Der Gute Mann von Seh-Ich-Dann

VON Dr. Wolf SiegertZUM Donnerstag Letzte Bearbeitung: 6. Dezember 2013 um 10 Uhr 06 Minuten

 

Holzer / Ory / Engel [1]:

Evolution der Medien -
Das Ringen um Kontinuität.
Festschrift zu Ehren von Professor Wolfgang Thaenert
.
Nomos, Baden-Baden, 2013; ISBN 987-3-8487-1046-1

Warum / Wie dieser Text entsteht.

Dieser Text wird geschrieben als Kompensation. In der – vielleicht elitären – Isolation eines Zeitgenossen, der die in diesem Buch beschriebenen Propädeutik der Medientheorie und deren Phänomene ebenso kennt, wie einen Grossteil der Verfasser [2] – und zumindest einen Herausgeber.

Das mit der Isolation ist schnell erklärt: Es ist die splendid Isolation des Aussenseiters, der weder als „Freund“ noch als „Weggefährte“ noch als „Kollege“ gefragt wurde, einen eigenen Beitrag zu dieser Festschrift vorzulegen, und der aus ganz persönlichen Motiven an der Verabschiedung des Direktors der LPR-Hessen und auf dessen ausdrücklichen persönlichen Wunsch nach Kassel gekommen ist – und jetzt diesen Ort wieder verlässt, während sich noch der erlauchte Kreis der Gäste in kleinen Gruppen zusammentut, die Gläser hebt und auf das vorbereitete Buffet wartet.

Ja. Es war gut und richtig und wichtig, dieser Einladung gefolgt zu sein. Aber es wäre falsch, ja „verlogen“, sich unter die Anwesenden zu mischen. So sehr es der Wunsch gewesen wäre, hier in diesem Umfeld der Medien-Entwicklung und –Regulierung selber eingreifen und gestalten zu wollen, so haben bereits die Erfahrungen im Verlauf der Gründungsphase des privaten Rundfunks in Ludwigshafen gezeigt, dass dieses Wollen und Wünschen in einer solchen Position nicht in der Weise Gestalt annehmen würde, wie es dem eigenen Gestaltungsinteresse gut getan hätte.

Das Ziel war es immer gewesen, diese „Medien“-Welt nicht nur interpretieren zu wollen, sondern selber aktiv mit zu gestalten, zu prägen, aber auch zu verändern. Und jetzt dies. Dieser Titel, der von dem „Ringen um Kontinuität“ spricht, während gerade in dem letzten Jahrzehnt in der eigenen Umgebung immer mehr von der Tugend und Not-wendigkeit des disruptive thinking die Rede ist.

Also nehmen wir Abstand von all diesen Freunden, Kollegen und Weggefährten, verlassen wir Familienfeier, wie Thaenert-Nachfolger Becker zur Einleitung seiner Rede durchaus passend be- und vermerkte, nehmen den Zug und dann noch einen Zug, warten die Anschluss-Verspätung von weit über einer Stunde in Kauf – und schreiben.

Schauen uns das Buch an und schreiben.

Nein, nicht als Rezensent, nicht als Kritikaster, und ohne jegliche Systematik im Kopf, sondern geleitet von den spontanen Eindrücken des Durchblätterns dieses Bandes, mit 35 Beiträgen, 2 Grussworten, einem Vorwort und einem Foto von Wolfgang Thaenert.

Die Abbildungen

Das Buch verfügt über zwei farbige Abbildungen. Eine IRT-Deutschland-Karte mit einem Überblick über die flächenmäßige Verteilung der empfangbaren DAB+ Programme auf Seite 153. Die ist trotz ihrer hohen Aussagekraft ziemlich klein geraten, so klein, dass die Farblegende kaum, die Copyrightvermerke überhaupt nicht mehr entziffert werden können.

Dafür ist die zweite farbige Darstellung, ein Portrait des hier so hochgelobten Abgängers – wir kommen darauf gleich nochmals zurück – wirklich gross und prägnant geworden. Nur, und das sei hier aus persönlicher Sicht angemerkt, dieses Foto hat nur wenig mit jenem Wolfgang Thaenert zu tun, den der Autor über die Jahren kennen- und schätzen gelernt hat. Selbst auf einem Beichtstuhl hätte er, der Protestant, einen besseren Eindruck gemacht als dieses Studio-Foto, das technisch alle Qualitäten dieser Welt haben mag, aber in keiner Weise einen Einblick gibt in die Seele dieses herzensguten Menschen.

Und ganz im Sinne der Kampagne: „Fotografen haben Namen“ sei es Verlag und Herausgebern daher angeraten, bei aller obwaltenden Sorgfalt auch diese Komponente einer Buchproduktion nicht ausser Acht zu lassen.

