Gedanken zur Himmelfahrt

VON Dr. Wolf SiegertZUM Donnerstag Letzte Bearbeitung: 10. Mai 2024 um 16 Uhr 03 Minutenzum Post-Scriptum

 

Das ist der zweite Versuch, mit einem Diktat die bisherige Schreibarbeit an der Tastatur zu ersetzen [1].

Dafür eignet sich dieser Tag in besonderer Weise. Denn bis vor wenigen Tagen war überhaupt nicht verstanden worden, dass es sich bei diesem Tag um einen Feiertag handelt. D.h. um einen arbeitsfreien Tag, dessen Entstehung einer kirchengeschichtlichen Erzählung geschuldet ist.

Auch zu diesem Punkt wurde bereits in einem vorangegangenen Beitrag Stellung bezogen [2]. Deshalb gibt es heute die Möglichkeit, einmal von zeitlichen Zwängen als auch von moralischen Verpflichtungen befreit den Gedanken freien Lauf zu lassen.

Denn es ist das Besondere dieses Moments, dass es zumindest vom Gefühl her keinen unmittelbaren Anlass gibt, sich jeglicher Freiheit zu widersetzen, die einem die freie Zeit plötzlich ermöglicht. Und die in manchen Fällen und bei manchen Menschen eher als Belastung oder gar Herausforderung empfunden wird und nicht als etwas Positives.

Damit sind wir bereits bei einem wichtigen und in vielen Fällen oft vergessenen Punkt: Die Freiheit als eine positive Herausforderung annehmen zu können, anstatt ihrer zu fürchten. Die schier unverschämte These, dass alles möglich sein könne, hat nicht einmal im Ansatz die Chance auch nur gehört zu werden, wenn ihr nicht die Grundlage eingeräumt wird, mit den unmittelbaren Möglichkeiten einer Freiheit umgehen zu können.

Hier und heute gibt es nicht mehr, aber auch nicht weniger als die Chance sich im freien Fluss der Rede äußern zu können und dieses – wie böse Zungen behaupten mögen – "...ohne Sinn und Verstand" zu tun. Will sagen: spontan und assoziativ zu reden und diese Rede von einem elektronischen System aufzeichnen zu lassen.

In den vergangenen Einträgen finden sich immer wieder Texte, die darüber Auskunft geben, mit welchen konkreten Herausforderungen der Autor zu tun hatte, um sich dieser neuen Techniken zum Vorteil seiner Arbeit bemächtigen zu können [3]. Oft genug scheint es, dass sie mehr Macht über ihn ausüben, als er über sie. Wenn immer es aber gelungen ist, sich dieser Herausforderungen erfolgreich zu stellen, und deutlich wird, dass die Vorteile der Nutzung einer solchen Technik dann doch überwiegen.

Dazu ein Beispiel von diesem Vormittag. Eine bereits um 10:08 Uhr begonnene Radiosendung wurde erst gegen 10:45 Uhr eingeschaltet. Und um sie dennoch vollständig hören zu können, wurde nicht das Radio, sondern das Smartphone aktiviert. Dort konnte auf einer sogenannten "App" das gesuchte Radioprogramm aufgesucht und dann zeitversetzt mit Beginn der Sendung abgespielt werden. Da im Verlauf der Sendung immer wieder Musiktitel eingeblendet, diese aber beim Abspielen übersprungen wurden, war es nach geraumer Zeit möglich, die eingangs verlorene Zeit aufzuholen. Und ab 11:15 Uhr war es dann möglich, den zweiten Teil der Sendung bis zu ihrem Ende ohne weitere zeitversetzte Aufzeichnungen unmittelbar im Radio live mitzuverfolgen.

Ein für viele vielleicht banales Beispiel? Mag sein, und doch: Es ist eine durch die Technik ermöglichte Chance, verlorene Zeit wieder aufholen und dann in die Ist-Zeit zurückverwandeln zu können. Damit ist es möglich, dem unmittelbaren Erleben eine anderes Erleben der Dimension einer ’historischen’ Ausführung hinzuzufügen - diese zum Bestandteil des alltäglichen Er-Lebens zu machen, darin zu integrieren.

