Damals geheim, heute öffentlich, morgen vergessen?
Jahrestage wie der morgige sind gut und hilfreich. Und die Entscheidung, diese Spanne von achtzig Jahren danach erneut zum Anlass einer Tagung zu machen, erst recht.
Zur Vorbereitung hier (ggf. nochmals) eine Einsicht in eine Reihe von Protokollen und Dokumenten, die vor, während und nach dieser Besprechung am 20. Januar 1942 entstanden, sowie die Biografien aller Teilnehmer [1].
Zur Reflexion trifft man sich zu diesem Thema unter der Überschrift " 20. Januar 1942. Was bleibt?" - eine Anmeldung zur online-Teilnahme oder auch vor Ort ist HIER möglich. - im dbb forum berlin [2] zunächst im grossen Raum, dannch im Rahmen einer online-Reflexion und dann nochmals zu einer Schlussrunde vor Ort.
Diese ’nur’ zu dokumentieren fällt schwer. Dieser Vorsatz wird insofern an zwei Punkten durchbrochen, da an diesen die eigenen Interventionen im Chat als auch im audiovisuellen Onlinedialog mit eingebunden werden.
13:00 Uhr
Eröffnung
Deborah Hartmann, Direktorin der Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz (GHWK)
Mehr als nur ’Grussworte’, sondern auch eine Danksagung an die Beteiligten aus der Vergangenheit und Gegenwart.
Dr. Andreas Eberhardt, Geschäftsführer der Alfred Landecker Foundation
Gegen die Resignation, gegen die Empörung, den tiefgreifenden gesellschaftlichen Veränderungen nachgehen in einer Gemengelage zwischen Reflexion und Aktion. Für ein Update der Gedenkkultur.
Grußworte
Claudia Roth, Staatsministerin für Kultur und Medien
Wir wollen uns erinnern... in die Zukunft: Die Bildungsarbeit und Forschung weiter fördern. Erinnerungsarbeit mit jungen Menschen fördern. Pflege der Gedenkstätten. Internationalisierung.
Dr. Klaus Lederer, Senator für Kultur und Europa
Nach zehn Jahren Planungszeit (sic!) beginnt endlich der Bau des Erweiterungsbaus für ein Seminarzentrum. Joseph Wulf: "Die Massenmörder gehen frei herum, ... züchten ihre Blumen."
13:30 Uhr
Eröffnungsvortrag:
Prof. Dr. Dr. h.c. Dan Diner, Alfred Landecker Foundation, Hebräische Universität Jerusalem
Die "Wannsee-Konferenz" - Über Bedeutung und Gedächtnis
Ein Schwergewicht der Ausführungen liegt auf der Rolle von Reinhard Heydrich und dem schriftlichen Auftrag, die Vorausmassnahmen für die "Endlösung der Judenfrage" zu treffen, von ihm selbst formuliert, von Göring unterschrieben.
Seine These spricht von der Rolle der choreografierten Inszenierung des Ereignisses, in der sich Heydrich (der selbst namentlich als Beteiligter in der Liste nicht aufgeführt wird - sic!) neben Himmler eingebracht hat.
Anstatt von einem, diesem ZeitPUNKT dieses Tages, sollte von einer bereits angelaufenen ZeitSCHWELLE gesprochen werden. Hier fusionieren: August 1941: der Vormarsch in Russland verlangsamt sich, September 1941: der "Blitzkrieg" als solcher ist gescheitert, Dezember 1941: ("Welt")Kriegserklärung Hitlers an die USA. Hier vermählen sich Ideologie und Bürokratie.
Geht es um Schuld oder um "Fahrlässigkeit"? Der Holocaust war eine Form der industriellen Massenvernichtung. Vom Frühsommer 1942 bis zum Sommer 1944, diese "Endlösung" findet wie in einem Zeitstau statt.
Das Gedächtnis ist eine anthropologische Kategorie.
Vergleichen? Ja, aber dann richtig
14:15 Uhr
Kommentar / Reflexion:
Prof. Dr. Sybille Steinbacher, Fritz Bauer Institut, Goethe-Universität Frankfurt am Main:
Bürokratischer Völkermord, genozidale Gewalt und der Drang zum Vergleich
Die koloniale Gewalt schreibt die Vorgeschichte des Holocaust (Hannah Ahrendt). Ihr Vergleich ist legitim. Aber es bleiben die präzedenzlosen Voraussetzungen (Jehuda Bauer).
