TV "post digitalis"

VON Dr. Wolf SiegertZUM Freitag Letzte Bearbeitung: 29. August 2008 um 17 Uhr 59 Minuten

 

Die FTD-Konferenz Medien und Entertainment führt heute in Zusammenarbeit mit der FAKTOR 3 AG in dem Räumen der Bertelsmann-Repräsentanz, Unter den Linden 1, 10117 Berlin eine Konferenz zu dem Thema:
Medien und Entertainment durch.

Mit dem Untertitel: Gewinne auf Abruf? – TV-Märkte nach der Digitalisierung greift sie damit ein Thema auf, dass zu Beginn Juli auch schon auf der NMI-Konferenz in Berlin eine Rolle gesespielt hat. Das Key-Note-Thema lauteter: Was kommt nach der Digitalisierung?. [1]

Die Leitfragen der Konferenz lauten:

 Wo steht der Unterhaltungsmarkt 2009? – Chancen und Perspektiven
 Welche Angebote setzen sich im Clip-Zeitalter durch?
 Was macht bewegte Bilder eigentlich bewegend?

In seiner Einleitung schreibt Dr. Thomas Clark im Rahmen eines Grusswortes:

„The medium is the message“,
behauptete in den 60er-Jahren
der Medientheoretiker Marshall
McLuhan und meinte damit, dass
veränderte Medientechnologien
das Sozialverhalten der Menschen
verändern. Die Phrase galt damals
als „verbaler Fingerzeig“ auf die
Wirkung des Fernsehens.

McLuhans Doktrin schien für das
20. Jahrhundert angemessen. Bis vor
Kurzem hatte in der Tat jedes Medium
seine unverwechselbaren Eigenschaften.
Fernsehen funktionierte
technologisch ganz anders als Telefonie,
eine TV-Anstalt produzierte
völlig andere Inhalte als ein Verlag.
Es gab klare Definitionen – und klare
Abgrenzungen. Mittlerweile ist das
anders. Und so muss man im Jahre
acht des 21. Jahrhunderts in Bezug
auf McLuhans berühmte Phrase
fragen: „Welches Medium?“

Die Frage nach dem Wesen zukünftiger
Medientechnologien ist für
strategische Ausrichtungen essenziell.
Medienmanager und Investoren sind
gefordert, Visionen zur digitalen,
konvergierten Medienwelt zu
kreieren, alte Geschäftsmodelle zu
überdenken, neue zu entwickeln.
Das ist eine große Herausforderung,
allein durch die neuen technologischen
Möglichkeiten. Das gilt
insbesondere für Bewegtbilder. „Als
die Bilder laufen lernten“, lautete die
Schlagzeile zu Beginn der Kino-Ära.
Heute, über 100 Jahre später, muss
es heißen: „Als die Bilder in alle
Richtungen rannten!“
Ursprünglich beschränkt auf Kinosäle,
später limitiert auf wenige Frequenzen
in einem engen Spektrum für TV-
Signale, standen „moving images“
über Jahrzehnte nur wenige Transportwege
zur Verfügung, um zum
Konsu-menten zu gelangen. Kabel-
TV, Video und DVD haben die Verbreitungswege
erweitert. Doch die
„logistische Explosion“ passiert jetzt.

Reduziert auf Nullen und Einsen,
komprimiert auf immer schlanker
werdende binäre Codes, lassen sich
Bewegtbilder mittlerweile in bester
Qualität durch Telefonleitungen
pressen oder mit Mobilfunksignalen
übertragen. Sie erscheinen auf dem
Fernsehbildschirm ebenso wie auf
einem Laptop oder dem Display eines
Handys. IPTV, DVB-T, vDSL, DVB-H –
so lauten die technischen Reizwörter
hinter dieser „logistischen Explosion
der Bewegtbilder“.

