Klausur, Tag 16 (Sensia Pure[r] Elektroschrott)

VON Dr. Wolf SiegertZUM Dienstag Letzte Bearbeitung: 7. Februar 2024 um 20 Uhr 52 Minutenzum Post-Scriptum

 

Dass sich dieser zweite Weihnachtsfeiertag ungewollt am Ende schon wieder als ein Klausur-Tag ausweisen lassen wird, war so nicht beabsichtigt. Und war zunächst veranlasst durch das Interesse, ein in diesen Tagen überlassenes Internet-Radio für den Empfang der BBC-Sender fit zu machen:

Was nicht gelang; obwohl ein gesicherter W-LAN-Empfang eingerichtet werden konnte. Allein, die danach aufgesuchten Update-Angebote blieben aus. Und das Ziel konnte auch auf anderen Wegen, inklusive USB-Links zum Rechner, nicht erreicht werden.

Erst Kopfschütteln, dann Ratlosigkeit, bis dieser Artikel von Markus Weidner in der Ausgabe von teletarif.de vom 28. April 2023, 16:19, aufgespürt wurde:

WLAN-Radios werden im Mai zu Elektronikschrott

Mitte Mai werden zahl­reiche WLAN-Radios ihrer Kern­funk­tion des Inter­net­radio-Empfangs beraubt. Der Hersteller Pure will sich auf die Entwick­lung neuerer Tech­nolo­gien konzen­trieren.

WLAN-Radios sind eigent­lich eine tolle Sache. Die Geräte ermög­lichen den Empfang von Radio­pro­grammen via Internet auch unab­hängig vom Smart­phone, Tablet oder PC. Die Empfänger sehen nicht nur wie herkömm­liche Radios aus. Sie lassen sich auch so bedienen und flexibel in Küche und Bad, Wohn­zimmer und Schlaf­zimmer verwenden, um nur einige Beispiele zu nennen.

Die Empfangs­geräte benö­tigen natür­lich die Daten zu den Programmen, die empfangen werden sollen. Sie greifen dazu auf eigens hierfür gedachte Platt­formen zu. Das funk­tio­niert gut, wenn die Daten­bank regel­mäßig gepflegt und die Platt­form betrieben wird. Die Radios können aber schnell wertlos werden, wenn der Daten­bank-Betreiber seine Dienste einstellt oder die Kondi­tionen ändert.

WLAN-Radio-Entwer­tung ist kein Einzel­fall

Pure entwertet WLAN-Radios
© Foto: Pure, Montage: teltarif.de

In der Vergan­gen­heit mussten Besitzer von WLAN-Radios schon mehr­fach Abschied vom Webradio-Empfang über ihr Gerät nehmen. Jetzt steht das Aus für weitere Inter­net­radio-Empfänger bevor. Das teilte der Smart-Radio-Hersteller Pure jetzt gegen­über betrof­fenen Kunden mit. Pure arbeitet mitt­ler­weile mit Airable und Fron­tier Nuvola zusammen.

Neuere Radios wie das Pure Connect und das Pure Connect+ haben demnach Fron­tier-Nuvola-Chip­sätze an Bord und greifen auf die stets vorbild­lich aktua­lisierte Daten­bank von Airable zurück. Bei älteren Pure-Radios kommt die vom Hersteller selbst betrie­bene Flow-Inter­net­radio-Platt­form zum Einsatz. Diese wird nach Angaben des Herstel­lers zum 9. Mai einge­stellt.

Pure wiegelt Kritik mit dem Hinweis ab, "alle anderen Funk­tionen" der betrof­fenen Radios wie DAB+- und UKW-Empfang seien weiterhin nutzbar. Das nutzt Kunden aber wenig, die Radio über Internet empfangen möchten. Betroffen von der Abschal­tung der Flow-Platt­form sind laut Pure unter anderem Geräte wie Avanti Flow, Contour, Evoke F4, Evoke Flow, Oasis Flow, One Flow, Sensia 200D, Siesta Flow, Sirocco 550 und den Jongo-Laut­spre­cher (bei Verwen­dung der Pure Connect-App). Ähnlich alte, aber nicht betrof­fene Modelle sind den Angaben zufolge Evoke F3, Evoke C-F6, Elan IR3 und Elan IR5.

