Typisch: ARD

VON Dr. Wolf SiegertZUM Samstag Letzte Bearbeitung: 1. Mai 2005 um 16 Uhr 42 Minuten

 

Nationale Selbstbespiegelung mit Unterhaltungswert

Wer sagt denn, dass sich "die Deutschen" nicht auch mal "auf die Schippe" nehmen können? Die ARD-Sendung "typisch deutsch" auf dem klassichen Sonnabend-Abend-Hauptprogramm-Platz war ein insgesamt doch gelungener Versuch, das Thema der nationalen Identität mit Frohsinn und Sinnlichkeit, Eigensinn und sinngebungsvoll anzupacken - und so zum Gegenstand eines befreienden öffentlich(-rechtlich)en Diskurses zu machen, jenseits der aktuellen Debatten um "Unterschichtenfernsehen" und Rundfunkgebühren.

Die Sendung hatte jene gute bunte Mischung, die notwendig ist:

 um einerseits ein Stück weit zu überraschen und damit aufzumuntern - etwa, dass die Deutschen am ehesten auf "ihr" Bier verzichten könnten, noch bevor sie alternativ Wein, Kaffee oder Wasser stehen lassen müssten -

Es gelten die Regeln des Urheberrechts all rights reserved

 und um andererseits eine Stück weit wieder die Gemüter zu bestätigen und damit einzufangen - etwa mit dem Ergebnis: dass die Beamten die am ehesten typischen Deutschen sind: und das in der Gruppen- wie in der Einzelwertung [1]

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und dass die Lindenstrassen-Mutter der Nation die "deutscheste" aller Identifikations-Figur unter den eingeladenen Prominenten ist.

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Im übrigen lebte die Sendung:

 von der Kraft der Moderatoren, sich gegenseitig ins Wort zu fallen, wann immer es geboten war: sei es, um die Regeln der Dramaturgie und des Ablaufplans wieder in die Bahn zu bringen [2], sei es, dem Anderen / der Anderen die Möglichkeit zu einem kleinen persönlichen Extempore zu geben [3]

 von einer wohl geplanten und dann doch erstaunlich "privat" wirkenden Mischung von Persönlichkeitskult und illustrierten Vorurteilen einerseits [4] und dem Betonen dieser Privatheit als Voraussetzung für den Erfolg der Sendung andererseits: von der wiederholten "antworten Sie ehrlich"-Aufforderung der Moderatoren bis hin zu den Prommi-WC-Geschichten aus dem ICE oder beim Wasserlassen nach dem Kaffee-Genuss

 von einer wahrscheinlich so nicht gewollten aber dann dennoch real existierenen Inhouse-Transparenz, in der der Produktionsapparat in der Sendung ein Stück weit sichtbar wurde: von der Ankündigung der drohenden Entlassung eines Redakteurs (die es somit schon eben deshalb sicherlich nicht geben wird) bis hin zum Hinweis auf die unzureichende Qualität des WdR-Kantinen-Essens

 von der Bereitschaft, anstatt eines "adjudicators" den modernen "Zwerg Allwissend" in Gestalt eines Mitarbeiters des Goethe Insitutes auf die Bühne zu bringen und in der Rahmenhandlung als Kommentator und durchaus nicht immer bequemen Stichwortgeber einzubringen [5] - und sei es, um den eingeladenen etwas sauertöpfischen Fussballprofi-Promi das Deutschlandlied an Stelle eines Telepromter vorzubuchstabieren [6]

 von der Absicherung dieser Persönlichkeitsbilder und soziologischen Gruppenportraits durch das Matereial der INFAS-Erhebungen, die auch dadurch nicht "unseriös" erschien, dass in eine Reihe von Fällen eine der vier möglichen Antworten als so "gut" wie "unmöglich" einzustufen war, gerade dieses aber den Spass an der Beantwortung der anderen Alternativen eher noch stimulierte [7]

 von den Zuschauerbeteiligungsfragen, etwa danach, was es denn wirklich nur in Deutschlang gäbe [8]

 von der Möglichkeit, die gestellten Fragen auch interaktiv im Netz nachvollziehen und selber beantworten zu können unter: http://www.daserste.de/typischdeutsch/" target="_blank">
www.daserste.de/typischdeutsch/

 von einer ausgeklügelten Logistik zwischen einem farbenfrohen "klassischen" Bühnenbild mit einem jederzeit möglichen alternierenden Zugriff auf Gruppen- und Individualpräsenz - sowohl für die Kameras als auch die Moderatoren - sowie der Möglichkeit, diese auch im Hintergrund immer mit der EDV aufzufangen, zu protokollieren und die Ergebnisse nach gut-"dünken" der Redaktion in die Sendung einzuspielen [9]

 von der Entscheidung der Redaktion, auch das Absingen des Deutschlandliedes zum Gegenstand der Sendung zu machen [10]
und dieses positive Erlebnis zur unerwarteten Freude Aller - im Studio wie in der Regie - zum Einstieg des "Otto"-Auftritts durch eine interaktive Gesangesteilhabe zu ergänzen, in der das Publikums das Lied von Hensel und Gretel in Eigenregie absang, so dass sich "Otto als Dirigent" nur noch mit seinem sinngebenden gestischen Gezappel stimmlos einzuklinken brauchte.

