MUCreative Culture

VON Dr. Wolf SiegertZUM Donnerstag Letzte Bearbeitung: 16. November 2012 um 20 Uhr 51 Minuten

 

Für heute 10 Uhr war in die "Ratstrinkstube" des münchner Rathauses eingeladen worden.

Thema der Pressekonferenz war die Präsentation der Studie zur Kultur- und Kreativwirtschaft in der Metropolregion München in Anwesenheit von
 Oberbürgermeister Christian Ude,
 FFF-Geschäftsführer Prof. Dr. Klaus Schaefer,
 Landrat Johann Fleschhut (Landkreis Ostallgäu),
 Detlef Dörrie (Vizepräsident der IHK für München und Oberbayern) sowie
 Michael Söndermann (Büro für Kulturwirtschaftsforschung Köln), der die Studie geleitet hat

angekündigt worden.

Es gelten die Regeln des Urheberrechts all rights reserved

Schliesslich in den hier bezeichneten Raum eingetroffen, war die Riege der bezeichneten Herren eine andere: der Herr Landrat war nicht vertreten, statt seiner war der Leiters des Kulturreferates Dr. Hans-Georg Küppers anwesend und der Herr Dörrie war von dem Herrn Kammerer ersetzt worden.

Wie schon am Tag zuvor ist es offensichtlich nach solchen Ankündigungen für die Beteiligten kein grösseres Problem, wenn die angekündigten Personen nicht erscheinen oder durch andere vertreten werden. Ein neues Namensschild ist schnell geschrieben und der zum Vortrag zu bringende Text ist offensichtlich nicht so komplex, als dass er nicht auch kurzfristig von einer anderen Person vorgetragen werden könnte.

So weit, so gut. [1]

Noch irritierender aber ist die Art und Weise mit der dem auswärtigen Gast mitgeteilt wird, wo und wie er sich einzufinden habe. Es hat ganz offensichtlich den Anschein, dass die Einladungen so verfasst sind, dass sie für eine ganz bestimmt Gruppe von Menschen gilt, die jeweils schon auf bestimmte Voraussetzungen "eingenordet" sind. In Essen war es die Annahme, dass die Besucher samt und sonders mit dem Wagen anreisen würden. Und in München ist es so, dass man offensichtlich davon ausgegangen zu sein scheint, dass die angesprochenen Gäste zu wissen scheinen, wohin man sie einzuladen gedenkt.

Die Sache mit der "Ratstrinkstube" ist der Höhepunkt - mal ganz abgesehen davon, dass in München an diesem frühen Morgen in vielen Stadtteilen der Strom komplett ausgefallen und der gesamte Berufsverkehr zusammengebrochen war [2]

Dennoch war es gelungen, wenige Minuten der Zeit am Rathaus in München angekommen zu sein. Allein der Versuch, diesen Ort zu finden, an den eingeladen worden war, erwies sich als eine wahre Odyssee - und kumulierte zu einer durchaus interessanten Erfahrung.

Das Rathaus bestand aus einem offenen Tor - von denen es, wie später deutlich wurde, mehr als nur eines gibt. Es gibt keine Wache, keinen Pförtner, bis dass es schliesslich gelingt einen wie in Stein gemeisselten stillen Portier zu finden. Dieser ist an der Seitenwand einer Treppe angebracht, die es offensichtlich zu besteigen gilt. Wohin? Wer weiss es...

Auf der ersten Ebene angekommen ist man wie in einer anderen Welt, steinerne Gänge, Rundbögen, ein Mahnmal an die Gefallenen inmitten des Gemäuers, und viele schwere Türen, auch die die Oberbürgermeisters, die alle samt und sonders verschlossen sind. Oder an denen Zettel angeheftet sind, dass man diesen dahinterliegenden Ort auf einen Fall vermittels des Öffnens dieser Tür betreten solle.

Hilfe? Orientierung? Menschen, die einem helfen könnten? Nichts von dem. Und Du fragst dich unwillkürlich: dieses soll der Mittelpunkt, das Herz einer ganzen Stadt und ihrer Region von gut und gerne 5 Millionen Menschen sein?

Nach allerlei Gängen und Ecken finden sich schliesslich Menschen - an der Post-Eingangs- und Verteil-Stelle. Und Du wirst fast an die Hand genommen und Dir wird bedeutet, welche unterschiedlichen Wege es gäbe, um letztendlich das erwünschte Ziel erreichen zu können.

