Der Verlust der Bilder

VON Dr. Wolf SiegertZUM Samstag Letzte Bearbeitung: 15. Dezember 2013 um 22 Uhr 42 Minuten

 

Dieser nachfolgende Text wird von den bisherigen Gepflogenheiten der Darstellung abweichen. Jede(r), die (der) schon öfters in diese Publikation geschaut hat, weiss, dass Texte mit einem "Ich"-Bezug so gut wie nie vorkommen. [1].

Es hat sich aber über die Jahre gezeigt, dass es auf Dauer - das heisst nach mehr als zehn Jahren des all-täglichen Schreibens - nicht angehen kann, die persönliche Motivation, die hinter den Anlässen stecken mag, einen bestimmten Text zu schreiben, ganz und gar aussen vor zu lassen.

Also wurde Mitte des Jahres der Versuch unternommen, dieses in einem eigenen Format ebenfalls zum Thema zu machen. Ein Versuch, der inzwischen mehr als einhundertfünfzig Male wiederholt wurde. [2] und nach den bisher überwiegend ermutigenden Reaktionen weiter fortgesetzt werden wird.

In der Nacht vom Samstag auf Sonntag wurde zunächst - als der einhunderteinundfünfzigste Text, dieser hier auf dem Twitter-Account eingestellt:

Am nachfolgenden Sonntag wurde deutlich, dass damit allein zwar die persönliche Befindlichkeit zum Ausdruck gebracht worden war, der Kern dessen, was da erlebt worden war, aber noch nicht hat erfasst, geschweige denn vermittelt werden können.


Es geht um den Verlust jener Bilder, die am Abend einer Vernissage [3] im Haus Schwarzenberg mit der ganz bewussten Absicht "geschossen" wurden, diese in einem Artikel zu verarbeiten, der so nun nicht wird verfasst werden können.

Gestärkt wurde der Entschluss, dennoch - nunmehr "nur" mit Worten - nochmals auf dieses Ereignis einzugehen, nachdem es vor wenigen Tagen Anlass gab, einen anderen Artikel von all seinen Bildern zu befreien, weil eines von ihnen - so eine Anwaltskanzlei aus Hamburg - angeblich nicht zur erneuten Wiedergabe zugelassen sei [4].

"Gerettet" von diesem Abend ist nur noch eine papierne Kopie des Einladungsschreibens, auf dem auf Wunsch und Veranlassung des Autors, sich der Gastgeber nochmals mit seinem Vornamen und dem Datum der Unterschrift "verewigt" hat . Wir stellen diese Seite hier als pars pro toto per Scan ein [5], zusammen mit einem Anhang im *.jpg-Format, der zusammen mit der Einladung elektronisch versandt worden war.

"flyer neurotitan"
Es gelten die Regeln des Urheberrechts all rights reserved

Von allem Anderen, was es an diesem Abend zu sehen gab, gibt es nun nichts mehr zu sehen. Das ist bitter, da es keine andere augenfällige Dokumentation des dort Ausgestellten gibt.

Von den Werken, die auf dieser Ausstellung das eigene Auge und die eigenen Sinne besonders angesprochen haben, ist nur eines auch auf der Einladung abgebildet, dieses hier von Sasha Kisselkova

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Aber auch das ist in seiner Bedeutung und Wirkung nur im Zusammenhang mit einer Reihe weiterer Arbeiten zu ermessen, sowie der Gesamtinstallation, in der sie in diesem Raum eingebunden wurden.

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Ebenso geht es um dieses Bild von Jim Avignon. Dabei war es nicht dieses, das für die eigene Betrachtung ausgewählt wurde. Es gehört zu einer ganzen Reihe von "Pappköpfen", die im Gegensatz zu dem hier gezeigten allesamt mit einer Sonnenbrille ausgestattet wurden.

Das ausgesuchte Bild heisst "Angry Artist", und der böse durch seine Sonnenbrille blickende Künstler wurde auf Bitte des Autors im Duett mit dem lustig in die Kamera blickenden Urheber zusammen fotografiert - und ebenfalls beim Filetransfer von der Kamera auf den Rechner vernichtet.


Aber all die vielen Arbeiten, die ebenfalls einen grossen Eindruck hinterlassen, wie von ihnen erzählen, wenn wir sie an dieser Stelle nicht ins Bild setzen können?

Stellvertretend hier zumindest noch ein Hinweis auf die Arbeiten von Rabea Senftenberg.
Aus einem ausgeschlagenen Notizbuch macht sie ein "note-book": das Innencover ist bemalt und steht für den "screen", und die daran angeheftete Titelseite ist verwandelt in ein "keyboard".

