Warteliste: Musical Belongings III

VON Dr. Wolf SiegertZUM Sonntag Letzte Bearbeitung: 15. April 2024 um 02 Uhr 24 Minuten

 

Das nachfolgende Textkonvolut zu dieser Veranstaltung ...

... ist auch das Einzige, das es als Volltextzitat über die letzten drei Abende im Humboldt-Forum zu berichten gibt. Der Platz auf der Warteliste der Pressestelle des Hauses blieb ein Platz auf der Warteliste, da alle drei Tage vollständig ausverkauft waren.
Das ist doch - wenn vielleicht auch nicht aus persönlicher Sicht - ein gutes Ergebnis für die Veranstalter und das Haus - oder?

Wie klingt es, wenn man italienische Renaissancemusik mit klassischen chinesischen Instrumenten spielt – und wie verwandeln sich umgekehrt die traditionellen pentatonischen Melodien Chinas auf europäischen Gamben?

Die lautten compagney BERLIN begrüßt fünf herausragende Musiker*innen aus Shanghai, Taipeh, Taichung und Nanjing zur gemeinsamen Erkundung klassischer chinesischer Musik und zeitgenössischer Poesie im Dialog mit dem Humboldt Forum. Das Programm ist inspiriert von Rollbildern des Museums für Asiatische Kunst und der aktuellen Sonderausstellung Sich kühn dorthin zu begeben, wo Malende noch nie zuvor gewesen sind. Es erforscht den musikalischen Austausch zwischen China und Europa zur Zeit der Spätrenaissance, im Übergang von Ming- zu Qing-Dynastie. Jesuiten aus Venedig, Mailand und Rom haben früh Kontakt zu China gesucht. Das zeigt sich exemplarisch an der Lebensgeschichte des Mailänder Malers Giuseppe Castiglione (1688-1766), der unter dem Namen Láng Shìníng zum Hofmaler dreier Kaiser wurde und die Malstile Europas und Chinas verschmolzen hat. Die lautten compagney begibt sich in dem Konzert gemeinsam mit den chinesischen Musiker*innen auf die Suche nach einer musikalischen Entsprechung.

Das Programm widmet sich einerseits der Tradition chinesischer Hofmusik und der jesuitisch geprägten Renaissancemusik Italiens, es wirft es aber im Nachgespräch mit den Künstler*innen und dem Publikum auch die Frage auf, welche kolonialen Aspekte in den jesuitischen Missionsreisen und der Politik der chinesischen Kaiser gesehen werden können. Welche machtpolitische Rolle haben Musik und Dichtung gespielt? Und was könnte daraus für die Gegenwart folgen? Darum wird das Programm mit Gedichten der zeitgenössischen Dichterin Zheng Xiaoqiong verknüpft, die als Wanderarbeiterin aus der wirtschaftlichen Großmacht China und vom Alltag der Fließbandarbeit berichtet, in ihren Gedichten aus den Metallfabriken aber immer auch die Schönheit der chinesischen Poesie und Musik als Gegengift beschwört: „die zeit, ein grauer eisenvogel, fliegt gegen das fenster, / wie eine ferne erinnerung schleicht jetzt der mond sich ins zimmer.“

Die Besetzung:

Xu Fengxia 徐鳳霞 [1]

Lucy Zhao 赵路曦 [2]

Lin Chen 陈璘 [3]

Lung-Yi Huang 黃朧逸 [4]

Tzu-Ning Liao 廖子甯 [5]

Lyrik von Zheng Xiaoqiong 鄭小瓊
Interpretiert von Young-Shin Kim 金永星

Anmerkungen

[1Xu Fengzia ist eine aus Shanghai stammende international agierende Musikerin auf chinesischen Zupfinstrumenten und Sängerin. Sie studierte an der Shanghaier Musikhochschule und arbeitete danach als Solistin im Orchester für Chinesische Musik Shanghai und gab Solokonzerte auf bis zu vier Instrumenten. Xu Fengxia gewann den zweiten Preis des Shanghai Young Performer Competition und war Mitglied von Chinas erster „Lady Rock Band“.

Nach ihrem Umzug nach Deutschland widmete sich Xu Fengzia weiterhin der traditionellen chinesischen Musik. Ein neuer Schwerpunkt wurde die Begegnung mit Musiker*innen der Improvisierten Musik und des Jazz. Sie arbeitete zusammen mit Peter Kowald, Günter Baby Sommer, Gunda Gottschalk und Peter Brötzmann, mit dem sie durch China tourte. Xu Fengxia nahm an Jazzfestivals auf der ganzen Welt teil. Außerdem spielte sie in zahlreichen Werken zeitgenössischer Komponisten aus China und Deutschland. 2009 gewann sie den Jazzpott der Stadt Essen und für ihre Duo-CD Black Lotos den Preis der Deutschen Schallplattenkritik. Seit kurzem widmet sich Xu Fengxia auch der Komposition. Im Oktober 2008 startete sie das Projekt „Qianxingzhe“ (ein Schritt vor tausend Schritten) über verschiedene Dimensionen von Improvisation, Neuer Musik und Global Jazz Music. Xu Fengxia organisiert jedes Jahr eine Tour in China. 2011 gründete sie das Duo „Mondsüchtig“ mit dem Zitherspieler Georg Glasl. xu-music.de

