Dies ist ein erster Entwurf für eine Sendung über das Über-Leben in Bescheidenheit, mit Freude und
– mit allen, die dann zuhören werden (wobei viele der hier ausgewählten Kompositionen in den 53 Minuten Sendezeit nur in Auszügen angespielt werden können)
– mit einem angestrebten Musik-zu-Wort-Anteil von Zweidrittel zu Eindrittel im Format der Radio-Sendung - oder später im Stream
– mit einem eigenen Online-Zusatzangebot auf dieser Seite (mit Links auf die dann jeweils vollständig ausgespielten Stücke, soweit dafür die Rechte mit eingeholt werden konnten)
– mit der Absicht, die hier ausgearbeitete Version wirklich nur als einen Entwurf entwickelt zu haben und in grosser Vorfreude auf die Zusammenarbeit mit den Wort- wie auch Musik-Redaktionen des Hauses [3].
Die Vorarbeiten an dieser Sammlung wurden im Verlauf des Monats März im Jahr 2023 aufgenommen [4] und die hier eingeblendeten Links auf Internetquellen sind in vielen Fällen stellvertretend für die später auszusuchenden Originalaufnahmen eingestellt worden.
ANMOD
Diese Sendung kam auf Wunsch des Autors Wolf Siegert in Zusammenarbeit mit unseren Redaktionen zustande, nachdem er sich bereits ein Jahr vor seinem fünfundsiebzigsten Geburtstag an uns gewendet und uns ein Exposé mit einer ersten play-list samt damit verbindenden Stichworten eingereicht hatte.
Wolf gehört in die AWM-Kategorie, die des alten weißen - und weisen - Mannes; er selbst gilt in seiner internationalen Community als der "Doyen der Digitalisierung".
Als einer der ersten "Digital Residents" hat er vor allem im ITK-Sektor, in der Informations- und Kommunikations-Industrie, die Grundlagen für die Überwindung der analogen Welt geschaffen.
Derzeit denkt er in seinem neuen Buch unter dem Titel "Beyond Digital" über die Folgen und Konsequenzen dieses Tuns nach.
Als Sohn einer Musikerin aus armen Verhältnissen und eines Physikers aus einer Militärfliegerfamilie zeichnet er mit den von ihm ausgewählten Werken Lebens-Geschichte nach und auf: glücklich, diese zu diesem Zeit-Punkt noch präsentieren zu dürfen.
INTRO
– From "Start" to "Classics" DJ Skillz (France 2019) [5] [etc]
Diese Aufnahme ist ein klitzekleiner Ausschnitt, ein snippet, aus der Performance von DJ Skillz aus Frankreich auf der DMC DJ World Championship in der Islington Assembly Hall, Upper Street, London, aus dem Jahr 2019.
Heute bin ich, Wolf Siegert, Ihr / Euer DJ: Anknüpfend an die eigenen, zunehmend erfolgreichen Versuche zu Beginn der 70er-Jahre im letzten Jahrhundert in Bremen (wo ich geboren wurde) - und als VJ, das seit der Ausrichtung des ersten VideoClip-Fesivals in St. Tropez [6] zu Beginn der 80er Jahre unter dem Künstlernamen "Peter von Tricht".
DIE PROTAGONISTEN: WOLF UND PETER
Sie hören also heute ein Musik Mashup vom "Peter" und dem "Wolf": In dieser Märchen-Musik des russischen Komponisten von Sergei Prokofjew aus dem Jahre 1936 - dessen Musik wir nicht in die Sanktionsliste gegen die aktuell Krieg führende Nation aufgenommen haben - kommen sowohl der Wolf als auch sein alter ego, der Peter, in einer wunderbaren orchestralen Inszenierung vor, die viele von Ihnen / von Euch schon einmal gehört haben mögen.
Aber ist auch diese Fassung für Sprecher und Orgel bekannt? Hier ein kurzer Ausschnitt:
– "Peter und der Wolf" (für Orgel!) (Zitat) [KdM] [7]
Warum hier die Orgel ein ganzes Orchester ersetzt: weil sie ein ganzes Orchester ist. Und weil sie mich noch mehr als alle anderen (Tasten-)Instrumente von frühester Jugend an geprägt hat. Während meine Mutter Käte van Tricht auf der Empore an ’ihrer’ viermanualigen Sauer-Orgel sass, verbrachte ich diese Zeit mit mir selbst spielend in den riesigen Kirchenräumen des St. Petri Doms in Bremen - und bei den im sogenannten Bleikeller beigesetzten Toten.