Davor, auf dem von ihr ebenfalls bemalten Ensemble aus Stühlen und einem Tisch, finden wir ein wie ein Buch aufgemachtes Stück Holz, das - naturgemäss - über keine Seiten verfügt, sich also nicht "öffnen" lässt und im "Buchtitel" verrät, um was es geht: um die Geheimnisse der Künstlerin.


Gewiss, wir können jetzt "ins Netz" gehen und versuchen, einige der Arbeiten von einigen dieser KünstlerInnen wieder aufzuspüren.

Das geht - im Prinzip:

Eine Abbildung des "note-books" ist zu finden auf der SenftenbookPro-Seite.
Eine Abbildung einer dem Geheimnisträger-Buch vergleichbaren Variante eines Woodbooks ist ebenfalls auf ihrer Webseite rebea-senftenberg.de zu finden.

Und "das Netz" legt nahe, dass Sasha Killekova und die am 18.04.76 in Sibirien geborene Alexandra Kisselkova ein und dieselbe Person seien...

Und doch wird dieser Versuch nicht weiter fortgesetzt, da der besondere Ort, die besondere Atmosphäre, die besondere Auswahl und Inszenierung der Arbeiten - und vor allem die konkrete Begegnung mit der Arbeit selber mit all diesen Möglichkeiten der digitalen Reproduktion nicht vergleichbar sind.

Dabei wird gerade an diesem Beispiel deutlich, dass die Online-Präsenz der Werke auch ihre ganz eigene Wirkung haben kann.

Beim Aufsuchen des Namens SENFTENBERG unter Einsatz der Suchmaschine "Bing" wurde dies als erster Eintrag ausgeworfen:

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Und wer sich dann den Spass machen und diese Seite wirklich aufsuchen will, der erkannt in eben dieser Darstellung die gleiche frohgemute und artverwandte Re-Präsentation der Haltung der Künstlerin zu sich selbst und ihren Betrachtern. Eben so, wie sie sich Online mit ihrer "Sexszene ohne Darsteller" in Szene zu setzen vermag.

Und siehe da: das (sich) nicht zeigen wollen macht Sinn - und sinnlich.

Anmerkungen

[1Und es wird beim Stichwort-Suchen in diesen Texte vielleicht sogar das erste Mal sein, dass dieses Wort überhaupt hier an dieser Stelle aufgefunden werden wird

[2

[3Hier der Text der Einladung:

Morgen Samstag 7.12. organsiere ich ( mal wieder ) eine grössere Gruppenausstellung im Neurotitan in der Rosenthaler Str 39. Es sind ein paar uralte Freunde dabei, so wie Fehmi Baumbach und Evelin und auch ein paar ganz neue, so wie die 44 flavours und Rabes Senftenberg. Es sind Künstler dabei, die früher mal Galeristen waren, (und nun beherzt das Lager gewechselt haben), so wie Uta und Alex und Künstler, die ich vorher gar nicht kannte und eingeladen habe, weil mir ihr Name gut gefallen hat so wie die Wurstbande und Gogoplata und andere, von deren Projekten ich gehört habe und die interessant fand, so wie Sebastian Lörscher, der ein halbes jahr in Haiti gelebt hat und nun sein gezeichnetes Tagebuch ausstellt. Es sind noch einige mehr mit im Boot, 13 insgesamt, die liste steht unten.
Leider kann es nicht mehr so wie früher, den ganzen Abend Bands und Djs zur Eröffnung geben, da die Nachbarn vom Neurotitan wie überall inzwischen das sagen haben ( und es untersagt haben ) - als kleinen Ersatz dafür habe ich eine kleinwagengrosse Jukebox gebaut, die in der Lage ist praktisch jeden gewünschten Song nicht nur zu spielen sondern den Song auch von kleinen Pappdjs performen zu lassen. Ausserdem wird es wohl trotzdem noch 2 –3 eingeschmuggelte kurze Miniliveshows dazwischen geben. Nicht zu vergessen, der eben erst erfundene Cocktail “ the starving artist” den ich höchstpersönlich in 50 limitierten selbstdesignten Fläschen servieren werde.

Ich weiss das Wetter soll grauenhaft werden am wochenende, und viel los ist außerdem, aber das kann euch doch nicht wirklich abhalten vorbeizuschaun,
Viele grüsse Jim

happy hour at the hypnotist
Eröffnung am 07.12.2013 um 19.00 Uhr
Neurotitan / Rosenthaler Str 39 / Berlin

44 flavours
Evelin
Rabea Senftenberg
Wurstbande
Gogoplata
Lea Heinrich
Moki
Sebastian Lörscher
Sasha Kisselkova
Alex Diamond
Uta Kalthoff
and very special guest Fehmi Baumbach

[4Siehe den Artikel vom 25. Juli 2013: ""Willkommen, Liebe Deutsche""

[5

Es gelten die Regeln des Urheberrechts all rights reserved

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