Gesagt, getan. Mit der vollen Reiseausstattung den Anweisungen entsprechend weitergezoge, eine andere Treppe wieder hinuntergestiegen und den von Ferne bezeichneten Ort schliesslich erreicht. Und erneut vor dem Nichts gestanden. Keine Menschenseele zu sehen oder zu hören und davon, dass sich hinter irgendeiner der dort ebenfalls verschlossenen Türen Menschen hätten aufhalten können, keine Spur.

Endlich, eine junge Frau, die sich des so Gestrandeten annimmt, ihn aus dem Gebäude wieder herausführt und über einen Hof in einen anderen Teil diese altehrwürdigen Rathauses. Und die dann auf eine hohe hölzerne geschlossene Tür verweist, hinter der sich das gesuchte Ensemble der oben bezeichneten Menschen befinden solle.

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Die Öffnung dieser Tür gewährt den Blick auf einen kurzen Gang, an dessen rechter Seite eine Art Garderobe zu finden ist, die aber gerade mal einen verlassenen Mantel aufweist und sonst von allem möglichen Zeug - um nicht zu sagen Gerümpel - vollgestellt ist.

Ist man auch dort durch, kommt man schliesslich in den gesuchten Raum. In dem gerade der Herr Bürgermeister seine letzten zu seinem Skript gehörenden Worte verkündet, bevor er das Rederecht nach und nach an die anderen Anwesenden abgibt.

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Das Alles macht - nach wie vor einen Eindruck wie von einer anderen Welt. Von der geradezu bizarren Sitzordnung, die aber auch gar nichts mit dem Arrangement einer möglichen Pressekonferenz zu tun haben könnte, bis hin zu dem Umstand, dass des offensichtlich nicht einmal einen maître de cérémonie gibt, das Mindeste, was man angesichts solcher Räumlichkeiten und deren Ausstrahlung nun erwarten würde.

Der Bürgermeister wirkt vielmehr wie der aufgeklärte Schlossherr den es aus dem späten Mittelalter in die Neuzeit verrissen hat. Und wie er sich mit Witz und Mut zuzutrauen scheint, alles gleichzeitig sein zu wollen: Anreger und Laut-Sprecher, Politiker und Geselle, Oberhaupt und Mitstreiter für die gute(n) Sachen und Aussagen zu seiner Stadt.

Ja, er erlaubt es sich sogar, dem vortragenden Studienleiter in die Parade zu fahren, als dieser den Journalisten etwas in die Feder zu diktieren möchte, womit der nicht mehr und nicht weniger zusagen geneigt war, dass im die Aussage besonders wichtig sei, dass München Stadt und die Region München in gleicher Weise an der hohen Ertragskraft der Kulturwirtschaft beteiligt seien.

Denken Sie daran, so der Hausherr, das sich auch die Journalisten zu den kreativen Berufen hinzuzählen und von daher es sich vorbehalten möchten, ihre eigenen Texte zu verfassen.

Bevor wir also jetzt zu dem eigentlich Anlass dieses und des Nachfolgetermins kommen, sie dieser seltsame Moment nach dem Verlassen dieses Gebäudes nochmal überdacht: eine höchst moderne Denke, eine ambitionierte politische Sicht der Dinge - und wenn man das Gebäude danach durch eine anderes seiner Tore wieder verlassen hat, fällt der Blick auf einen Brunnen und lässt die Gedanken versinken in eine Zeit zwischen gestern und morgen, die sich in dem blendenden Sonnenlicht fast aufzulösen scheint.

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Das gleiche, was im Verlauf dieser morgendlichen Runde verkündet worden war - "wie die Kultur- und Kreativwirtschaft in der Europäischen Metropolregion zusammengesetzt ist, welche Bedeutung diese für die Region hat, wie sie zwischen städtischen und ländlichen Gebieten verteilt ist und welche Position sie im nationalen und internationalen Vergleich einnimmt" [3]. - wurde dann nochmals eine gute Stunde später vorgetragen. An einem ebenso bizarren, aber in seiner Authentizität durchaus stimmigen Ort: in der "Halle 6" im Hinterhof der Dachauer Strasse 112d. [4]

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12.00 Uhr Begrüßung
 Kurt Kapp, stv. Referent für Arbeit und Wirtschaft,
Landeshauptstadt München
 Dr. Hans-Georg Küppers, Kulturreferent,
Landeshauptstadt München
 12.15 Uhr Präsentation der Ergebnisse des Datenreports
zur Kultur- und Kreativwirtschaft in der
Europäischen Metropolregion München (EMM)
 Michael Söndermann,
Büro für Kulturwirtschaftsforschung, Köln

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Wie auf diesem Bild zu sehen: ein total anderes Setting. Hier wurden die Ergebnisse dieser Studie ganz offensichtlich - und einsichtig - jenen vorgestellt, die sie betrafen. Und sie waren gekommen, in grosse Anzahl. Die Halle war bei Beginn der Veranstaltung bis auf den letzten Platz besetzt.