Und ja, ich habe sie alle gehört, ohne damals zu wissen, wer mir dort alles in den Ohren lag: von Pachelbel bis Reger, Krebs bis Kerll, Purcell bis Pepping, von Böhm bis (zum Meister der höheren Mathematik!) Bach - von dem des natürlich auch eine grossartige KdF (Kunst der Fuge) - Aufnahme von KvT (Käte van Tricht) gibt. Mir haben es aber schon damals - später auch beim Registrieren - ’die Franzosen’ angetan: Alexandre GUILMANT [8], Louis VIERNE [9] und Paul Eugène de MALEINGREAU [10] aus dessen Symphonie de la Passion, Op.20 [11] wir jetzt "Le Tumulte au Prétoire" spielen. Auch dies eine Auswahl mit durchaus biografischen Bezügen, sowohl was Frankreich betrifft, als auch das "Prétoire", das ist ein Gerichtshaus, in dem sich meine Mutter nach der Verfolgung zu Kriegszeiten gegen ihren eigenen Arbeitgeber, die evangelische Kirche, zu wehen hatte:
– "Le Tumulte au Prétoire", der zweite Satz aus der "Symphonie de la Passion", Op.20 von Paul Eugène de Maleingreau, aufgenommen 1954 im SDR Sendesaal in Stuttgart. Veröffentlicht auf "HOMAGE KÄTE VAN TRICHT" bei Dabringhaus und Grimm, Detmold, 1999, MOG 3180928-2 [12]. [K]
ORGEL UND SCHLAGZEUG
Später, nach nicht sonderlich erfolgreichen Klavierstunden, lernte ich an der Musikschule zu Bremen Schlagzeug, gründete eine Jazz-Combo, die sich ihr Geld auf Hochzeitsfeiern mit dem Abfeiern all der ’klassischen’ Unterhaltungstitel jener Jahre verdiente.
Oh Ja, dabei fällt mir ein: Können Sie sich noch an ihre erste vom eigenen Geld erworbene Schallplatte oder CD erinnern? Dies, was Sie hier hören, war der Beginn meiner ersten Single.
– " Der Mann im Mond " - Gus Backus (Zitat) (1961) [13] [P]
Bei der Vorbereitung der Sendung kam die Frage auf, ob so was heute noch zu spielen nicht nur noch peinlich sei. Das mag schon sein, aber eine solche Sendung kann nicht gelingen ohne den Mut zur Aufrichtigkeit. Zumal mir erst jetzt klar wurde, dass ich mit dieser Wahl gleich mehrere Ebenen touchiert hatte, die später in meinem Leben eine hohe Wertigkeit erfahren würden. Die Begeisterung für neue Technologien, den Mut, neue Horizonte nicht nur zu erkunden, sondern auch praktisch erfahrbar werden zu lassen, aber auch die Begeisterung - anfangs für das Vereinigte Königreich und dann - für die USA - und das Fliegen. Wir kommen später noch darauf zurück.
Zurück zur Orgelvirtuosin Käte van Tricht und ihrem Schlagzeug spielenden Sohn. Es ist allzu schade, dass es von den später gemeinsam mit meiner Mutter vorgetragenen musikalischen Inszenierungen keine wie auch immer geartete Aufzeichnungen unserer Konzerte für Orgel und Schlagzeug auf der Empore jener Dom-Kirche mehr gibt.
Also, hier im Hintergrund schon zu hören, ein anderer Peter und am Schluss ein anderer Orgelvirtuose: mit Namen Stevie Winwood. Und "on the drums" Peter Edward Baker. Genannt: "Ginger" Baker aus der Formation Blind Faith anno 1969
– "Do What You Like" on the Blind Faith album in 1969 [14]. [P]
DIE USA - UND DEUTSCHLAND
Von dem eigenen heute noch andauernden ’musikalischen Wirken’ hier allenfalls als Zeichen der bis heute ungebrochenen Spielfreude in der Gemeinschaft eines Berliner Maultrommelstammtischs’, hier ein kurzer Handymitschnitt einer befreundeten Teilnehmerin aus Los Angeles aus dem Jahr 2012, als mich im Rahmen der Abendveranstaltung meines Kunden Digital River die Band spontan auf die Bühne holte, um sie auf meiner Maultrommel zu begleiten:
Damit sind wir in den USA gelandet. Aber warum diese kleine Jew’s Harp-(diese "Juden Harfe")-Episode, warum dieser Sprung durch die Zeit und in die "Neue Welt" - in der ich seit meiner ersten Gastinszenierung eines Morality Play im Apple-Center in Philadelphia fast ein halbes Jahrhundert verbrachte, zuletzt an der D-School an der Stanford Universität in Kalifornien...? Weil mir in all diesen Jahren immer wieder die Frage in den Sinn kam, wer ich wohl geworden wäre, wäre ich dort als US-Bürger zur Welt gekommen?