So begründet Pure die Abschal­tung des Flow-Portals

Pure begründet die Abschal­tung seiner Flow-Platt­form damit, dass neuere Strea­ming-Verfahren wie HLS oder auch die Podcast-Nutzung mit der aus Hersteller-Sicht veral­teten Soft- und Hard­ware nicht möglich sind. Daher konzen­triere man sich auf die Entwick­lung neuerer Tech­nolo­gien. Unver­ständ­lich ist aber, dass das Unter­nehmen seinen Kunden nicht einmal den aktu­ellen Funk­tions­umfang weiter anbietet und statt­dessen die Kern­funk­tion der Radios abschaltet.

Kunden, deren Radios zum 9. Mai weit­gehend wertlos werden, bietet Pure einen Rabatt-Gutschein für den Kauf neuer Produkte im Online-Shop des Herstel­lers an. Hierzu muss ein Eigen­tums­nach­weis für eines von der Abschal­tung der Flow-Platt­form betrof­fenen Produkte erbracht werden.

Soweit, so ungut. Hinzu kommt, dass man zwischenzeitlich die Vorteile eines solchen Rabatt-Gutscheins auch vergessen kann. Nach der letzten Aktualisierung des Eintrages von Jürgen Dilocker vom 02.11.2023 konnte der 30%-Rabattcode oder Gutschein "im Wert von £30 / 30€ / 30CHF für Ihren nächsten Einkauf auf www.pure-audio.com" nur bis zum 31.Oktober 2023 eingelöst werden.

Warum all diese Aufregung und Mühe, das sei nun mal der Preis der Digitalisierung ... Kommentare dieser Art werden auch jetzt wieder eintreffen, sobald dieser Text online gegangen sein wird. Und die Antwort lautet: Weil dieses eine weitere von diesen Mimikry’s ist, von jenen Phänomenen, die exemplarisch erahnen lassen, warum sich - auch junge - Menschen wieder nach mehr Stabilität und Zuverlässigkeit sehnen [1]. In dem Beitrag: Klausur, Tag 12 (Das ABC... für die Nachgeborenen) war von einem "ABC..." die Rede, in dem Begriffe zusammengestellt sind, die in der postdigitalen Zeit zunehmend (wieder) an Bedeutung gewinnen (könnten).

A uthentizität
B roadcast
C ivilcourage
[...]

Und als einer der ganz wenigen (Kommunikations-)technischen Begriffe wurde für den Buchstaben "B" das Wort "Broadcast" eingesetzt. Wie es um die Zukunft dieses Mediums - und dieser Technologie - stehen könnte, dazu diese Deloitte-Deutschland-Studie aus dem Jahr 2018 über Zukunftsszenarien für die TV- und Video-Branche 2030:
 The future of TV and video – Universal supermarkets

6.345 Aufrufe 18.10.2018
Are you curious about what a world would look like in which a few global digital platform companies have replaced national broadcasting? Let’s take a look at a possible future scenario of the global TV and video landscape in 2030!

P.S.

