I.
Am Montag, den 26. März 2012 schreibt Peter Turi in seinem OnlineDienst: turi2.de für medienmacher:
Hubert Burda macht gute Geschäfte - mit Katzenfutter: Während "Bunte", "Focus" und Co in Deutschland stagnieren, wachsen die Erlöse aus Burdas Beteiligungen am E-Commerce. [...]
Dabei wuchs der Umsatz mit Digitalem von 587 auf 937 Mio Euro innerhalb eines Jahres. Allein die erstmalige Konsolidierung des Tierfutter-Versenders zooplus AG ergibt ein Umsatzplus von 245 Mio Euro. Fast schon jeder zweite Euro vom Burda-Umsatz - genau: 43,1 Prozent - kommt aus dem Digitalen. Das frühere Medienhaus wandelt sich im rasanten Tempo zum Gemischtwarenladen...
Und er ist wahrlich nicht der Einzige, der sich die aktuellen Daten zur Brust nimmt:
"Burda-Bilanz: Trockenfutter und Katzenklappen bringen mehr Umsatz als die Druckereien" heisst es am 26.03.2012 um 11:24 Uhr bei Werben & Verkaufen.
Die Aussagen gleichen sich: Wie schon in dem Bericht über den VDZ-Kongress zum Besten gegeben: der Bereich "Digital" wird bei Burda in Bezug auf den Gesamtumsatz inzwischen mit 43,1 % angegeben: Aber eben auch nur deshalb, weil viele der Umsätze nichts, aber auch gar nichts mehr mit dem klassischen Verlagsgeschäft zu tun haben [1].
Peter bringt es so auf den Punkt: "An "Bunte" und "Focus" hängt zwar noch das Herz des Verlegers, aber immer weniger das Schicksal seines Hauses."
II.
Was also ist nun Substitution, was Diversifikation, und was der Neupositionierung geschuldet?
Auf der dmexco hatte sich Hartmut Ostrowski zur Bedeutung der Digitalisierung für die Medienbranche im September 2011 geäussert und von der Digitalisierung als einer "Evolution auf Speed" gesprochen.
Und gesagt: "Nichts hat die Medien- und IT-Branche so verändert wie die Digitalisierung. Heute sind Geräte unverzichtbar, die es vor zwei Jahren noch nicht gab", sich aber im Grunde mit einem Satz wie "Digitalgeschäfte haben einen großen Anteil an unserem Geschäft - wir sehen optimistisch in die kommenden Jahre" nicht festgelegt.
Aber so viel war dann doch zu erfahren: es sei nicht klug und wenig zukunftsweisend, "digital und analog als zwei getrennte Säulen zu betrachten." [2]
III.
Angesichts der für heute angekündigten Bilanz-Pressekonferenz der Bertelsmann AG im wieder errichteten Kommandantenhaus in Berlin schauen wir bei der Bertelsmann Digital Media Investments BDMI nach und suchen dort nach Antworten, wie es in diesem Hause um die Bewältigung dieser Aufgabe steht.
Die dort ausgestellte Aussage lautet: "Our goal is to partner with companies that can benefit from our innovative spirit and media leadership across the globe."
Es wird interessant sein zu erfahren, ob am Rande der Pressekonferenz des Hauses Urs Cete (engagiert bei Mojiva, Qeep und Exit Games), Keith Titan (engagiert bei Imagespan, Vindicia, RoyaltyShare und als Beobachter bei American Reading Company und Trion Worlds), Jan Borgstädt oder Tobias Schirmer anwesend sein werden. [3]
Es wird spannend sein zu hören, wie dieses Thema heute auf der PK intoniert werden wird.
Schliesslich hat sich das Haus Wissen.de in München inzwischen dazu entschieden, den Brockhaus 2013/14 doch noch einmal als Druckausgabe herauszubringen...
IV.