Prof. Dr. Norbert Frei, Friedrich-Schiller-Universität Jena:
Der Ort der Wannsee-Konferenz in der bundesdeutschen Geschichtsschreibung und Öffentlichkeit
Es geht um die Frage des Stellenwert dieser Konferenz. Es geht um die "Ionisierung" des Protokolls als Dokument.
Zitiert werden nochmals die Sätze von der "natürlichen Verminderung" und der "entsprechenden Behandlung" für die Öffentlichkeit zitiert. Aber ist dies, aus juristischer Sicht, Grund der Anklage gegen die Beteiligten, die bis in die Achtzigerjahre unbescholten überleben konnten.
Wichtig:
> Der Mord an den Juden hatte längst begonnen und wurde nicht erst dort beschlossen
> Es ging dort nicht um die Koordinierung der Endlösung
> Der Historikerstreit zwischen den "Intentionalsiten" und "Strukturalisten" ist überholt
> Es ging bei dieser Konferez vielmehr um die Festigung der eigenen Machtpositonen
15:00 Uhr
Diskussion
Moderation: Deborah Hartmann
Die Persönlichkeitsrechte respektierend, hier als pars pro toto nur der eigene am Schluss im Chat eingestellte Beitrag:
16:00 Uhr
Reflexionsräume in Kleingruppen
Der Zugang war nicht eben einfach und schon gar nicht ’selbsterklärend’ - erst die Anfertigung eines sogenannten sceenshots und die erneute Einspielung dieser Zugangsdaten in ein schon vorhandenes IRIS® Media Zoom-Profil führte zu dem gewünschten Ergebnis: Mit der Aufforderung, sich zunächst in einer Art von stillem Dialog in einem Miro-Dialograum zu engagieren:
Im Nachgang wurden dann diese Einträge unter Leitung einer Moderatorin besprochen. Um hier die Persönlichkeitsrechte der Beteiligten zu schützen an dieser Stelle ausschliesslich der eigene Schlussbeitrrag:
17:30 Uhr
Panel 1: Gedächtnisort „Wannsee“
Moderation: Steffen Jost, Alfred Landecker Foundation
Prof. Dr. Astrid Messerschmidt, Bergische Universität Wuppertal: [3]
Zwischen Erinnerungsabwehr und Verantwortung - Geschichtsbeziehungen in der postnationalsozialistischen Gesellschaft
Heute fragt die vierte Generation nach dem Holocaust nach der Relevanz der NS-Zeit heute. Frage: Was hat das mit mir zu tun?"
Thema Gedenkstätten: Es gibt kein einziges Konzept, das "alles" abbilden könnte.
"Multidirektionalität": Ebenso notwendig und legitim wie bedenklich und infrage zu stellen.
Über die Bedeutung eines Datums und eines Ortes: Jüdisches Gedächtnis und die Wannsee-Konferenz
Hetty Berg, Direktorin des Jüdischen Museums Berlin:
Dieses Dokument hat in der Museumsarbeit bisher so keine Rolle gespielt. Aber es gibt kein anderes Dokument, in dem das Thema des Holocaust so und so deutlich zur Sprache gekommen ist.
Die Juden haben sich in jener Zeit nicht vorstellen können, dass ihr kollektiver Tod hätte geplant werden können. Und nicht jeder, der dies überlebt hat, sieht diese Geschichte gleich.
DAS zentrale Kriterium ist DIE TÄUSCHUNG darüber, was das eigentliche Ziel gewesenist. Das zeigt schon die Sprache des Protokolls und geht bis hin zur sogenannten jüdischen Selbstverwaltung in den KZs.
Cilly Kugelmann, Chefkuratorin der neuen Dauerausstellung des Jüdischen Museums Berlin Berlin
"Wannsee ist nicht so wahnsinnig bekannt." Aber dieser ausgewählte Ort "war eher Zufall".
Das Original dieses Protokolls schafft "eine neue Nähe". Wenn die Zeitzeugen verstorben sind, sind diese Dokumente noch wichtiger.
Jetzt sollen dort - nach 10 Jahren Planung - Seminarräume gebaut werden, aber es gibt immer noch kein Archiv.
Der grösste Kontrast ist die Schönheit des Ortes und die Grausamkeit dessen, was dort besprochen wurde.
Was bleibt: Das ist immer noch die Frage: WIE WAR DAS MÖGLICH?