Der Durchschnittskonsument fängt
mit diesen Abkürzungen wenig an.
Es ist ihm auch gleichgültig, wie und
woher er seine Filme und Sendungen
bezieht. Wichtig ist ihm nur, dass die
Inhalte und der Service stimmen.
Womit sich die Frage stellt: Bringen
die neuen Technologien ein neues
Zuschauervergnügen mit sich? Oder
sind es bloß alte Inhalte, die in neuen
„Übertragungsschläuchen“ serviert
werden?
Diese zwei Fragen sind essenziell für
Investoren, Strategen und Manager.
Können die Telekom, Alice oder
United Internet dem Kunden echten
Mehrwert liefern, wenn sie über vDSL
Programmpakete anbieten? Oder
machen sie damit lediglich dasselbe,
das Kabelanbieter wie KDG und
Unity schon seit Jahren anbieten.
Ist eine Differenzierung nur über
den Preis möglich? Oder gibt es auch
inhaltliche Mehrwerte?

Ähnlich bei Mobile-TV. Geht es wirklich
darum, dass Konsumenten in
Zukunft auf dem Handy Teile der
Bundesliga sehen können? Oder baut
die neue DVB-H-Plattform (digitales
Fernsehen für Handhelds) auf die
Hoffnung, dass Kunden Signalstecker
in den digitalen Flachbildschirm im
Wohnzimmer stöpseln. Und überhaupt:
Wie unterscheidet sich DVB-H
von UMTS?

Es sind oft die kleinen Nuancen, die
den großen Unterschied ausmachen.
Als beim Aufbau der GSM-Mobilfunknetze
Techniker entdeckten, dass im
Spektrum noch etwas Platz ist, um
ein paar Textzeichen zu senden,
dachte wohl keiner daran, dass sie
damit die Saat für einen Milliardenmarkt
gelegt hatten: SMS. Auch der
Bildschirmtext und die CD waren
Zufallsprodukte, deren Potenzial
ursprünglich kaum jemand erkannte.
Was sind die neuen „Killer Applications“:
Video-on-Demand? YouTube?
Digitale Videorekorder?

Um Orientierung zu bekommen bei
Fragen wie diesen, um das Potenzial
neuer Technologien richtig zu verstehen,
haben wir Fachleute zur
Konferenz „Medien und Entertainment“
geladen und wollen wissen,
wo uns in Zukunft „Gewinne auf
Abruf“ erwarten.
[...]

Geplant sind u.a. die folgenden Programmpunkte:

11.00 Uhr Keynote von Horst Stipp, Vice President Primary and
Strategic Research, NBC Universal
TV Reviewed. Entertainment in the digital Age

11.30 Uhr Vortrag · Die deutsche Infrastruktur- und Medienlandschaft – Bremse oder Erfolgsfaktor für IPTV?

12.00 Uhr Vortrag · Zuschauerforschung im Clip-Zeitalter

12.30 Uhr Vortrag · Ein Blick über 2009 hinaus: TV und Technologie-Visionen

Eine Beteiligung an der Veranstaltung war erst nach der Mittagpause möglich. Hier einige Hinweise und Notizen zu den Podiumsgesprächen:

14.15 Uhr Podiumsdiskussion · Das Überallvideo – Welche Angebote setzen sich durch?

 David Mc Gowan, Managing Director, arenaSAT

ist der Meinung, das Zweiwegkommunikation Bestandteil des täglichen Lebens sein wird. Und zwar - nach und nach - in der ganzen breite der Antwendungsmöglichkeiten. Aber er sagt auch, dass dieser Prozess erst im Jahr 2015 stattfinden wird - und vielleicht noch später.

Technologieexperten sind oft nicht die geeignetsten Persönlichkeiten, diese neuen Technologien zu vermarkten. Themen wie zeitversetzte Nutzung (pausing live-tv) oder Kontakt mit anderen Nutzern müssen überhaupt erst als Vorteile kommuniziert werden.

