Die ZEIT zur digitalen Zeit

VON Dr. Wolf SiegertZUM Mittwoch Letzte Bearbeitung: 30. Dezember 2014 um 20 Uhr 58 Minuten

 

Die Anreise zu diesem Termin erfolgte mit Verspätung. Es regnete in Strömen, und so werden die ersten Teile des Programms nicht weiter auskommentiert werden können.

Aber auch dann kommt die grosse Ernüchterung - oder auch nicht?!
Die erste Diskussionsrunde erfüllt alle traditionellen Klischees: ein Schlipsträger: Dieter Spath [1], ein Turnschuhträger: Daniel Haver und - wieder einmal - keine einzige Frau mit dabei [2]. Die Herren der Zunft - als ausgewählte Repräsentanten DER Zukunft? - legen sich kräftig ins Zeug und versuchen allesamt, eine aktuelle Standortbeschreibung zusammenzupusseln. Jeder hat seinen Mosaik-Beitrag zum Besten zu geben und alsbald wird klar: Deutschland hat Potenzial: als regionaler Markt und für die ersten erfolgreichen Schritte von Start-up-Bemühungen. Aber dann, wenn’s "ums Ganze" geht, um die internationalen Märkte, dann sei der Aus-Weg in die englischsprachige Szene unvermeidlich.
Insoweit ist der Titel dieser Gesprächsrunde richtig gesetzt. Die Frage: "Wie gut ist die deutsche Wirtschaft auf die digitale Revolution vorbereitet?" signalisiert deutlich, dass Deutschland selber nicht die Wiege, der Verursacher, die Triebkraft dieser Revolution ist. Vielmehr sind wir, einmal mehr, "fellow-travellers" - wir diskutieren darüber, wie sich die "Pilger"-Fahrten ins Silicon Valley ausgewirkt haben - und suchen nach Gründen, warum "wir" selber nicht ein treibender Teil dieser Entwicklung geworden sind.
Das Bonmot, dass wir erst eine Bahnsteigkarte kaufen, bevor auf dem Bahnhof die Revolution in Gang gesetzt werden könnte, findet einmal mehr seine Bestätigung. In gut gesetzten Worten, mit einer sauber auspegelten Tontechnik und in frohgemuter Kenntnis der Herausfordeungen, die es noch zu leisten gilt.

09.30 Uhr Begrüssung & Einführung

— Götz Hamann,
Stellvertretender Leiter des Wirtschaftsressorts · DIE ZEIT

09.40 Uhr Impulsvortrag

Digitale Infrastrukturen als Pulsadern einer Revolution
— Lutz Schüler, Chief Executive Officer · Unitymedia KabelBW GmbH

10.00 Uhr Diskussion

Digitale Transformation: Wie gut ist die deutsche Wirtschaft auf die digitale Revolution vorbereitet?

— Daniel Haver,
Chief Executive Officer · Native Instruments GmbH

Wir haben bisher in der Diskussion vor allem von der Autobahn gesprochen, als von den "Autos". Diese aber sind mein Geschäft. Das Umfeld hier in Berlin ist "toll". Denn wir brauchen Mitarbeiter, die die Zukunft "erfinden" können.
Seine Firma wurde 1996 gegründet, sei heute Weltmarktführer, und habe inzwischen erfolgreiche Ausgründungen auf den Weg gebracht.
Das Berlin Profil von "arm aber sexy" hat international funktioniert. Und unser Office ist heute international.
Er berichtet von der Kapitalsuche, und sagt, dafür müsse man nach wie vor ins angelsächsische Ausland fahren, nach London oder nach Boston. Aber die Investorenkonferenz, die er die letzten zwei Jahre in London besucht habe, die wird im nächsten Jahr im Juni in Berlin stattfinden.
KfW udn IBB sind gute Partner für den Start eines neuen Unternehmens.