Da gilt es doch noch diese Geschichte zu erzählen. Das Büro ist in allen Räumen mit einer 3-Loch-Kabel-Dose von / für Vodafone, über deren Inbetriebnahme ziemlich genau vor zwei Jahren berichtet worden war: lob@telekom.de. Über den Antennenanschluss wurden mehrere UKW-Radioempfänger/Tuner angeschlossen. Dennoch blieb die Qualität vor allem der Auslandssender wie RFI und BBC absolut unzureichend.
Es soll hier nicht im Detail nacherzählt werden, wie viele Gespräch mit dem Provider sowohl am Telefon als auch in einem der Vertretungsbüros als auch vor Ort geführt wurden, ohne dass irgendeine Verbesserung eingetreten wäre... bis dann jemand von der Störung vorbeikommt und das ganze Thema in wenigen Worten erledigt: es werde in diese Buchsen kein analoges Antennensignal mehr eingespeist - und das schon seit geraumer Zeit. Sagte es, zog sich wieder die Schuhe an und ging. Danke!
Bleibt nur noch die Frage, warum keiner von all den Angesprochenen zuvor mit dieser Info die Frage hätte klären können?

In Ergänzung hier ein zugesandter Beitrag von Robin Wille im Mannheimer Morgen vom 3. Januar 2024:

Düsseldorf/Stuttgart. Wer in Baden-Württemberg über den Kabelanschluss Radio hört, muss sich auf Umstellungen gefasst machen. Der Betreiber Vodafone hat angekündigt, das analoge Radiosignal in seinem baden-württembergischen Teilnetz am Donnerstag kommender Woche (11. Januar) abzuschalten. Auch in Hessen (9. Januar) und in Nordrhein-Westfalen (10. Januar) endet das analoge Kabelradio. In den anderen Bundesländern wurde die analoge Übertragung bereits 2018 abgestellt.

Rund 350 Radiosender sind dann im Kabelnetz nur noch digital empfangbar, wie Vodafone mitteilte. Dafür braucht es geeignete digitale Empfänger. Mit der Abschaltung sollen Frequenzbereiche für zusätzliche Internet-Angebote freigeräumt werden. Der Frequenzbereich, in dem das analoge Kabelradio bislang gesendet wird, ist vor allem für den Upstream, also den Datenverkehr von zu Hause ins Internet, relevant.

Mit dem Wegfall der analogen Übertragung werden die Sendesignale durch eine Bandansage ersetzt, die über den Umstieg informiert. Die endgültige Abschaltung erfolgt am 31. Januar. Zur Zahl der Analog-Radiohörer gibt es nur Schätzungen. Vodafone geht davon aus, dass nur rund 2 Prozent der Kabelkunden in Deutschland den Service nutzen. In der Regel trifft das auf Kunden zu, die ihre Radios oder Hifi-Anlagen direkt mit der Kabelbuchse verbunden haben.

Dazu kommt später ein Hinweis auf diesen Beitrag in der WirtschaftsWoche von Nele Husmann vom 05. Februar 2024 herein: Vodafone ringt in Deutschland weiterhin um Kunden, der mit dem Satz schliesst:

Für den britischen Konzern Vodafone ist der deutsche Markt wegen seiner Größe und der guten Margen hierzulande entscheidend.

Und das wird noch spannend, denn:

Von Juli an dürfen Hausverwaltungen Mietern nicht mehr pauschal in den Nebenkosten eine Gebühr fürs Kabelfernsehen in Rechnung stellen. Mieter können dann ihre TV-Versorgung selbst organisieren und sich für Livefernsehen aus dem Internet über Waipu und Zattoo oder MagentaTV von der Telekom entscheiden.

So Nele Hausmann im vorangegangenen Beitrag vom 20. Januar 2024: Wieso Vodafone jetzt große Werbegeschütze auffährt.

Anmerkungen

[1die Alten verstehen immer noch nicht, warum die Sirenen auf den Dächern demontiert wurden, da diese darauf aufmerksam gemacht hätten, das (gute alte Dampf-) Radio einzuschalten oder sogar anzukurbeln, damit es alsbald zunächst nur für einige Minuten auf Empfang sein kann; und in jüngeren Generationen wird wieder einmal darüber diskutiert, wo die nächst Heimat der Kurznachrichtendienste liegen wird, nachdem es twitter nicht mehr gibt...


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