Wieso das? Wäre meine Mutter – die erst während der Nazi-Zeit infolge einer Verleumdungskampagne an eben dieser - ach so christlichen - St.Petri-Dom-Kirche von ihrer jüdischen Abstammung erfuhr – mit ihrem US-Soldaten-Freund ’damals’ aus Deutschland geflohen, wäre ich jetzt Amerikaner.
– "Born in the U.S.A." Bruce Springsteen (live 2018) [P]
MUTTER-SÖHNE - UND IHRE VÄTER
Wie nachhaltig das Nicht-Wissen um die Geschichte der Mutter auch das eigene Leben prägt, dazu hier nur dieser Satz aus der Wikipedia, der zusammenfasst, worüber sich Christian Schwarz-Schilling und ich uns erst in den letzte Jahren mehrfach haben aussprechen können.
Zuvor, als es darum ging, bei und mit der Deutschen Bundespost das Kabelfernsehen und später die ISDN-Digitalisierung einzuführen, hatte ich mit meinem ’obersten Dienstherren’ noch überhaupt keinen Kontakt.Umso beglückender war es, mit ihm nun als Sinologen über meine eigenen seit Mitte der 70er Jahre in der VR China und bei meiner Gastprofessur in Taiwan gesammelten Erfahrungen reden zu können, und so schlieslich auch von der Geschichte seiner jüdischen Mutter zu hören, von der in der Wikipedia nachzulesen, dass er erst " ... bei Nachforschungen vor Ort in Polen von der wahren Abstammung seiner Mutter" erfahren hatte.
Wir hören jetzt aus dem kompositorischen Lebenswerk seines Vaters Reinhard Schwarz-Schilling aus dem Jahr 1983
– "Il Notturno" den 2. Satz (Zitat) [KdM]
Wie ich auf die Lebens-Geschichte meiner Mutter reagierte? Nachdem ich mit 16 Jahren als einen der ersten Akte selbstständiger Entscheidungsfindung die Büros der evangelischen Kirchen-Verwaltung in Bremen aufsuchte, um dort meinen Austritt zu erklären, kommentierte meine Mutter - die drei Prozesse gegen die Kirche hatte führen müssen - im Nachhinein diesen Schritt mit den Worten: "Wenn ich nicht auf dieses Instrument angewiesen wäre, wäre ich auch schon ausgetreten."
Und da sind wir auch bei einer vergleichbaren positiven Reaktion eines sonst eher emotionslosen Vaters, der mich ausnahmsweise einmal in den Arm nahm, als er zwei Jahre später erfuhr, dass es mir gelungen sei, nicht in die Dienste der Bundeswehr eintreten zu müssen.
Für ihn spiele ich jetzt jenes Lied, das er sich zu seiner Beerdigung gewünscht hatte und das auch nach seinem Tod immer noch nicht an seinem Grab hat gespielt werden können, da sich die Berliner Behörden zunächst hartnäckig geweigert hatten, auf dem Familiengrab auf dem sogenannten Waldfriedhof neben dem Grabmal des Grossvaters Wilhelm Siegert als zweiten Stein eine gleich hohe Stele aufzustellen. Eine Herausforderung, die sich erst bewältigen liess, nachdem ich einen neuen Stein für die Zeit nach der eigenen Beisetzung beantragt hatte.
– "Music for a While" [K] von Henry Purcell in einer Aufführung der Gruppe SJAELLA in der Philippus-Kirche in Leipzig aus dem Jahr 2020
Diese Loslösungen von Militär und Kirche eröffneten neue Freiräume, auch in der Schule. Und die nachfolgende Aufzeichnung aus dem Studio für elektronische Musik des WDR ist einem der wenigen Lehrer gewidmet, die mich bei meiner Neugier für die Eroberung dieser Freiräume unterstützt hatten: Herrn Köster. In seiner Musikklasse war es die Aufgabe, dass jeder von uns in einer Stunde sein Lieblingsstück vorstellen sollte. Hier ein Ausschnitt aus jener elektroakustischen Komposition, die - zum grossen Erstaunen, ja Erschrecken vieler - von mir auf den Plattenteller gelegt und danach interpretiert worden war:
– " Gesang der Jünglinge", Karlheinz Stockhausen, Studio für elektronische Musik des WDR (1960) (Zitat) [MdK]
Auch wenn ich in dieser Zeit schon eine Jazz-Combo gegründet hatte: ich wusste um die Fährnisse, sich als professioneller Musiker behaupten zu müssen, zu gut Bescheid - und gründete daher darüber hinaus auch noch eine Theatergruppe. Wir spielten als Erstes die bitterböse Komödie von Sławomir Mrożek: Das Martyrium des Piotr O Hey ... über einen Tiger im Badezimmer. Noch vor der Premiere nahm ich mir heraus, das Ensemble des Theaters am Goetheplatz einzuladen, samt dem Intendanten Kurt Hübner. Und auch er kam, sah sich unser Spiel an, und so kam es, dass ich nach der Kirche und dem Militär auch über dieses Trauma der Schule gesiegt hatte: mit einem ersten Engagement - schon vor dem Abitur.