Die Ungleichzeitigkeit

Und hier gleich noch ein Weiteres: Wir sprechen hier so deutlich von dem Abgang eines Direktors, weil auf dem Klappentext gleich in der ersten Zeile von dem „scheidenden Direktor“ die Rede ist. [3]
Was bitte, ist denn damit gesagt? In dem Moment, wo dieses Buch in die Hand der LeserInnen gerät, ist der Mann nicht mehr Amt. [4]

Mit Verlaub gefragt: Wo ist das Lektorat? Ein so renommierter Verlag wie Nomos hätte eigentlich solch eine Formulierung nicht durchgehen lassen dürfen. Für einen Zeitungsartikel: „ja“ – aber doch nicht für einen Klappentext. Es gibt kaum ein kürzeres transitorisches Moment eines Angestellten im Öffentlichen Dienst als den seines Ausscheidens. Denn eine solche Ansage verkürzt die Gültigkeit der in diesem Band getroffenen Aussagen auf ganz und gar unnötige Weise.

Und es bleibt nur zu hoffen, dass der hier zu Ehrende, der sich ja deutlich und klar von den „reinen Wissenschaftlern“ abzusetzen bemüht – und dies sogar in seinen abschließenden Bemerkungen auch öffentlich tut – wahr macht, was er seinem Publikum mit grosser Zuversicht und Verve zuzugestehen bereit ist. Dass er sich im Vergleich zur schwergewichtigen Welt der Wissenschaft eher als einen Aussenseiter verstünde und nicht so sehr als einen von ihnen [5], der es aber gelernt habe „zu schreiben“. Und dass es ihn reizen würde, dieses auch in der Zeit nach seiner Pensionierung ausgiebig zu tun.

Wolfgang, wir warten darauf! Und sind bereit und gewillt, gerade jetzt erst diesen Dialog in Angriff zu nehmen. Denn all die am Tag der öffentlichen Verabschiedung gepriesenen Tugenden werden in der nun folgenden Zeit nicht mehr von der gleichen Qualität sein. Im Amte waren sie vorbildlich. Aber jetzt, jenseits des Amtes, sind sie aufzuheben, ist diese verordnete als auch die persönlich gewollte Zurückhaltung aufzugeben. Die langjährige Erfahrung hat gelehrt, die möglicherweise strittigen Positionen so früh zu bedenken und zu benennen, dass sie in einem moderierten Dialog auch an der richtigen Stelle und mit der richtigen Wirkung eingebracht werden können: mit den Waffen eines Schachspielers und im Vertrauen darauf, dass hier letztendlich Menschen miteinander reden können, und nicht – an ihrer Stelle – Gerichte.

Schreiben und Reisen

Dieser Text, wie schon erwähnt, entsteht auf der Rückreise von Kassel nach Berlin. Mit Verspätungen und Wartezeiten von mehr als 100 Minuten. Diese ständigen damit verbundenen Unterbrechungen des Denk- und Schreib-flusses machen es – wie oben schon angedeutet – unmöglich, eine klassische Rezension zu verfassen. Also machen wir uns die Empfehlungen eines der Herausgeber zu eigen, sich auf drei Texte zu konzentrieren: von Claus Detjen, von Hans Hege und von Alexander Roßnagel. Und da es in der verbleibenden Reisezeit nicht möglich sein wird, selbst diese in toto zu analysieren und zu kommentieren, soll aus allen dreien jeweils ein Zitat als pars pro toto herausgesucht werden.

WIRD FORTGESETZT... [6]

Anmerkungen

[1Was für eine seltsame Namensreihung in der Liste der Herausgeber. Das Buch hat noch gar nicht angefangen und schon gibt es das, was eine gedeihliche Entwicklung in der Medienlandschaft behindern wird: falsche Hirarchieebenen!

[2Unter ihnen schon beachtenswerte 2 1/2 Frauen - sic!

[3Eine Redewendung, die auch in der Einleitung der Herausgeber auf S. 7 wiederzufinden ist.

[4Er ist geschieden von der LPR, so schwer ihm das auch fallen mag. Und so schwer es so Manchem fallen mag, in Zukunft auf ihn verzichten zu sollen, auf einen Mann, der bislang immer seine jeweilige Aufgabe wichtiger nahm als sich selber.

[5Und das, obwohl von Seiten der Redner immer wieder auf seinen Titel als „Professor“ abgehoben wird. Zum Teil sogar mit grossartigen Betonungen, wie im Falle von Tobias Schmid – sorry, Tobias, von „Herrn Dr. Schmid“, oder von Stephan Ory, - sorry, Stephan, von „Herrn Prof. Dr. Stephan Ory“

[6nachdem die Verspätungen immer weiter zunahmen und schliesslich die Anreise mit einem Sturz auf eisglatter Strasse fast vorzeitig beendet gewesen wäre :-(


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