À PROPOS DE JOAN

VON Dr. Wolf Siegert, Gabriele LeidloffZUM Montag Letzte Bearbeitung: 14. Oktober 2022 um 10 Uhr 09 Minutenzum Post-Scriptum

 

À Propos de Joan
Von Gabriele Leidloff und Max-Peter Heyne

Anlässlich der Verleihung des Goldenen Ehrenbärens an die französische Schauspielerin Isabelle Huppert, bei der sie im Berlinale-Palast wegen einer Corona-Infektion leider nicht persönlich teilnehmen konnte, präsentierte die Berlinale auch den neuesten Film, À Propos de Joan. Es handelt sich um eine elegant inszenierte, in ihrer Dramatik sich allmählich entfaltende Tragödie einer Frau Ende 50, die das bisherige Leben Revue passieren lässt:

Als Teenagerin geht Joan ins Ausland, wo sie sich in einen Iren verliebt. Aus der Beziehung geht ungeplant ein Kind hervor, von dem sie dem Vater nie erzählt. Er ist zwar ihre große Liebe, fällt aber mit einem unsteten Lebenswandel auf und scheint für eine gemeinsame Zukunft nicht in Frage zu kommen. Auch die für Joan so wichtige Beziehung ihrer Eltern zerbricht und ihre Mutter verschwindet mit dem japanischen Liebhaber aus ihrem Leben. Als Alleinerziehende erfährt Joan Höhen und Tiefen im Verhältnis zu ihrem Sohn (Swann Arlaud) und findet schließlich als erfolgreiche Verlegerin an der Seite des sensiblen Schriftsellers Tim Ardenne (Lars Eidinger) eine neue, wenn auch fragile Liebe. Doch die letzten Kapitel der kunstvoll in Rückblenden verschachtelten Story bergen noch Überraschendes – selbst für erfahrene Zuschauer*innen, denn die dramaturgischen Wendungen sind geschickt kaschiert (Drehbuch: François Descodts und Laurent Larivière).

Die Erzählung überzeugt durch ihre sanft dahinfließende, intelligente Struktur. Die Entwicklung der Hauptfigur wird sensibel und nicht vordergründig oder gar aufdringlich in Sequenzen übersetzt. Dass der Regisseur Laurent Larivière zuvor überwiegend als Kameramann gearbeitet hat, merkt man der visuell hervorragend transportierten Geschichte mit ihren erlesen Settings und der pointierten Farbgebung an. Wieder einmal zeigt sich, dass Isabelle Huppert einen Film mühelos trägt, zumal das Leben Joans durchgängig aus ihrer Perspektive geschildert wird.

Da es sich um eine französisch-deutsch-irische Koproduktion handelt, sind Schauspieler aus diesen Ländern vertreten, aus Deutschland Lars Eidinger. Leider ist ausgerechnet seine Rolle des verschrobenen, unreifen Literaten, der auf Konventionen pfeift, schon klischeehaft angelegt. Und dann dreht Eidinger in seinen wenigen Szenen auch noch zu sehr auf, um die Tollpatschigkeit seiner Figur zu vermitteln. Dadurch stören seine Auftritte den Erzählfluss eher als dass sie ihn bereichern. Dies ist aber nicht nur Eidinger, sondern auch Drehbuch und Regie verantwortlich. Schade, es ist das einzige Manko dieses bemerkenswert durchdachten Films, dessen Skript voller Respekt für seine Protagonistin geschrieben und inszenatorisch umgesetzt wurde.
(4 Sterne)