Wofür ist der Kunde bereit, etwas zu zahlen? "The free-offer is a marketing-tool." Es ist nur möglich, in einer Mischkalkulation einen ausreichenden Unternehmensgewinn zu realisieren.

Es ist klar, dass man mit PayTV nicht das grosse Geld machen wird. Wichtig ist es vielmehr herauszufinden, wer der "Gatekeeper" für die "Primary Connection" ist. Dass das Fernsehen sich in einem IP-basierten Protokoll wiederfinden wird, ist schon heute ausgemacht. Die Frage ist, wer das "Hausrecht" an dem Signal ausüben wird.

 Michael Ortlepp, Executive Producer IPTV, Videoload, Deutsche Telekom

Als einziger Videoanbieter alle Hollywoodstutios unter Vertrag. Aber auch mit preiswerten Programmen lässt sich Geld verdienen. GZSZ einen Tag vorher... bringt immer noch gutes Geld. Die Nutzung auf dem PC - speziell auf Notebooks - funktioniert nach wie vor, aber die Entertain-Box läuft noch besser: Mit 3 Filmabrufen pro Kunde und pro Monat.

Die Bundesliga-Rückrunde wurde für 0 Euro angeboten. Und die Kunden haben das gesparte Geld in andere Dienste investiert.

Die "Try & By"-Option ist eine neue Möglichkeit, die in diesen Tagen gestartet worden ist. Zunächst einmal für 2 Monate. Anders sind die Vorteile dieses Mediums nicht zu erklären. Und schon gar nicht in 30 Sekunden.

Weiterhin wird jetzt "Bundeliga interaktiv" gestartet. Und ohne diesen Dienst zu annonzieren, wurde es mehr als gut genutzt.

Und: es gibt neue Kooperation. Mit Pro7Sat1 und deren Inhalten und mit Brainpool.

Dr. Andreas Weinek, GF: The History Channel, Germany

Wenn wir wirklich die Zahlen in unsere Financial-Preview eingestellt hätten, hätten wir heute echt Problme mit den shareholdern.

Ich kann nicht glauben, dass sich die Kreativität des Landes darin erschöpft, einen Fernseher oder ein Kabel oder einen Satelliten zu promoten.

Das Thema der Digitalisierung ist den Leuten immer noch nicht erklärt worden. Es müsse ein Schulterschluss aller Beteiligten geben, um überhaupt diesen neuen Mehrwert dem Nutzer erklären zu können.

Mit unseren Plattformen sind wir sehr in Vorleistung gegangen. Und dafür werden wir nicht alles "free-of-charge" anbieten können.

 Michele Novelli, Direktor Marketing & Sales Alice/HanseNet Telekommunikation

Die Call-Center- Agenten können den Vorteil nicht erkären, die direkte Erfahrung mit dem Produkt dagegen ist mehr oder weniger sofort überzeugend. Seit drei Tagen gibt es das neue Angebot, die Videoinhalte mit einzubeziehen. Und für die Callcenter gibt es viel mehr zu tun. Zur Zeit gibt es 20.000 Nutzer. Das Ziel sind zumindest 100.000 Kunden. Diese Zahl werden wir 2008 nicht mehr erreichen können, wohl aber 2009.

DVD hat vom Start bis zum Erfolg 5 Jahre gebraucht. Diese Zeit wird auch für den Erfolg von IPTV notwendig sein. Ferrero braucht sogar 7 Jahre, bevor sich ein neues Produkt etabliert hat. Vielleicht haben wir ja noch nicht den richtigen Weg gefunden. Aber wir sehen das Interesse, wir werden derzeit zu vielen Konferenzen eingeladen, egal ob die nun auf der IFA oder auf der CeBIT stattfinden.

