Der Mensch denkt, der Konzern lenkt

VON Dr. Wolf SiegertZUM Freitag Letzte Bearbeitung: 15. Januar 2015 um 21 Uhr 12 Minuten

 

0.

Mit dem Journalisten-Service - so ist ein einer elektronischen Aussendung der Deutschen Bahn vom Montag, den 30.06.2008 09:00 zu lesen - " wird ein umfassendes Angebot an regionalen, nationalen und internationalen Informationen rund um die DB AG angeboten." [1]

Das Problem bei diesem Konzern ist nun, dass man ihn nicht wirklich immer neutral und objektiv wird begutachten und kommentieren können, da die eigene Nutzererfahrung als Bahnkunde bei der Beschreibung der jeweils darzustellenden Sachverhalte immer mit hineinzuspielen droht.

Deshalb soll an dieser Stelle einmal ganz bewusst nur diese Nutzererfahrunge in den Vordergrund gestellt und als Gegenstand der Unzufriedenheit thematisiert werden.

Dabei geht es, nachdem durch Fehlinformationen und Entscheidungen des Konzern ein Verlust von um die 500,- (fünfhundert) Euro zu verzeichnen ist, um mehr, als um eine persönliche Befindlichkeit ob eines verspäteten Zuges, oder um Mängel bei der Wartung in den 1.-Klasse-Abteilen, oder darum, dass man weder mit eine Inter-Rail-Ticket der 1. Klasse noch einer Journalisten-Bahn-Card 50 die DB-Lounges in den Bahnhöfen nutzen kann, oder, oder, oder ... [2]

I.

Von: kundendialog@ bahn.de

An: berlin@iris-media.com

Betreff: Ihr Erstattungswunsch

Ihre Nachricht vom: 24. Juni 2008

Unser Zeichen: 1-914759002_DIR

Sehr geehrter Herr Dr. Siegert,

vielen Dank für Ihren Antrag auf Fahrpreiserstattung.

Wir haben alle Informationen durchgesehen, können allerdings die Situation nicht nachvollziehen. Der Zugbegleiter hat Ihre Fahrkarte ohne Einschränkung als gültig anerkannt. Auf Ihrem Ticket ist keine Bescheinigung der Reise über einen anderen als den angegebenen Grenzpunkt eingetragen.

Wenn Sie weitere Fragen oder Anregungen haben, rufen Sie uns bitte an. Sie erreichen uns unter der Rufnummer 01805 194 195 (14 ct/Min. aus dem Festnetz, Tarife bei Mobilfunk ggf. abweichend) täglich rund um die Uhr.

Wir freuen uns, Sie wieder als Gast begrüßen zu dürfen.

Mit freundlichen Grüßen

Im Auftrag

Maren Reinsch

Leiterin Kundendialog

Dieses Schreiben liesst sich im Klartext so: Sehr geehrter Kunde, nach unserer Auffassung haben Sie keinen Anspruch auf Erfüllung ihres "Erstattungswunsches". Die Tatsache, dass Ihnen ein zu teures internationales Ticket mit einem falschen Übergangspunkt verkauft und von Ihnen daher nicht genutzt wurde geht uns solange nicht an, solange dieses nicht von einem "Zugbegleiter" vor Ort schriftlich bestätigt und damit für uns glaubhaft gemacht wurde. [3]

Im Gegensatz dazu der Originaltext am Comfort-Schalter am Bahnhof Zoo: "Wenn Sie sich bei uns dieses falsch ausgestellte Ticket auszahlen lassen, müssen wir ihnen dennoch eine Gebühr von 15 Euro berechnen, wenn wir das für sie einreichen, erhalten Sie den vollen Betrag auf Ihr Konto zurücküberwiesen."

II.

In diesem zweiten Fall soll dem Leser die Korrespondenz im Einzelnen erspart werden. Denn der Fall liegt im Grundsatz ganz ähnlich:

Zusammen mit dem Kauf eines Inter-Rail-Tickets in Höhe von mehr als Euro 400.- wurde ein Liegewagenplatz bestellt, der dann aber nicht ausgestellt werden konnte, da der Zug voll ausgebucht war. Da die Reise damit ausfiel wird das noch für keine der 8 Fahrten freigegebene Ticket zur Erstattung eingreicht.

Darauf dann die schriftliche Antwort von Seiten der MitarbeiterInnen des Kundendialoges die bestätigt, dass man das Ticket von dem Schalter des Bahnhofs Berlin-Zoo erhalten habe, es aber nicht erstatten könne, da dieses esrt nach dem ersten Tag der Gültigkeit eingereicht worden sei.

III.

Der Punkt, der letztendlich die Frage nahelegt, ob es sinnvoll und aussichtsreich ist, gegen die Deutsche Bahn Klage zu erheben, ist folgender:

Es mag ausser Zweifel stehen, dass die Mitarbeiter des "Kundendialoges" gute Gründe haben, so zu argumentieren und sich so zu verhalten, wie sie es tun.

Aber es kann nicht angehen, dass die Aussagen der MitarbeiterInnen am Schalter - wenn Sie nicht im Einklang stehen mit dem Regelwerk des Konzerns - nicht dafür gerade stehen müssen, wenn sie den Kunden - und sei es auch nur irrtümlich - falsch informiert bzw. beraten haben. Und das gilt nicht nur für den spezifischen in diesem Falle avisiertern Comfort-Schalter am Bahnhof Zoo, das gilt ganz generell.