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Und die Zahlen sprachen für sich: all die dort Anwesenden wurden im Lichte dieser Daten darauf aufmerksam, dass sie - selbst in aktuell gerade prekären Lebensverhältnissen - einer Branche zugerechnet werden, die nach der Automobilbranche die zweitstärkste im ganzen Lande ist. Und die - bundesweit - über 14% des Umsatzes erwirtschaftet.

PS.

— Interessant, wie schnell sich die anderen Parteien dieser Aussagen annehmen und allzu gerne vor ihren Karren zu spannen versuchen: so hat die FDP in Kenntnis dieser Studie bereits am 17. Oktober 2012 ein Positionspapier mit dem Titel:Kultur- und Kreativwirtschaft in Bayern stärken verabschiedet und darin u.a. eine "Servicestelle für Unternehmen und Selbständige aus der Kultur- und Kreativbranche" gefordert, "die eine Etablierung auf dem Markt professionell unterstützt und die Vernetzung mit den vorhandenen Kontaktstellen in Wissenschaft, Finanzierung, Wirtschaft und Verwaltung sowie den Austausch der Kreativbranchen untereinander fördert."

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Auch in der der Präsentation nachfolgenden Podiumsdiskussion in der Moderation von Jürgen Enninger vom Kompetenzzentrum
Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes, München kam dieses Thema erneut zur Sprache, nun aber als eine mögliche Idee des Leiters des Kulturreferates Dr. Hans-Georg Küppers. Dabei machte er aus seinem Herzen keine Mördergrube und bekannte sich eindeutig zur Förderung der Kultur, auch wenn sie nicht als Folge dieser Förderung zu einer Verbesserung der Wertschöpfung der Stadt und der Region beitragen würden.

Unter dem Hinweis "Aktuell" wird auf der Seite seines Referates unter dem Stichwort Kreativquartier auch zugleich verlinkt auf die Seite der Metropolregion München und ihrer Partner.

— Interessant, dass eben an diesem Tage in der Süddeutschen Zeitung - ab 10:13 Uhr - darüber geschrieben wird, wie die Stadt Berlin sich die zukünftige Finanzierung ihrer Kreativen vorstellt: mit einer City Tax.

Anmerkungen

[1Aber dann wird es doch echt peinlich:
Bei nochmaliger Durchsicht der Texte und Vorlagen, wird am nachfolgenden Freitagabend, den 16. November 2012, 19:30 Uhr, auf der entsprechenden Seite von "Muenchen.de" immer noch die folgende Besetzung des Podiums zur öffentlichen Darstellung gebracht:
"(15.11.2012) Die erste Studie zur Kultur- und Kreativwirtschaft in der Europäischen Metropolregion München (EMM) haben Oberbürgermeister Christian Ude, Landrat Johann Fleschhut, Landkreis Ostallgäu, Michael Söndermann, Büro für Kulturwirtschaftsforschung Köln, Professor Dr. Klaus Schaefer, Geschäftsführer Film Fernseh Fonds Bayern, und Detlef Dörrie, Vizepräsident der IHK für München und Oberbayern vorgestellt."

[2Siehe dazu den Artikel aus der Süddeutschenvom 16. November 2012 16:08

[3Dazu heisst es auf der FFF-Webseite http://www.fff-bayern.de/index.php?id=newstx_ttnews[tt_news]=897cHash=effab78fcaefad6853e80a3070a48cdc:
Die EMM (Europäische Metropolregion München) hat in Kooperation mit dem Referat für Arbeit und Wirtschaft sowie dem Kulturreferat der Landeshauptstadt München, dem FilmFernsehFonds Bayern und der IHK für München und Oberbayern einen Datenreport zur Kultur- und Kreativwirtschaft in der EMM in Auftrag gegeben

[4Ein Ort der den Autor an wahrlich alte - respektive junge - Tage erinnert, als ihm ein Angebot gemacht worden war, von Theater in Bremen an die Kammerspiele in München zu wechseln.


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