Diese technisch vermittelte Freiheit, mit vergangener Zeit umzugehen, vermittelt auch den Ausblick auf eine schier unerreichbare Kompetenz, den in die zukunftsweisenden Zeitstrahl erfassen zu können, ja, vielleicht sogar in seine Praxis zu integrieren. Ein solches Tun mag im einfachsten Falle mit dem Begriff der "Hoffnung" umschrieben sein, aber es hat darüber hinaus eine Dimension, die in unserer täglichen Arbeit von großer Bedeutung ist. Nichts und niemand wird sich dieser Möglichkeit entziehen wollen, die Dimension der Zukunft in die alltägliche Praxis von Leben und Arbeit, von Denken und Kreativität einzubeziehen.

Im Gegensatz zu dem hier genannten kleinen Beispiel des Einspielens einer schon abgespielten Radiosendung ist klar, dass die Zukunft nicht in einer vergleichbaren Präzision und Eindeutigkeit wird benannt und in die eigene Praxis integriert werden können. Aber der erfolgreiche Rückblick auf das, was sich in vergangener Zeit dort abgespielt hat, ist ein Anlass der Ermutigung, sich auch der Zukunft immer wieder aufs Neue zuwenden zu können und zuwenden zu wollen.

[...]

An diesem Tag wird nun das Thema von Zeit und von Zukunft in einer ganz besonderen Art und Weise herausgefordert.

Denn zunächst gilt es festzuhalten, dass bei allen Unschärferelationen mit dem Blick auf zukünftige Ereignisse ein einziger Parameter uneingeschränkt und unbestritten gesetzt bleiben wird - und das ist der des Todes. Auch wenn wir – außer bei einem Suizid – den Zeitpunkt des Todes nicht werden vorher sehen oder gar festsetzen können, steht er uns allen als ein unverrückbares Menetekel bevor. Damit gibt es ein eigenes Ende der Zeit, das schon jetzt für die Zukunft fest bestimmt ist. Und nachdem es für uns keine Zukunft mehr gibt. Jedenfalls nicht als Individuen.

Die christliche Lehre ist nunmehr bemüht, auch dieser Grenze eine Alternative entgegenzustellen - und sei es nur mit der im Glauben verbürgten Hoffnung auf ein Leben nach dem Tode. Was auch immer dieser Begriff des "Lebens" nach dem Tode heißen mag. Und was auch immer uns einzelne Zeugnisse des Erlebens aus dieser Welt berichten mögen. Hier und heute bleibt festzuhalten, dass bei aller Unbestimmtheit und Vorläufigkeit solcher Aussagen sich der Wunsch nach einer existenziellen Neudefinition nach dem hier auf Erden Erlebten so stark und so konkret umgesetzt hat, dass er in dem institutionellen Rahmen der hiesigen Gesellschaft dazu geführt hat, dass dieser Tag zum Feiertag und damit arbeitsfreien Tag erklärt wurde.

Und das bedeutet, dass – wie in diesem Falle auch nur im Ansatz versucht – die Möglichkeit eingeräumt wird, sich jenseits des Alltags über ebendiesen hinwegzusetzen und die Freiheiten zu nutzen, die einem durch solch einen Tag eingeräumt werden.

Ihnen und Euch allen, liebe Leserinnen und Leser, die diesen bis zu diesem Moment live diktierten Text mitverfolgt haben, sei der Wunsch ausgesprochen, dass jede und jeder von Ihnen auf ihre oder seine Weise diese Möglichkeiten für sich individuell oder kollektiv mit Anderen in Anspruch nimmt, egal ob in der Kirche oder in der Küche, mit den Kindern oder vor einem Kindl, beim Lesen oder in der Liebe - amen.