Dabei hätte es in beiden der hier geschilderten Fällen zu dem angefallenen finanziellen Verlust kommen müssen:

 im Fall I: wäre klar gewesen, dass es zu solchen Verwicklungungen kommen würde, wäre der "Spatz in der Hand", nämlich die Auszahlung des Neu-Ticket-Preises abzüglich Euro 15.- Bearbeitungsgebühr immer noch besser gewesen als die "Taube auf dem Dach".

 im Fall II: wäre klar gewesen, dass die bereits gekaufte Fahrkarte nicht erstattungsfähig ist, wäre sie einfach genutzt worden.

IV.

Nicht zuletzt der aktuellen Ereignisse in Köln - die nach eigenem Ermessen dazu führen werden, dass die Deutsche Bahn AG echte Probleme mit der Staatsanwaltschaft bekommen wird - soll einmal mehr die Frage gestellt werden, was der Begriff des "Kundendialoges" eigentlich soll, wenn er letztendlich nach dem eigenen Erleben "nur" dazu da ist, den Kunden in einer mehr als trügerischen Ruhe zu belassen, aus der er irgendwann sein böses Erwachen erlebt: als Geschädigter.

V.

Und wer den Schaden hat, braucht bekanntlich auf den Spott nicht mehr lange zu warten: "Du dummer Kunde Du, warum bist Du denn so tumb zu glauben, was man Dir am Schalter sagt. Lies gefällig die AGB’s und mache Deine Recht geltend, bevor es zu spät ist. Wenn Deine Forderungen - pardon: ’Kundenwünsche’ - erst einmal im System des ’Kundendialoges’ gefangen gehalten werden, ist es eh’ schon zu spät. Hast Du das denn immer noch nicht begriffen?"

Doch, werte KollegInnen aus all den Pressestellen dieses Konzerns: Wir haben begriffen. Und dennoch werden wir uns darum bemühen, Ihnen das Leben nicht unbotmässig schwer zu machen.

Aber eines müssen Sie versprechen: sich selber mal in eine Situation zu bringen, die sie ja als Angestellte - oder vielleicht ja auch noch Beamte - dieses Hauses noch gar nicht haben kennenlernen können: Versuchen Sie doch einmal, eine Fahrkarte erstatten zu lassen.

Vielleicht kommen Sie am Schluss auch in eine so absurde wie inakzeptable Situation wie der Autor im hier kurz skizzierten Fall II: ein Mitarbeiter vom Kundendialog versuchte schliesslich, denn Fall in einem Telefonat zu lösen, indem er zu feilschen beginnt: Anstatt der 404.- Euro bot er am Ende des Gesprächs einen Betrag in Höhe von 80,- Euro an, aus Kulanzgründen. Höher könne er aber nun wirklich nicht mehr gehen. Und wenn man nicht bereit sei, dieses letzte Angebot anzunehmen, dann würde es halt gar nichts geben. Das sei sein letztes Wort.

VI.

Es geht also nicht einmal mehr darum, dass der Kunde noch abwägen könnte, ob er sich jetzt für "Taube" oder "Spatz" entscheiden soll, sondern aus Sicht des Konzern gilt offensichtlich nur noch die Regel: "Friss Vogel - oder stirb".

Oder: Schreib einen Artikel.
Was hiermit geschehen ist.

WS.

Anmerkungen

[1Das Schreiben wurde ausgestellt von der Abteilung "Kundenbindung/CRM" der Deutschen Bahn AG - wobei "CRM wahrscheinlich für "Customer Relation Management" steht.

[2Mängel bei der Nutzung der Internet-Seiten, die dann bei entsprechender Reklamation wie folgt beantwortet werden:

Wir bedauern, dass Sie Schwierigkeiten beim Nutzen unserer Seitenin BahnCorporate hatten. Um das von Ihnen beschriebene Problem überprüfen zu können, benötigen wir davon eine möglichst detaillierte Beschreibung. Zunächst empfehlen wir, die Anfrage noch einmal zu versuchen. Sollte der Fehler erneut in Erscheinung treten, können Sie uns gerne erneut kontaktieren.

Teilen Sie uns dann bitte mit, zu welchem Zeitpunkt (Tag/minutengenaue Uhrzeit) Sie Ihre Anfrage versuchten und welche konkreten Eingaben Sie dabei vornahmen.

Schicken Sie uns dazu bitte Screenshots (Bildschirmkopien) der einzelnen Abfrageschritte und die URL der Seite, auf der der Fehler letztendlich erschien.

Wir werden diese Fehlermeldung entsprechend weiterleiten.

Für Ihren Hinweis und Ihre Mithilfe möchten wir uns bereits an dieser Stelle herzlich bedanken.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr bahn.corporate Online-Team

Ein solches Schreiben - in Bahnkreisen schon als "state-of-the-art"-Dokument für gelungene Kommunikation bewertet - macht klar, dass es dem Kunden ein für allemal signalisiert, dass er als EDV-Spezialist ausgebildet sein muss, wenn er die von ihm angesprochenen Mängel wirklich beweiskräftig und nachvollziehbar zur Geltung bringen will.

Nur, dass man so eine Position nicht mehr wird kommunizieren können. Ein solcher Versuch würde in einer Replik wie dieser enden: "Was wollen Sie denn: Wir haben doch in unserem Schreiben schon das Wort ’Screenshot’ durch den deutschen Begriff ’Bildschirmkopie’ ergänzt. Und sind damit schon weit fortschrittlicher als so mancher von den Kollegen, die immer noch der Meinung sind, man müsse die Bahn dadurch modernisieren, indem man alles ’auf Englisch’ macht".

[3Lassen wir noch mal dahingestellt, ob das Wort "Zugbegleiter" nun wirklich ein Kommunikationsplus gegenüber dem Wort "Schaffner" ist. In dem hier ziterten Fall wurden die entsprechenden Erkundigungen in Holland auf dem Bahnhof in Utrecht eingeholt.

Es gelten die Regeln des Urheberrechts all rights reserved

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