— Prof. Dr. Klemens Skibicki,
Professor für Marktforschung und Marketing ·
Cologne Business School; Wissenschaftlicher Direktor ·
Deutsches Institut für Kommunikation und Recht im
Internet (DIKRI ); Mitglied des Beirats »Junge digitale Wirtschaft«
beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie

Der Bundesverband der Start-ups hat bei der letzten Ministerreise des letzten Ministers noch eine zweite Maschine gechartert. Das hat es vorher noch nie gegeben. Wir brauchen hier einen neuen Weg. Und die Start-ups, die brauchen keine Subventionen, sie brauchen Kunden.
Es gilt, klare neue Märkte zu finden. "Hätten Sie in Deutschland Facebook gegründet, wären Sie im Knast gelandet."

— Prof. Dr. Dieter Spath, Vorstandsvorsitzender · WITTENSTEIN AG

Wir haben es geschafft, 250 Ingenieure nach Bad Mergentheim zu holen.

Aber wir müssen - dennoch - schneller und kreativer werden. Aber wir haben auch die Chance eine neue Qualität der Produktion zu erreichen, in dem wir das Ganze in Echtzeit abbilden können. Stichwort: Industrie 4.0

Auch die Gewerschaften arbeiten an diesem Prozess produktiv mit.

— Harald A. Summa,
Geschäftsführer · DE-CIX Management GmbH;
Geschäftsführer · eco – Verband der deutschen
Internetwirtschaft e.V.

Wir haben noch viel zu leisten, um die neuen Industrien mit den traditionellen Unternehmen wirklich in Verbindung zu bringen.

Moderation: Götz Hamann, Stellvertretender Leiter des Wirtschaftsressorts ·
DIE ZEIT

Das Bild vom Bundeswirtschaftsminister und seiner Reise ins Silicon Valley war wenig vorteilhaft.
Lars Hinnrichs hat gesagt, dass er seinen Inkubator habe schliessen können, da dazu überall Geld zu bekommen sei.


11.30 Uhr Moderierter Dialog

Teilen und Teilhaben im Digitalen Zeitalter:
Gespräch zur (Zivil)Gesellschaft unter
digitalen Vorzeichen

Hier treffen sich die Drei von der Tankstelle, die sich alle schon ausführlich mit dem Thema der digitalen Betankung beschäftigt haben.

— Tim Renner,
Staatssekretär für kulturelle Angelegenheiten des Landes Berlin

"Die Sozialdemokraten haben Marx gelesen, sind aber keine Marxisten."

Warum hat Apple versucht, den Leuten was zu schenken, was diese gar nicht wollen. Hat Tim das gerne gesehen? Tim: Nein. Seine Reaktion war: "holt den Scheiss wieder runter".

Digitalisierung wird dann also positv empfunden, wenn es einem den Freiraum erweitert. Das gilt für Dienste für Spotify. Und der Vorteil ist gar nicht so sehr die Musik, sondern die "convenience". Und das führt dazu, dass die Markt wieder so floriert, wie Mitte der 00er Jahre. Aber: die Musiker können davon immer noch nicht besser leben als zuvor auch. Also: Neue Technologien, aber immer noch die alten Marktmodelle.
_In der digitalen Zeit dürfen wir nicht in der analogen Politik hängenbleiben. Nicht so wie bei Bernd Neumann und seine Novelle über die verwaiste Werke, die gut gemeint ist aber keine Wirkung zeigt für die aktuelle legale Nutzung.
_Heute lautet die Aufgabe: "Vergüten statt verbieten" !

Er nennt Geesche einen "Digital Champ" - und alle lachen...


— Prof. Dr. Geesche Jost.
Geschäftsführende Direktorin · Institut für Produkt und
Prozessgestaltung · Universität der Künste Berlin;
Direktorin · Design Research Lab;
Digitale Botschafterin Deutschlands

Es galt in Europa einen Kreis von Digital Champions einzurichten. Und mit Herrn Oettinger zu reden. Und über ein europaweites Leistungsschutzrecht.

Nein, die Kulturflatrate ist auch nur eine neue Monsterbürokratie und das wäre "der Tod in Tüten". Die Creative Commons Lizenz Modelle sind da viel tragfähiger.

Die Politik ist offensichtlich der Meinung, dass wirklich sensiblen Sache per SMS zugeschickt werden. Aber es lebt nach wie vor der physische Vermerk.