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Die Deutschen als - nicht erst seit "PISA" traumatisiertes - "Volk der Dichter und Denker" gaben sich an diesem Abend alle erdenkliche Mühe, sich nun auch in Sachen der Unterhaltung singend und mit Eigenwitz als ein "Land der Ideen" zu profilieren [11], in dem selbst die Beamten in der Lage und freiwillig bereit sind, Witze über den eigenen Berufsstand öffentlich zu zitieren.

PS. Im öffentlich(-rechtlich)en Inhouse-Diskurs stieg sogar Anne Will von den Tagesthemen mit ihrer Überleitung auf das Trittbrett dieses zeitlich deutlich verlängerten "bandwagon" auf, bevor sie sich dem Thema der vorzeitig gewonnenen 19. Deutschen Fussball-Bundesliga-Meisterschaft im Rahmen einer Livschaltung den Münchnern zuwandte.

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Jetzt fehlt nur noch, dass auch das dort ansässige Goethe-Institut die Aufzeichnung dieser Sendung als weiteren "Exportschlager" einer - hoffentlich alsbald interaktiv nutzbaren -
Medienbibliothek den noch nicht "Zugezogenen" in aller Welt online zur Verfügung stellen wird.

WS.

Anmerkungen

[1und nicht die "Stadtmenschen" oder die "Landleute" oder die "Würdenträger" oder die "Lebenskünstler" - auf eine solche "Klassifizierungen" muss man erst mal kommen: die WdR-Redaktion entpuppt sich hier am Vorabend zum 1. Mai als ein echter Vorreiter für ein neues "Schichtenmodell" jenseits der "Klassenfrage" - sic!

[2der zweite Mann bzw. die zweite Frau ist immer noch dreimal besser als jeder "Knopf im Ohr"

[3"... aber ich helfe doch immer gerne" / "...wir sprechen darüber nochmal nach der Sendung" / "... also das hätte ich wirklich nicht gedacht"

[4bis hin zur "Beziehungskiste" zwischen Swinger- und Kegelklub...

[5worauf er am Schluss der Sendung sogar ausdrücklich von der Moderatorin hingewiesen wird - ohne dass es wirklich dem Profil des Sendeformates Schaden zufügte

[6was er auch wirklich hätte tun sollen, aber nicht darüber reden -sic! Umso bedauerlicher, da er sonst sowohl als Institution "Goethe-Institut" als auch mit der eigenen Person wirklich eine gute Figur gemacht und damit positiv zum Deutschland- als auch persönlichen Bild beigetragen hat

[7wobei es geradezu erstaunlich war, dass in den Antworttafeln der Name "infas" weder als Wort- noch als Bild-Logo auftauchte - offensichtlich müssen sie für ihre Arbeit richtig gut kassiert haben ;-)

[8leider wurde die Faxnummer nur zu Beginn der Sendung einmal angesagt und dann in derem Verlauf nie mehr wiederholt - und war auch nicht auf der eigens für dieses Programm erstellten Website als Referenz angegeben - aber vielleicht auch ganz gut so: so kam die für die Sendung vorbereitete Antwort nicht zum Zuge; sie lautete: "wirklich nur in Deutschland möglich: der Holocaust"

[9so konnten beispielsweise in allen Meinungs-Gruppen-Abstimmungs-Bildern immer auch die "Abweichler" identifiziert und herausgestellt werden, ohne sie zu denunzieren: sie blieben anonym, konten aber "personalisiert" werden, wannimmer sich die betroffene Person zu erkennen gab und damit ihr Einverständnis signalisierte. Das war gut so.

[10nach wie vor zeigt sich selbst bei so gelungenen Veranstaltungen wie diesen, noch mehr als anderswo, dass die erste Strophe [Strofe] das "anderen" Deutschland-Liedes durchaus immer noch eine Alternative zu bieten hat mit
Auferstanden aus Ruinen
Und der Zukunft zugewandt
Lass uns Dir zum Guten dienen
Deutschland, einig Vaterland

[11nachdem die Moderation die ZDF-"Swinger" gleich mehrmals auf dem eigenen Kanal begrüsste, bekam man selbst als Nicht-Insider den Eindruck, hier solle eine klammheimliche Kölner Alternative zum Mainzer Programm "wie es singt und lacht" auf den Sender gegeben werden :-)


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