[2In Peking geboren, beginnt Lucy Zhao im Alter von acht Jahren die Pipa 琵琶 zu erlernen – eine gezupfte Schalenhalslaute der klassisch chinesischen Musik und eines der beliebtesten chinesischen Instrumente. Die Geschichte der Pipa reicht mehr als 1500 Jahre zurück. Anlässlich der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele 2008 in Peking trat Lucy als Mitglied des Pipa Orchesters auf. Am China Konservatorium in Peking absolvierte sie ein Bachelor-Studium der Pipa und nahm an Orchestertourneen in die USA, Süd-Korea sowie zahlreiche chinesische Städte teil. 2016 zog es Lucy nach Wien, um Kulturmanagement zu studieren. Seitdem ist sie in vielen Ensembles und Orchestern in Europa aktiv. Auch ihr solistisches Engagement setzte sie mit Konzerten in Deutschland, Österreich, Belgien, Dänemark, Slowenien und der Slowakei fort, z.B. im Konzerthaus Berlin, ZKM Karlsruhe, Haus für Mozart in Salzburg und Mozarthaus Wien. Neben ihrem traditionellen Repertoire spielt sie auch zeitgenössische Musik und freie Improvisationen – klanglich-emotionale Reisen in unberührte Sphären, die in ihren Bann zu ziehen versuchen. Die Musikerin unterrichtet an der Global Music School seit Juli 2021 die Pipa und arbeitet nach ihrem Abschluss derzeit im Bereich Veranstaltungsmanagement im Konzerthaus Berlin.

[3Lin Chen ist eine vielseitige chinesische Percussionistin, die seit 2006 in Deutschland lebt. Sie studierte an der Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar und in Hamburg, wo sie 2011 das Konzertexamen mit Auszeichnung abschloss.
Auftritte als Solistin und im Rahmen verschiedener Ensembles und Orchester führten Lin Chen u. a. nach China, Japan, Hong Kong, Finnland, Österreich, USA, Australien und in zahlreiche deutsche Städte. Sie spielte u. a. mit Beibei Wang als Solistin unter der Leitung von Tan Dun „Water Passion“ und mit Martin Grubingers Percussive Planet Ensemble trommelte sie im Rahmen des Schleswig-Holstein Musik Festival. 2022 spielte sie vor 8000 Zuschauer*innen gemeinsam mit Beibei Wang als Solistin auf dem Haniel Klassik Open Air auf dem Opernplatz in Duisburg das Konzert für Marimba, Vibraphon und Orchester, sowie ein Intermezzo mit chinesischen Großtrommeln. Darüber hinaus spielt sie auch regelmäßig die Marimba im Musical „König der Löwen“ im Stage Theater im Hafen Hamburg und auch in der Konzertreihe der Hamburger Staatsoper „Blubb blubb – abgetaucht!“ Musiktheater für Babys, u. v. m.

Mit ihrem Ehemann, dem Gitarristen Kristian Sievers, konzertiert sie seit 2013 im Duo Pertar. 2022 debütierte ihr Percussion Qunitett mit vier weiteren chinesischen Percussionistinnen.
lin-chen-percussion.com

[4Lung-Yi Huang studierte Chinesische Musik an der Fo Guang University und der Chinese Culture University. Zweimal gewann er den ersten Preis in Nationalen Musikwettbewerben in Taiwan. 1998 war er Teil der Young Star Series und debütierte in der National Theater & Concert Hall in Taipeh. Neben traditioneller chinesischer Musik interessiert sich Lung-Yi auch für Neue Musik und wirkte an der Uraufführung mehrerer zeitgenössischer Werke mit. Er trat auf Festivals wie der MaerzMusik in Berlin, dem Contemporary Music Festival in Grenoble, dem Huddersfield Contemporary Music Festival in Großbritannien und beim Musikforum Viktring bei Klagenfurt auf. Lung-Yi Huang ist derzeit CEO und Künstlerischer Leiter des Taipei Harmony Ensembles sowie Dozent an der Chinese Culture University, am National Taiwan College of Performing Arts und an der Hwa Kang Arts School in Taipeh.

[5Tzu-Ning Liao ist eine vielseitige Musikerin aus Taiwan. Sie lebt seit 2017 in Deutschland. Sie erlangte ihren Abschluss in Erhu – einer zweisaitigen mit dem Bogen gestrichenen Laute – und Klavier an der National Taiwan University of Arts. Im Alter von zehn Jahren wurde sie Mitglied des „Dachung Chinese Orchestra“ und spielte regelmäßig mit dem „Little Giant Chinese Chamber Orchestra (LGCCO)“ in der National Concert Hall in Taipeh. Neben zahlreichen Auftritten in Taiwan wurde sie u. a. nach Japan, Australien, Peking und Shanghai eingeladen.

2017 zog sie nach Deutschland, um Multimedia-Komposition an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg zu studieren und entwickelte ihren einzigartigen Stil auf der Erhu. Ihr künstlerischer Fokus liegt auf Neuer Musik, zeitgenössischer arrangierter traditioneller Musik, elektroakustischer Musik und freier Improvisation. Sie spielte mit verschiedenen europäischen Instrumenten in internationalen Ensembles, so z. B. in der Aufführung von „Intermezzi“ der Komponistin Yijie Wang für die Duisburger Philharmoniker im Jahr 2022 oder in der chinesischen elektronischen, interkulturellen Musik- und Tanzperformance „Re: member, a double concerto“ in Bonn und Lübeck. Darüber hinaus beteiligte sie sich an der zeitgenössischen Kammeroper „ZER-RIS-SEN. Wenji: Auf der Suche nach Heimat“ der Komponistin Lam-Bun Ching, die 2019 in Heidelberg und Ludwigsburg aufgeführt wurde.


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