Zeitungslesend...

VON Dr. Wolf SiegertZUM Donnerstag Letzte Bearbeitung: 20. Januar 2013 um 00 Uhr 09 Minuten

 

… vergeht das Ende des Tages im ICE von München nach Berlin.

In München ist der Flughafen zugesperrt, da die Schneemassen einen Regelbetrieb nicht mehr zulassen.

Auch der avisierte Zug trifft nicht pünktlich ein und wird gleich dreimal am gleichen Bahnsteig falsch angekündigt.

Das hält zumindest die Menschen in Trab – und damit warm. Müssen sie doch immer wieder den Bahnsteig hinauf und wieder hinunter laufen, da die Reihung in den Ansagen mehrmals vertauscht und dann auch noch erklärt wird, dass der ganze Zug nur aus einem und nicht aus zwei Hälften besteht. - Was dann auch nicht stimmt.

Und dann ist doch nach einer halben Stunde Verspätung alles in Ordnung.

Und es werden auf Wunsch Zeitungen gereicht: die "Süddeutsche" und die "Bild". UNABHÄNGIG – ÜBERPARTEILICH BERLIN-BRANDENBURG. So wird die Strecke München – Berlin auch in der Drucklandschaft repräsentiert. Und es gibt ein wenig Anlass zum Zeitvertreib.

Alles, was es in der Bild-Zeitung auf der LETZTEN SEITE zu sehen gibt, kann man gleich wieder vergessen. Und bedarf hier – nicht einmal in kolportierender Form – der Erwähnung. Allenfalls die Meldung, dass sich „Lady Gaga (26)“ dazu entschlossen habe, Jackos „Nerverland Ranch“ „kaufen und renovieren“ zu wollen. Und dass Cherno als Ex-„Moma“-Moderator in schwarzer Montur abgebildet wird.

Dann doch lieber auf Seite 7 der Hinweis des Ex-MoMA-Ausstellungs-Initiators „Prof. Dr. Peter Raue“ der – zu Recht – rechts oben in einem Zweispalter ein Loblied auf das Buch „1913“ von Florian Illes mit einer Lese-Empfehlung beginnt.

Dann doch lieber die Nachricht, dass in Berlin in 2012 weniger Firmen pleite gegangen seien als in anderen Bundesländern. Laut Bürgel sei im Bundesdurchschnitt die Zahl der Insolvenzen um 2,2% zurückgegangen, in Berlin um 6,6%. So auf Seite 5 nachzulesen, während auf Seite 4 der Flughafen-Pleite-Verwalter Platzeck zum neuen Chef des BER-Aufsichtsrates gewählt wurde. [1]

Und bei Lidl gibt es die 1-kg-Packung mit 100%igem Arabica-Ganze-Bohnen-Kaffee seit dem 14. Januar 2013 zum Preis von 7.99, während das MEDION 17,3-Zoll AKOYA P7818 Notebook ab dem 17. Januar 2013 zum Preis von 599 Euro angeboten wird. [2]

In der "Süddeutschen" gar nicht erst bis zum Münchner Teil gekommen.

Auf DIE SEITE DREI steht unter der Überschrift „Zur Hölle“: „Kann sich eine 14-Jährige wehren, wenn sie an einem Islamisten verheiratet werden soll? Nein“, nachdem auf der Seite 1 mit dem Titel aufgemacht wurde: „Merkel: Terror in Mali bedroht auch Europa.“

Im Gegenschuss dazu auf der Seite 6 Auszüge aus dem Bericht der Bundesregierung zur Situation von Eltern und Kindern.

Darin ist nachzulesen, dass in den neuen Bundesländern „62% der Kinder aus einer Beziehung ohne Trauschein“ stammen, in Westdeutschland sind es 28 Prozent. Dabei würde die Zahl der Eheschliessungen weiter sinken. Und das Durchschnittsalter der Jungverheirateten über 30 liegen (Frauen heiraten im Schnitt mit 30,5 Jahren, Männer mit 33.)

Der Hammer: Bei den Bis-30-Jährigen fanden in den späten 80ern nur gut 40%, dass die Familie eine Voraussetzung für Glück sei, „jetzt sind es fast 80“.

Daneben ein Einspalter über die Aussagen des Präsidenten des Bundeskriminalamtes auf einer UNICEF Pressekonferenz: Er sagt, dass es allein in Rumänien 84tausend „EU-Waisen“ gibt, Kinder, deren Eltern beide im Ausland arbeiten und die dann schnell zu Opfern von Menschenhändlern werden.

Auf der gegenüberliegenden Seite die Aufforderung der Ministerin für Justiz und des Ministers für Wirtschaft und Technologie an den Minister des Inneren, Beamte, die in gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften lebten und als solche eingetragen seien, nachträglich für die Zeit vom 1. August 2001 bis 1. Januar 2009 jenen Familienzuschlag zu gewähren, den auch heterogene Lebensgemeinschaften – schlichthin Ehepaare genannt – erhalten haben.

Für den Rest der Reise geben zwei Artikel Stoff zum Nachdenken.

Der Beitrag von Kai Strittmatter auf Seite 11 über die unerwartete Erfolgsgeschichte des Films „Lost in Thailand“, der allein in China alle anderen bis dahin gespielten Filme – nur noch mit Ausnahme von „Avatar“ - in nur 4 Wochen am Box-Office überholt hat. Ein Film, über den Regisseur Xu Zheng selber sagt, dass er nie wieder in seinem Leben einen solchen Erfolg landen würde. Und hofft, dass er „in Zukunft Filme von besserer Qualität mache“.

Der Beitrag von Nicklas Hofmann auf Seite 35 über den Erfolg des PowerBloggers Andrew Sullivan, der seine Seiten nur noch gegen eine Jahresgebühr von 20 Dollar ($ 19.99) einsehbar sein lässt und damit in der ersten Woche vierhunderttausend Dollar kassiert habe.
Und mit einem Verweis auf Stefan Niggemeier, der behauptet, dass diese Modell „eine Zukunft sein“ werde.
Und die Journalistin und Philosophin Antje Schrupp, der es zuförderst und vor allem „um die Freiheit zu schreiben [gehe ], was sie wolle.“

Noch ist diese Reise nicht zu Ende. Aber bevor die Leistungskraft der Batterie erlahmt, hier die Feststellung, dass alle Artikel, die in den ersten 10 Jahren dieser Publikation "DaybyDay ISSN 1860-2967" erschienen sind oder die noch erscheinen werden, „free-of-charge“ sind – und auch bleiben werden.

Good Reading, Folks: stay tuned!

PS.
Die Zeitungen wandern, jetzt wohlgetrennt von der noch herumliegenden Plastikbox für das inzwischen verzehrte Ei-Sandwich, in den Papier-Müll-Eimer.

Anmerkungen

[1Am Sonntag war der Mann als einziger Verantwortlicher auf der Abendschaustelle in Jauchs Gasometer mit dem klaren Bekenntnis aufgetaucht „entweder der Flughafen fliegt – oder ich“. Und einen Bild-Kommentator hatte daraufhin das Schicksal der in dieser Sendung präsentierten in die Pleite getriebenen Kleinunternehmer sogar zu Tränen gerührt…

[2Der QR-Code zu diesem Gerät wird allerdings vom BeeTagg-Reader für Android Version 4.0.7.0.0.12 nicht erkannt.


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