Moderation: Jochen Wegner, Chefredakteur · ZEIT ONLINE
Jochen bittet gleich zum Beginn darum, sich das Handy von Geesche ausleihen zu können. Und will damit zeigen, dass das Digitale schon sehr nahe an der Seele ist.

12.00 Uhr Diskussion

Und dann geht es einmal mehr darum, dass das Thema Sicherheit ein Thema ist, das auch die Bevölkerung betrifft - aber nicht interessiert. Und jetzt wird deutlich, dass es ein Fehler war, nicht einen "Sicherheitsgurt für Internetnutzer" einzuführen.

Wer macht das Netz frei und sicher:
Technik oder Politik?

— Dr. Wieland Holfelder,
Engineering Director & Site Lead · Google Germany GmbH

Er macht Werbung für neue Möglichkeiten, sich über ein kleines Gerät verschlüsseln zu können. Und seit zwei Wochen wird auch "simply.security.org" unterstützt.
Wir waren empört, als wir erfahren hatten, dass sogar alle privaten Leitungen verschlüsselt worden sind.

—  Dr. Günther Welsch,
Fachbereichsleiter Koordination und Steuerung · BSI – Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik

"Ich habe ein persönliche Meinung dazu, aber die tut hier nichts zur Sache."
Wir sollten es uns nicht zu einfach machen und so tun, als ob wir auf einer Insel der Glückseeligen leben. Spionage ist fakt. Und wir müssen damit umgehen. Und wir müssen auch Sicherheit produzieren. Und damit auch rechtstaatliche Eingriffe zulassen. Auch beim Postgeheimnis ist das so.
Die meisten Schäden auf den lokalen Rechnern werde per Mail auf diese aufgespielt. Und da hilft auch keine end-to-end-Verschlüsselung.
Wir haben ca. 4000 Schwachstellen in der IT-Welt pro Jahr. Und das ist eine kriminelle Untergrundindustrie.
"Ja" zum IT-Sicherheitsgesetz.

— Anne Roth
Referentin im NSA -Untersuchungsausschuss; Mitbegründerin · Indymedia

Es wäre toll, wenn wir die Verpflichtung zur Verschlüsselung fördern könn(t)en. Es gibt schon heute solche Gruppen und Initiativen. Und dann könnten solche "Airbags" und "Sicherheitsgrute" sogar Pflicht werden.
"Ich habe einen Traum. Die Bundesregierung würde eingestehen, dass sie Fehler gemacht hat." Hier wir stattdessen gemauert und blockiert.

— Dr. Konstantin von Notz,
Mitglied des Deutschen Bundestags ·
Bündnis 90 / Die Grünen

Sich jetzt bei Hackern mit 300 Millionen einzukaufen, das sei "komplett irre". Im Untersuchungsausschuss kommt es zu dem Umstand, dass aus mehreren Quellen gesagt wird, dass das, was der BND macht, verfassungswidrig sei.
Bei uns im Ausschuss wird zur Zeit alles getan, um die Transparenz maximal zu erschweren. Die Frage ist, ob sich der Staat offen für seine Rolle bekennt.
Nein, keine anlasslose Datenerfassung.

Moderation: Jochen Wegner, Chefredakteur · ZEIT ONLINE

"Ich bin ein einfacher Diplompysiker..."
Hat seine Meinung geändert: Nachdem die Industrie gezwungen war, mit der NSA und Konsorten zusammenzuarbeiten. Und darüber zu schweigen.

PS. Zwei Tage später kommt eine Mail mit einigen auswertenden Nach-Fragen, Generiert mit dem WebSurveyCreator-Tool. Das ist legitim - und wurde auch beantwortet.

Anmerkungen

[1Jochen macht es besonders schlau. Er trägt auf seinem schwarzen Hemd einen schmalen schwarzen Schlips. Und macht diesen damit schon wieder ein Stück unsichtbar für die, die ihn aus anderen Zusammenhängen her kennen.

[2... so dass man diesen ganzen Vormittag mit einer einzigen Frau auf dem Podium auch mit dem Titel belegen könnte: "Warten auf Geesche Jost"


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