Nachdem es einigen Aufwand und eines gewissen Durchsetzungsvermögens bedurft hatte, um überhaupt persönlich auf der PK in der Berliner Vertretung anwesed sein zu dürfen, war es möglich, auch im Nachgang zur PK nicht nur mit den Mitgliedern des Vorstandes, sondern auch mit einer Reihe weiterer Führungskräften zu reden, die zu dieser Gelegeneit nach Berlin gekommen waren.
Das war extrem hilfreich und sinnvoll. Sei es, um so langgedienten und vertrauten Kollegen wie Ger(har)d Zeiler [4] nochmals persönlich "Hello - Good Bye" sagen zu können, sei es, um Thomas Hesse - anstatt ihn gleich mit allzu kritischen Fragen unter Beschuss zu nehmen - zur Einführung in seinen neuen Job auch eine Schnittstelle für einen erneuten Dialog mit dem Hause anbieten zu können [5]
V.
Nach der Rückkehr ins Büro in der Kantstrasse gab es eine Überraschung der besonderen Art: alle Internetzugänge auf allen Rechnern waren lahmgelegt, obwohl serverseitig nach wie vor eine Verbindung mit der Aussenwelt hergestellt werden konnte.
Die Absicht, unmittelbar und ad hoc auf die Konferenz und ihre Ergebnisse zu reagieren, konnte damit nicht umgesetzt werden. Stattdessen wurde erst einmal eine Reihe von Sicherungs- und Notfall-Schritten veranlasst, um zumindest sicherstellen zu können, dass diese Probleme nicht das Ergebnis eines externen Angriffs auf die gesamte EDV waren.
Was aber auch zur Folge hatte, anderen Onlinern den Vortritt zu lassen und sich weniger von der Aktualität der Meldungen leiten zu lassen als davon, in welchem Zusammenhang sie interpretiert werden könnten:
VI.
Der operative Gewinn der Gruner + Jahr - Gruppe ist gesunken, der Umsatz um insgesamt etwa 10% zurückgegangen, und der Zeitschriftensektor habe seine Zukunft vor allem in den Auslandsmärkten ausserhalb Europas, insbesondere in Indien und in China.
Das klingt gut, entbindet aber gerade die klassische Zeitschriftenbranche nicht der Notwendigkeit, sich über kurz oder lang von der Hoffnung auf stabile Umsätze in diesem Bereich tragen lassen zu können: Und das wird nicht nur ein Problem der möglicherweise auch weiterhin steigenden Papierpreise sein.
Die Hoffnung auf die Partizipation am Wohlstand der wachsenden neuen Mittelschichten Asiens ermöglicht allenfalls die Verlängerung eines Erlösmodells, das in den USA, aber Schritt um Schritt auch in Europa in Auflösung begriffen ist. Mit dem e-Book-Umsatz von 3% in Deutschland, aber schon über 10% in UK und über 20% in den USA werden hier ganz neue Seiten aufgezogen werden.
[6]
VII.
Das, was dem Geschäft mit den Zeitschriften nun an Herausforderungen ins Haus steht, ist auch für das Geschäft auf dem Buchmarkt längst bitter und harter Alltag - trotz aller schöngeistigen Literatur, der Ankündigung aus dem Jahr 2008 in den Fachbuchsektor einzusteigen und der aktuellen Ankündigung, in den Bildungsbereich stärker zu investieren.
Das Thema ist an anderer Stelle schon so ausführlich diskutiert worden [7], dass an dieser Stelle als pars pro toto auf einen der Titel des Verlages verwiesen wird, der da lautet: "OHNE MIESE DURCH DIE KRISE.
In einem Kapitel - ab Seite 100 - wird ein Text unter der Überschrift angeboten:
"Wie man ohne Miese Veränderungen übersteht" [sic!]
dessen Ursprung nach dem Vorwort des Autors Christian Chin Meyer einer Ausgabe des "Stern" vom Dezember des Jahres 2008 zu verdanken sei.
