Gegen Googles Globale Digitalisierung

VON Dr. Wolf SiegertZUM Samstag Letzte Bearbeitung: 19. März 2005 um 11 Uhr 10 Minuten

 

Es wehrt sich mit Widerspruch beim franzoesichen Kultusminister Renaud Donnedieu de Vabres:
Nein, das in der französischen / europäischen nicht anglophonen Literatur aufgehobene Welterbe könnne bei seiner Digitalisierung nicht allein in der Hand eines US-amerikanischen börsennotierten Unternehmens verbleiben.

Das von ihm im Ansatz bereits auf der Berlinale 2005 im Zusammenhang mit der Digitalisierung der Filmdistribution angesprochene Thema wird nun erneut Gegenstand der öffentlichen Diskussion, perspektivisch weit über die Grenzen Frankreichs hinaus.

Dazu zitieren wir gerne Johannes Wetzel aus dem "Dominante Digitalisierung" überschriebenen "Tagebuch" der von uns abonierten Berliner Zeitung vom 19. März 2005:

Bibliotheken sind in Frankreich Chefsache, seit François Mitterrand mit dem Bau der Nationalbibliothek (BNF) Maßstäbe setzte. Jetzt stellt sich sein Nachfolger Jacques Chirac an die Spitze des Kampfs für eine große digitale Bibliothek, für die er in den nächsten Wochen europäische Partner gewinnen will. Zur Eröffnung der Pariser Buchmesse empfing er seinen Kulturminister Renaud Donnedieu de Vabres und den Präsidenten der BNF Jean-Noël Jeanneney. Frankreich und Europa müssten "entscheidend Anteil nehmen" an den "weltweiten Bestrebungen zur Digitalisierung des Wissens", verlangte Chirac.

Damit eröffnet er den von Jeanneney geforderten "Gegenangriff" auf das im Dezember angekündigte Projekt "Google Print": Die Suchmaschinen-Betreiber wollen, in Zusammenarbeit mit den US-Uni-Bibliotheken in Stanford, Harvard und Michigan sowie der New York Public Library und der Uni-Bibliothek im britischen Oxford, 15 Millionen Bücher scannen und kostenlos ins Netz stellen. Die gute Nachricht erschreckte Jeanneney, denn das Projekt setzt trotz seines Umfangs eine drastische Auswahl voraus - die Welt werde dann wohl zwangsläufig aus angloamerikanischer Perspektive gezeigt. Wer sich zum Beispiel nur bei den Engländern über die Französische Revolution informiere, bekomme ein sehr einseitiges Bild von "tapferen britischen Aristokraten, die über blutrünstige Jakobiner triumphieren".

Zu Recht ist den Franzosen unbehaglich, wenn Google-Mitbegründer Larry Page strahlend verkündet, dass Google den Auftrag verfolge, die Informationen in der Welt zu organisieren. Google zufolge sollen auch fremdsprachige Bücher digitalisiert werden - und verspricht künftig europäische, lateinamerikanische und asiatische Bibliotheken einzubeziehen. Darauf will Jeanneney nicht warten, und europäische Kollegen etwa von der Deutschen Bibliothek unterstützen ihn. Jeanneney wünscht sich eine "Digitalisierung mit europäischer Dominante". Das Projekt sei eine "kulturelle, also politische Herausforderung" an den Staat und die EU.

Nun will Chirac Tempo und Umfang der Digitalisierung beschleunigen. Donnedieu de Vabres sieht darin ein Beispiel für die Verteidigung der kulturellen Vielfalt, die kürzlich im Vorentwurf für eine Unesco-Konvention beschworen wurde. Frankreich betreibt seit langem die Digitalisierung seiner Schätze; 15 Millionen Euro gibt der Kulturminister für entsprechende Projekte aus. Kritikern erwidert Jean-Noël Jeanneney: "Die neuen Kommunikationsmittel ergänzen die alten, sie ersetzen sie nicht". Die zur Buchmesse veröffentlichten Zahlen beweisen das auch: Der Umsatz der Branche stieg 2004 in Frankreich um ganze vier Prozent.

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