘ gefunden zu haben. Dieses so hauthah zu erleben, erinnert an die Sorgen als Vorstand der Berliner Sektion des Deutschen Journalistenverbandes, immer noch mehr als zweihundert Mitglieder zu haben, die nur per Brief erreicht werden können...

Anmerkungen

[1

Removing SMS support from Signal Android (soon)

nina-signal on 12 Oct 2022

For many years, the Signal app on Android has supported sending and receiving plaintext SMS and MMS messages in addition to Signal messages. SMS and MMS are standardized communication protocols that allow mobile devices to send and transmit messages, and most people picking up their phone to text or share memes don’t really think about them.

To give some context, when we started supporting SMS, Signal didn’t exist yet. Our Android app was called TextSecure and the Signal encryption protocol was called Axolotl. Almost a decade has passed since then, and a lot has changed.

In this time we changed our name, built iOS and desktop apps, and grew from a small project to the most widely used private messaging service on the planet. And we continued supporting the sending and receiving of plaintext SMS messages via the Signal interface on Android. We did this because we knew that Signal would be easier for people to use if it could serve as a homebase for most of the messages they were sending or receiving, without having to convince the people they wanted to talk to to switch to Signal first. But this came with a tradeoff: it meant that some messages sent and received via the Signal interface on Android were not protected by Signal’s strong privacy guarantees.

We have now reached the point where SMS support no longer makes sense. For those of you interested, we walk through our reasoning in more detail below.

In order to enable a more streamlined Signal experience, we are starting to phase out SMS support from the Android app. You will have several months to transition away from SMS in Signal, to export your SMS messages to another app, and to let the people you talk to know that they might want to switch to Signal, or find another channel if not.
Does this affect you? Here’s how to make sure you stay connected:

This change will only affect you if you use Signal as your default SMS app on Android. Meaning that you use Signal on Android to receive and send both Signal and SMS messages from within the Signal interface.

If you do use Signal as your default SMS app on Android, you will need to select a new default SMS app on your phone. If you want to keep them, you’ll also need to export your SMS messages from Signal into that new app.

To check if this is you, go to the Settings in your Signal account. Select Chats → SMS/MMS. If SMS is enabled, you’ll have to export your messages and pick a different default SMS app.

If you don’t want to go through that process now, don’t worry. You’ll start seeing in-app notifications reminding you to export your SMS messages and select a new default app for your SMS messages well before we fully stop supporting them on Signal for Android. You’ll have plenty of time to make the changes you need and plenty of reminders along the way.

Exporting your SMS messages is optional, but it will let you keep your SMS message history in a new place on your phone. Your Signal messages will remain safe, secure, and unchanged.

We understand that this change will be frustrating for those of you who use Signal on Android for SMS messaging in addition to sending Signal messages. It rarely feels good to have to switch up the ways that you communicate with the people who matter to you. We did not make this choice lightly, but we do believe it is necessary to ensure that Signal meets the highest privacy standards for the future.
Our reasoning: Why we’re removing SMS support for Android

There are three big reasons why we’re removing SMS support for the Android app now: prioritizing security and privacy, ensuring people aren’t hit with unexpected messaging bills, and creating a clear and intelligible user experience for anyone sending messages on Signal.

The most important reason for us to remove SMS support from Android is that plaintext SMS messages are inherently insecure. They leak sensitive metadata and place your data in the hands of telecommunications companies. With privacy and security at the heart of what we do, letting a deeply insecure messaging protocol have a place in the Signal interface is inconsistent with our values and with what people expect when they open Signal.

Back when we started supporting plaintext SMS messaging things were different. Data plans were much more expensive generally, and were totally inaccessible in many parts of the world. Now, data plans are cheaper and far more ubiquitous than they were nearly a decade ago. In a reversal, the cost of sending SMS is now prohibitively high in many parts of the world. This brings us to our second reason: we’ve heard repeatedly from people who’ve been hit with high messaging fees after assuming that the SMS messages they were sending were Signal messages, only to find out that they were using SMS, and being charged by their telecom provider. This is a terrible experience with real consequences.

Third, there are serious UX and design implications to inviting SMS messages to live beside Signal messages in the Signal interface. It’s important that people don’t mistake SMS messages sent or received via the Signal interface as secure and private when in fact they are not. And while we flag the difference between them in the app, we can only do so much on the design side to prevent such misunderstandings.

We are focused on building secure, intuitive, reliable, and pleasant ways to connect with each other without surveillance, tracking, or targeting. Dropping support for SMS messaging also frees up our capacity to build new features (yes, like usernames) that will ensure Signal is fresh and relevant into the future. After much discussion, we determined that we can no longer continue to invest in accommodating SMS in the Android app while also dedicating the resources we need to make Signal the best messenger out there.

So, for people who use Signal on Android, you’ll now start to see some notifications in your app that will guide you through the process of exporting your SMS messages, picking a new default SMS messenger on your phone, and inviting the people who text you via SMS to download Signal

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