Die Verlagsgruppe RANDOM HOUSE verspricht dazu auf ihrer Internetseite "ein (gewinnbringendes) Leservergnügen". Und bringt damit einen extrem komplexen Sachverhalt auf einen sehr einfachen Nenner: Auch im digitalen Zeitalter - oder was dafür gehalten wird - geht es immer noch um den heute so genannten "content", um gute Inhalte, die gebraucht werden (wie im Bildungsbereich), die erforderlich sind (wie im Fachbuchbereich) oder die erwünscht sind (wie in der Belletristik). [8]
VIII.
Thomas Rabe - von Peter Turi nach einer versehentlichen Verjüngungskur nun mit seinem wahren Alter als Thomas 2.0 - steht mehr denn je angesichts der aktuellen Zahlen in seiner Verpflichtung als Finanzvorstand eines Unternehmens, das in einen Hybriden aus einer Europäischen AG und einer deutschen KGaA [9] umgewandelt werden soll (Merck und Henkel, die beide im BAG-AR sitzen, lassen grüssen). Und soll doch zugleich als Unternehmensleiter über den Horizont der Quartalsergebnisse hinaus Perspektiven aufzeigen, die als Leitlinien für einen Umbauprozess von fünf Jahren und mehr Geltung haben wollen. Mit der Absichtserklärung, "wir wollen, dass Bertelsmann wachstumsstärker wird, digitaler und internationaler", wird dieser "Thomas 2.0" aber noch kein "Bertelsmann 2.0" auf den Weg gebracht haben. [10]
IX.
Um diese neue Herausforderung bestehen zu können, wurden zwei Quellen angezapft: das mit Beginn des Jahres 2012 inaugurierte Group Management Committee [11] "das den Vorstand in allen wichtigen Fragen der Unternehmensentwicklung berät" und "der konzernweite Dialog [...] um die Mitarbeiter mitzunehmen bei diesem Prozess der Veränderung".
Interessant, dass nicht ein einzige Mal von Einrichtungen wie der Bertelsmann Stiftung und von dem Konzern noch weiter entfernten Einrichtungen die Rede war, deren qualifizierter wie kritischer Sachverstand mit in die Arbeit einbezogen werden könnte.
Dabei wurde deutlich darauf hingewiesen, dass sowohl im Bereich der Jugendarbeit als auch der Bildungsarbeit neue Schwerpunkte gesetzt werden sollen. Es wäre zu hoffen und zu wünschen, dass in diesen Zielgruppen nicht nur potenziell noch wachstumsfähige Absatzmärkte gesehen werden, sondern auch ein Potenzial von DialogpartnerInnen.
Die Ankündigung auf der Presskonferenz, dass man nun auch per twitter mit dem Hause kommunizieren könne, ist dafür vielleicht ein interessantes Signal, aber solche Vögelchen machen noch keinen Sommer.
X.
Zu guter Letzt der Hinweis auf ein im Anschluss an die PK mit Fernando Carro vom
Club- und Direktmarketinggeschäft geführtes Gespräch, in dem es u.a. um die Frage ging, ob und warum es die Entscheidung gäbe, trotz aller Digitalisierung und Virtualisierung doch noch eine 22. Neuauflage des Brockhaus in gedruckter Form vorzubereiten.
Bezug genommen wurde dabei auf ein Interview mit Ulrike Hönsch vom Wissen-Media-Verlag in der Sendung "Fazit" vom 14. März 2012 ab 23:29 Uhr, die in diesem Gespräch von solchen Absichten berichtete:
Interessant, das sich das Haus eine solche Herausforderung zutraut. Und das zu einem Zeitpunkt, an dem die Entscheidung verkündet worden ist, die Britische Enzykopädie nicht noch einmal in gedruckter Form aufzulegen.
Auch dazu ein Interview vom 14. März 2012, das mit dem "Journalist und Autor Holger Ehling" im Deutschlandradio Kultur geführt wurde.
Die an ihn gerichtete Frage lautete, ob er überrascht sei, dass nach nunmehr 244 Jahren das Projekt einer Druckausgabe der "Encyclopaedia Britannica" beendet worden sei. [12]
In der dem auf Google+ zur öffentlichen Nutzung freigegebenen Stream sagt er: