Politik. Wahlen. Bremen

VON Dr. Wolf SiegertZUM Montag Letzte Bearbeitung: 15. Mai 2023 um 19 Uhr 21 Minuten

 

© ARD tagesschau 14.05.2023 20:03 Uhr

Diese Nachrichten wurden am Morgen und am Vormittag des 15.05.2023 im Programm des Deutschlandfunks gesendet:

Hochrechnungen bestätigen Wahlsieg der SPD in Bremen

Aus der Bürgeschaftswahl in Bremen ist die SPD als stärkste Kraft hervorgegangen.

Nach Hochrechnungen von Infratest-dimap kommt sie auf 29,6 Prozent der Stimmen. Das ist ein Zuwachs von 4,7 Prozentpunkten. Die CDU erreicht 26,1 Prozent. Das sind 0,6 Prozentpunkte weniger. Die Grünen kommen demnach auf 12 Prozent, das sind 5,4 Prozentpunkte weniger als vor vier Jahren. Die Linke erreicht 10,9 Prozent. Die Partei „Bürger in Wut“ kommt auf 9,6 Prozent. Die FDP wird mit 5,2 Prozent voraussichtlich wieder in der Bürgerschaft vertreten sein. Bremens Bürgermeister Bovenschulte – SPD – kündigte Sondierungsgespräche mit allen demokratischen Parteien an. Möglich wäre demnach eine Fortsetzung der rot-grün-roten Koalition oder eine Regierung mit der CDU.
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Bovenschulte will soziale Sicherheit in neuer Regierung in Mittelpunkt stellen

Nach dem Sieg der SPD bei der Bürgerschaftswahl in Bremen will der Spitzenkandidat Bovenschulte einen Fokus auf soziale Sicherheit richten.

Der Bürgermeister sagte, seine Partei wolle sich verstärkt um eine gute wirtschaftliche Entwicklung, die Schaffung gut bezahlter Jobs und eine Verringerung der Arbeitslosigkeit bemühen. Er erklärte, mit allen demokratischen Parteien über eine Regierungsbildung zu sprechen.
Die Grünen-Spitzenkandidatin Schaefer kündigte als Reaktion auf die Stimmverluste ihrer Partei ihren Rücktritt an. Vertreter der Linken warben für eine Fortsetzung der bisherigen rot-grün-roten Koalition. CDU-Generalsekretär Czaja sprach sich dagegen für ein Bündnis mit seiner Partei aus und verwies auf Überschneidungen beim Thema innere Sicherheit.
Die SPD-Bundesvorsitzende Esken wollte sich nicht zu möglichen Koalitionen äußern. Sie sagte im Deutschlandfunk, Bovenschulte könne dies durch seine Zusammenarbeit in Bremen und mit Blick auf Koalitionen in anderen Bundesländern selbst gut abschätzen. Die FDP zeigte sich zufrieden mit ihrem Abschneiden. Generalsekretär Djir-Sarai sagte ebenfalls im Deutschlandfunk, man habe das Hauptziel erreicht, wieder in die Bürgerschaft gewählt zu werden.

Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG relativiert den Wahlerfolg der SPD: „Bei Licht betrachtet haben sich die Sozialdemokraten von ihrem historisch schlechtesten Ergebnis an der Weser auf das wohl zweitschlechteste verbessert – und das auch nur dank einer Kombination aus einem relativ zugkräftigen Spitzenkandidaten, einer nicht sonderlich profilierten bürgerlichen Opposition und einer grünen Partei, die vor Ort schon immer so ideologiegetrieben agiert hat, wie sie es mittlerweile auch im Bund tut. Würden die selbstzerstörerischen Tendenzen der Linken auf Bundesebene nicht seit Jahren die Partei lähmen – wer weiß, ob nicht pragmatische und für soziale Fragen offene Linke in Städten wie Bremen die Grünen mit ihrer Klientelpolitik für Wohlhabende und Woke längst überholt hätten“, fragt sich die F.A.Z.

Für die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG zeigt der Wahlerfolg der SPD, dass der Bundestrend bei dieser Wahl keine große Rolle spielte: „Vielmehr zeigte sich, dass ein Regierungschef im Land, der nah bei seinen Leuten ist und pragmatisch Politik macht, nicht so leicht aus dem Amt zu jagen ist. Den Wählern sind Persönlichkeiten wichtiger geworden als Parteibücher. Andreas Bovenschulte kann in Bremen komfortabel weiterregieren, während die SPD im Bund unter 20 Prozent verharrt. Dass die ‚Bürger in Wut‘ mehr als zehn Prozent holen, muss all jenen eine Mahnung sein, die davon träumen, mit einem Verbot der AfD das Problem der radikalen Wählerschaft zu lösen“, meint die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.

Auch die FRANKFURTER RUNDSCHAU richtet den Blick auf den Wahlerfolg der rechtspopulistischen Partei, die nur in Bremen antritt: „Jetzt kann man natürlich sagen, das sei ihr nur gelungen, weil die zerstrittene AfD zu unfähig gewesen war, sich auf eine Liste zur Wahl zu einigen – und deshalb ausgeschlossen blieb. Ja, stimmt. Aber entscheidend ist ein anderer Aspekt: Das rechtspopulistische Wählerpotenzial materialisiert sich mittlerweile regelmäßig bei Landtagswahlen in guten einstelligen und gar zweistelligen Ergebnissen. Die gebetsmühlenhaft vorgetragene Analyse, dies sei einer ‚Protestwahl‘ geschuldet, verfehlt zusehends ihr Ziel. Vielmehr hat sich in fast allen Bundesländern ein Kern verfestigt, der wiederholt rechtspopulistisch oder gar rechtsextremistisch wählt – ob die Partei AfD oder ‚Bürger in Wut‘ heißt, ist letztlich wurscht“, glaubt die FRANKFURTER RUNDSCHAU.

Die SCHWÄBISCHE ZEITUNG aus Ravensburg kommentiert die Verluste der Grünen, die bisher mit SPD und Linken in Bremen regieren: „Die Partei hat im Moment keinen Lauf. Verkehrswende, Heizwende, überhaupt die Energiewende insgesamt, und all das gleichzeitig: Da fühlen sich viele Wähler überfordert. Auf der anderen Seite drängelt die Kernwählerschaft, der es bei ihrem Herzensthema Klimaschutz längst nicht schnell genug geht. Wenn dann noch ein grüner Staatssekretär den Spitzenposten einer Bundesbehörde mit seinem Trauzeugen besetzt, muss sich niemand wundern, wenn die Prozentwerte in den Keller rauschen“, konstatiert die SCHWÄBISHCHE ZEITUNG.

© ZDF heute (via 3sat) 15.05.2023 19:03 Uhr

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