15.15 Uhr Vortrag · eCommerce reloaded. Konvergenz von TV und Online-Shopping

15.35 Uhr Vortrag · Branded Entertainment – Mehr als ein Marketingtool!

Beide dieser Vorträge wurden ebenfalls nicht begleitet, da in der Zwischenzeit ein "Speed-Dating" stattgefunden hat. Und der hier Berichtende wurde ausdrücklich eingeladen, daran teilzunehmen. Was aus der Rolle des Journalisten erstaunlich war. Und eine neue Erfahrung, zumindest was das Thema "Speed-Dating" betrifft...

Am Schluss der Veranstalter sitzen zusammen

 Dr. Bertold Heil, Leiter Geschäftsstrategie, Medienpolitik, Kooperationsstrategie, Media Broadcast

 Martin Hoffmann, Vorstandsvorsitzender MME Moviement

und beide sprechen - in der Moderation von Dr. Thomas Clark - über das Thema "Was macht bewegte Bilder eigentlich bewegend?. Ein netter Titel, der allerdings den Inhalt dieses Gesprächs nicht ganz trifft. In dieser Runde geht es um die Möglichkeiten, im Internet neue TV-Formate zu entwickeln oder aber andere Formate im Internet fortzuführen, zu erweitern.

Dr. Heil redet über den erstmaligen Einsatz von DVB-H-Mobil-Telefon-Empfängern und den Verkauf der ersten 5000 Geräten in weniger als 7 Wochen. Mit diesen können gleich 4 "made for mobile channels". Von "Kronen-Zeitung", von "Laola Eins", von Universal Music mit dem Namen "Lala" und mit einem "Red Bull TV" - Forma mit einer extrem hohen Akzeptanz. Auch der ORF weist in jeder Nachrichten- und Sportsendung darauf hin, dass man diesen ab sofort auch auf DVB-H sehen kann.

Herr Hoffmann hat selber eine Reihe von neuen Formaten und vorgestellt, die bisher in der Ankoppelung an das Internet erfolgreich waren. Dabei sei es immer wichtig gewesen, das neue Thema immer mit der Koppelung von drei starken Marken an den Nutzer zu bringen.

In der Abteilung: "Digitale Entwicklung" werden inzwischen neue Formate auch wirtschaftlich erfolgreich abgeschlossen. Die "Candy Girls" sind letztendlich zumindest mit einer "schwarzen Null" produziert und verwertet worden. Dabei ist der Anteil dieser Produktionen am Gesamtvolumen des Hauses etwa 10%.

Aus der Sicht des Moderators ist es für ihn nach wie vor nicht möglich gewesen, diese neue Angebote auch nutzen zu können. Diese Erfahrung steht im deutlichen Gegensatz zum klassischen "Rundfunk". Dort hat man nicht mehr zu tun als das Geräte zu besorgen und den Stromstecker einzustecken und den Sendesuchlauf zu betreiben: Und dann geht’s los. Und soweit muss man auch mit den mobilen Endgräten kommen. So der Wunsch und auch die Forderung.

Wie aber verhält es sich denn für den Nutzer, der sich entscheiden muss, ob er sich sein mobiles Videosignal nun über UMTS, über DVB-H oder DVB-T auf sein Endgerät holt. In Österreich, so Dr. Heil, gäbe es schon heute einen grossen Zuspruch zu UMTS- und DBT-H-Geräten und man sei technisch offen gegenüber allen Anbietern, die in diesen oder auch in anderen Formaten ausstrahlen wollen.

"Wetten Daß", das letzte Lagerfeuer der Familie, so Herr Hoffmann, hält die Jugendlichen vielleicht noch am Fernseher, aber ihre Verweilzeit am Rechner ist schon heute wesentlich länger als früher. Und dieses Nutzerverhalten, so schliesst sich Dr. Heil an, ist eine Herausforderung für alle TV-Anbieter. Das gilt nicht nur für das ZDF, sondern selbst so innovative Format wie das von "Red-Bull-TV".

Weitere Details über das gesamte Programm können dem hier beigefügten PDF-Dokument entnommen werden.

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