SOS! Werden wir die Digitalisierung überleben? (KIds)

VON Dr. Wolf SiegertZUM Montag Letzte Bearbeitung: 22. Mai 2024 um 21 Uhr 09 Minutenzum Post-Scriptum

 

Für diesen dritten Beitrag in dieser Reihe war beabsichtigt, nun eine erste Übersicht über den gesamten Aufbau des Buches zu präsentiern... und schon wieder kommt einem der Alltag in die Quere und drängelt sich vor - und ’darf’ dies auch. Denn die beiden nachgenannten Beispiele machen die Pole jenes Spannungsrahmen deutlich, zwischen denen das erkenntnisstiftende Konstrukt dieses Buchens aufgespannt ist.

Das erste Interview mit dem Chef der Datenverwertung bei Google macht deutlich, wohin die Reisen im weiteren Verlauf des Prozesses der Digitalisierung gehen wird [1].

Das zweite Interview mit einem Sozialarbeiter und einer Auswahl aus 7 Schülern, die für eine Woche digital Detox durchgehalten haben, eröffnet einen ganz kleinen Schimmer am Horizont mit Hinweisen auf Antworten zu jener Frage nach einer postdigitalen Zeit.

Gewiss, diese Auswahl dieses Tages ist zufällig und doch markiert sie deutlich, wie sich hier ein "digitaler Goliath" ganz und gar zukunftsgläubig auch im Sinne all jener "postdigitalen Davids" äussert, die er auch weiterhin mit seinen "gratis"-Mehrwert-Diensten an sich zu fesseln trachtet.

Verständlich, das sei hier hinzugefügt, die deutliche Rücksichtnahme des Alphabet-Konzerns gegenüber Firmenkunden: Da diese ’Gefahr laufen’ können, sich aus dem Kokon der gesellschaftlichen Neutralität zu entpuppen und politische zu positionieren, so wie in diesen Tagen geschehen.

Noch am 11. Dezember 2023 schrieb Marcel Fratzscher im DIW-Blog

Wer schweigt, trägt eine Mitschuld
Der Erfolg der AfD ist eine große Gefahr für die Wirtschaft. Doch von vielen Unternehmen ist dazu wenig zu hören. Höchste Zeit, dass sie mehr Verantwortung übernehmen.

Am 14. Mai 2024 berichtet die ARD-tagesschau-Redaktion:

Unternehmen gegen Populismus "Sie gefährden das, was wir aufgebaut haben."
Die Vorstände von Deutscher Bank, Deutscher Bahn und Siemens treten gemeinsam mit weiteren Unternehmenschefs gegen Extremismus, Populismus und Rassismus ein. Sie rufen dazu auf, bei der Europawahl demokratische Kräfte zu stärken.
Die Chefs von Siemens, Deutscher Bahn und Deutscher Bank haben vor den Folgen von Populismus, Extremismus und Rassismus für den Wirtschaftsstandort Deutschland gewarnt. Die drei Konzerne beteiligen sich mit zahlreichen weiteren Firmen an der Wirtschaftsallianz "Wir stehen für Werte".

Dieser Aufruf ist nicht nur in Bezug auf aktuelle parteipolitische Entwicklungen von Bedeutung und reicht mit seiner Aussage "Wir stehen für Werte" noch weit über die Europa-Wahlen am 9. Juni 2024 hinaus.

Denn letztendlich geht es auch in diesem Buch um eine Werte-Diskussion. Exemplarisch schon an diesem Beitrag unmittelbar vor den Europawahlen ausgeführt: Das Europa-ABC.

Und jetzt die beiden Interviews, wie angekündigt:

Google-Analytics-Chef: "Mit generativer KI kommen wir endlich an alle Daten"

Der Deutsche Gerrit Kazmaier ist bei Google Cloud für alles zuständig, was mit Datenanalyse zu tun hat. Im Interview sagt er, was das in Zeiten von KI heißt.