THEATER - BÜHNE(N-MUSIK)
Was für eine grossartige wie aufregende Zeit, Menschen wie Fassbinder, Kresnick, Minks und Tabori assistieren zu dürfen - aber wir sind hier eine Musiksendung. Daher stattdessen der Verweise auf die Zusammenarbeit bei einem Gastspiel von Marc Boyle, dessen Ausstellungen ich auch später in Berlin in der Akademie der Künste kuratieren sollte, was durch das unbotmässige Verhalten des Publikums in einer Katastrophe enden sollte.
Zusammengeschweisst aber hat uns schon zuvor das Konzipieren und allabendliche Verfertigen von fulminanten Light-Shows. Und das nicht nur auf der Bühne in Bremen, sondern auch bei Konzerten mit Cream [15], womit wir wieder bei Peter Edward "Ginger" Baker sind - und bei Jimi Hendrix:
– The Star Spangled Banner (1969) [P]
So. Und damit diese ganze Erzählung in dieser kurzen - und hoffentlich für Sie / für Euch da draussen an den Lautsprechern oder Kopfhörern auch kurzweiligen - Stundenrevue in den aufregend prägenden Momenten vor einem halben Jahrhundert stehen bleibt, ein dritter aktueller Bezug auf diese Musik, auf diese Zeit und jenes Land, dass ich neben den USA und China am liebsten aufgesucht hatte: Japan.
Und auch hier wieder ein Sprung durch die Zeit: Wir hören den Botschafter des japanischen Generalkonsulats in New York, Kanji Yamanouchi mit seiner von Hendrix inspirierten Version der US-amerikanischen Nationalhymne, präsentiert aus Anlass des US-amerikanischen Nationalfeiertags 2020
– The American National Anthem - Inspired by Jimi Hendrix, [P]
BONUS TRACKS
Zurück nach Deutschland - und zwar in beide Teile Deutschlands - die ich mit fünf Jahren DDR (und dem unermesslichen Privileg, auch jederzeit wieder ausreisen zu können) seit Beginn der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts habe kennenlernen dürfen. Um diese Erfahrung, auf ein musikalisches Ereignis projiziert, auf den Punkt bringen zu können, hören wir hier:
– "Du hast den Farbfilm vergessen" von Nina Hagen, gespielt auf dem Großen Zapfenstreich für die scheidende Bundeskanzlerin Angela Merkel (2021) [etc.]
Nachdem mir aber das Angebot als Dramaturg am Berliner Ensemble zu arbeiten letztendlich auf höchster politische Ebene wieder ausgeschlagen wurde, ich aber mit meiner "DDR-Karriere" für viele westdeutsche Einrichtungen nicht mehr tragbar erschien und der Deutsche Akademische Austauschdienst DAAD eine Berufung als Assistenzprofessor an die Waseda Universität in Japan nicht zu unterstützen bereit war ... ging ich stattdessen für viele Jahre ins Exil nach Frankreich, lernte dort Französisch, gründete dort eine Familie.
Aus dieser Zeit exemplarisch dieser musikalische Beitrag:
– "Il est cinq heures Paris s’éveille" Jacques Dutronc (1968) [16]. [P]
Und noch einmal zurück in die Gegenwart, in die sogenannte Kar-Woche des Jahres 2023, die in diesem Jahr zeitlich fast mit dem Ende des Ramadans (am 21. April) und dem Pessach-Festes (am 13. April) zusammenfiel. In diesen Tagen erreichten mich gleich zwei Todesnachrichten, die beide so missverständlich waren, dass sie mich selbst, wie es so gesagt wird, "zu Tode betroffen" gemacht hatten.
Inmitten dieser schier unglaublichen Verzweiflung trifft dann aber die Mail von einem Menschen ein, mit dem ich schon seit vielen Jahren über unser jeweiliges Leben angesichts eines immer wieder erneut drohenden Ende habe reden können: samt diesem zum Song ausgebauten Stück von Kamasi Washington aus dem "The Epic"-Album:
- ’The Rhythm Changes’ [etc.]
Our minds, our bodies, our feelings
They change, they alter, they leave us
Somehow, no matter what happens
I’m here
The time, the season, the weather
The song, the music, the rhythm
It seems, no matter what happens
I’m hereDaylight seems bright because of night
It’s shade we need
So we can seeOur love, our beauty, our genius
Our work, our triumph, our glory
Won’t worry what happened before me
I’m here