Ben Schwan auf heise-online am 20.05.2024, 10:00 Uhr

[...] Mit generativer KI wird das alles auf einmal sehr dynamisch und ähnlich flexibel einlesbar wie eine SQL-Tabelle, die man ganz einfach abfragen kann.

Aber was lässt sich praktisch damit anfangen?

Man kann dann die wahnsinnigsten Dinge damit machen. Beispielsweise wenn ich wissen möchte, wie Kunden über mein Produkt empfinden, wie hoch das Risiko ist, dass ich sie verlieren könnte. Sounddateien aus dem Support kann man dann analysieren und Schlüsse daraus ziehen. Das ist eine wahre Schatzkiste. Oder nehmen wir die Kommunikation mit Lieferanten oder alles, was in E-Mails und Social-Media-Postings steckt. Das repräsentiert unglaubliche Werte, wenn man das analysieren kann. Und das wird mit generativer KI endlich möglich, wir kommen an diese Daten jetzt wirklich ran.

[...]

Weil eines ist doch klar: Wir sprechen hier über eine ganz neue Welt oder auch ein ganz neues Mindset, weil vieles von dem, was wir bisher gemacht haben, sich komplett ändert. Data Analytics wurde einst für Menschen gemacht, für statische Anwendungen, für Dashboards, KPIs und so weiter. Jetzt leben wir in einer Welt, wo wir sagen, Data Analytics wird wahrscheinlich in diesem Jahr und in den folgenden Jahren massiv von neuen intelligenten Agenten benutzt. Das ist ein ganz neues Paradigma. Mit generativer KI kommen wir endlich an alle Daten.

Britta Mersch präsentiert in der auf diesen Beitrag vorgezogenen Deutschlandfunk-Sendung "Campus und Karriere" vom 22. Mai 2024 einen Beitrag von Anja Klei [?], in dem es um "Eine Woche ohne Handy" geht. Fazit:

Schülerinnen und Schüler einer Schule in Nordrhein-Westfalen waren eine Woche komplett offline – und ziehen eine positive Bilanz

Auch wenn dieses nur ein kurzer, kursorischer Beitrag ist, so zeigt sich deutlich, dass der unmittelbare ’Blick in die Welt’ den ’Blick auf den Screen’ für einen Moment abgelöst hat. Und das - und das ist von vielleicht noch höherer Bedeutung - der Faktor ’Zeit’ neu erlebt wird... bis hin zu einem anderen Beitrag, in dem es um das Lob für die Langeweile ging: die SWR-Produktion von Norbert Bolz vom 28.05.2017 [2], der aber online im ARD-Archiv nicht mehr angehört werden kann :-( .

P.S.

Der Dlf-Beitrag aus dem gleichen Jahr, 2017, von Martin Hubert über "Das Geheimnis der Langeweile" endet mit einem Zitat von Johann Wolfgang von Goethe: "Wenn die Affen es dahin bringen könnten, Langeweile zu haben, so könnten sie Menschen werden."
Was bedeutet das für uns Menschen, wenn es in Zukunft gelänge, nach einem erfolgreichen Dauer-Einsatz von generativer KI die Langeweile endgültig verdrängt zu haben?

Anmerkungen

[1... und spiegelt auf dem persönlichen Hintergrund nochmals die Frage wider, was der Autor heute sagen und schreiben würde, wenn er ’einst’ dem Ruf an das Google-Headquarter gefolgt wäre...

[2

Selbsterkenntnis. Lob der Langeweile
Der Mensch ist ein Wesen, das sich langweilt und deshalb Stimulantien braucht. Der große Ökonom John Maynard Keynes hat die Langeweile als das gewichtigste Problem der modernen Gesellschaft bezeichnet. Kluge Köpfe wissen aber auch: Langeweile ist die Pforte, durch die man schreiten muss, um zu Selbsterkenntnis und Kreativität zu gelangen.
[...]
Die Unruhe, die durch Langeweile entsteht, hält unsere moderne Gesellschaft lebendig. Eigentlich verdient die Langeweile ein Lob. In unseren Tagen ist sie das Inkognito der Muße.


6146 Zeichen