Den Daten sollen Taten folgen

VON Dr. Wolf SiegertZUM Freitag Letzte Bearbeitung: 20. April 2015 um 22 Uhr 53 Minuten

 

"Einen Tag, nachdem die Leitlinie zur neuen Vorratsdatenspeicherung bekannt wurde, waren sich Experten einig, dass die Speichertechnik nicht gegen schwere Straftaten und Terrorismus hilft" - so heute, am 17. April 2015, im Newsticker von heise-Online im Bericht über ein Symposium zum Thema IT-Sicherheit zwischen Überwachung und freier Internet-Nutzung zu lesen.

Da der Verlag sich ja darin verpflichtet sieht, seine Beiträge möglichst lange im Netz bereitzuhalten, reicht zur Vermittlung dieses Themas wohl der hier gesetzte Link.

Ganz anders dagegen der vorab publizierte Kommentar der frühsonntäglichen Inlandschronik auf "B5 aktuell" im Bayerischen Rundfunk, der nur für eine begrenzte Zeit im Netz der öffentlich-rechtlichen Anstalt stehen wird und daher, mit zustimmender Kenntnisnahme der Autorin, Sissi Pitzer, hier in voller Länge - und Schärfe - wiedergegeben wird: ad vitam aeternam (soweit das in diesen digitalen Zeiten überhaupt noch eine Gültigkeit hat).

Da haben sich unsere Politiker wohl ausgerechnet ein Vorbild an Griechenland genommen: Dort darf man nicht mehr Troika sagen, sondern „Institutionen“. Und bei Union und SPD heißt „Vorratsdatenspeicherung“ jetzt „Höchstspeicherfrist“. Aus einem Viertel Jahr, wie früher geplant, sind jetzt 10 Wochen geworden – 14 Tage weniger. Für wie dumm darf man die Bürger eigentlich verkaufen?

Bei SPD-Chef und Vizekanzler Gabriel wundert man sich ja schon gar nicht mehr. Der hat vom Internet nun gar keine Ahnung und hängt sein Mäntelchen in jeden Wind, der das Verschwinden seiner Partei in der Bedeutungslosigkeit verhindern könnte. Und dieser Wind weht gerade mal wieder aus Richtung „mehr Sicherheit“ – also ist der Chef einer Partei, die mal für Freiheit stand, FÜR Vorratsdatenspeicherung, kurz VDS. Schlimmer sein Parteikollege Heiko Maas: „VDS lehne ich entschieden ab – verstößt gegen Recht auf Privatheit und Datenschutz“ twitterte er vor gerade mal vier Monaten. Dafür gebührt dem Justizminister schon jetzt der Titel „Umfaller des Jahres“. Durchgesetzt haben sich CDU und CSU, die schon immer an unsere Daten wollten. Die große Überschrift über VDS lautet: Alle Bürger stehen unter Generalverdacht. Denn es geht um anlasslose Überwachung. Stellen Sie sich einmal vor, in jeder Wohnung würden Kameras hängen – Sie könnten ja ein Verbrechen planen! Das wäre ein Eingriff in Ihre Grundrechte – und genauso absurd ist es, Telefon- und Internet-Verbindungsdaten zu speichern, um vielleicht einem Verbrecher oder Terroristen auf die Spur zu kommen. Anschläge wie der auf Charlie Hebdo sind nicht verhindert worden, obwohl Frankreich die Vorratsdatenspeicherung hat.

Und dann die entscheidende Frage: Wer hat überhaupt Zugriff auf diese sensiblen Daten – und warum? Ein Richter soll entscheide, die Rede ist von "schweren oder schwersten Straftaten" – doch was ist das? Aus der CSU ist schon zu hören, dass auch Wohnungseinbrüche dazu zählen sollen. Auch die Polizei ruft schon nach mehr. Und die Geheimdienste? Die werden im Zweifelsfall einfach zugreifen – oder wie will man den Missbrauch unserer „vorsorglich“ gespeicherten Daten verhindern? – NSA und Co. lassen grüßen.

Vorratsdatenspeicherung, neuer Anlauf: Wir alle unter Verdacht. Das ist nicht der freiheitliche, demokratische Staat, den wir meinen, in dem wir leben wollen. Um es mit dem berühmten Philosophen Karl Popper zu sagen, Zitat: "Wir müssen für die FREIHEIT planen und nicht für die SICHERHEIT, wenn auch vielleicht aus keinem anderen Grund als dem, dass nur die Freiheit die Sicherheit sichern kann." Dem ist nichts hinzuzufügen.

Am nächsten Montag, am 20.04.2015 werden dann ab 10:10 Uhr in der Moderation von Dirk Müller zum Thema "Vorratsdatenspeicherung. Weniger Freiheit für mehr Sicherheit?" in der Sendung KONTROVERSdes Deutschlandfunks miteinander streiten:
— Oliver Malchow, Bundesvorsitzender Gewerkschaft der Polizei
— Stephan Mayer, CSU, Innenpolitischer Sprecher Unionsfraktion, Bundestag
— Peter Schaar, Europäische Akademie für Informationsfreiheit und Datenschutz

Herr Peter Schaar war in den letzten Tagen bereits mehrfach auf den Sendern des Deutschlandradios befragt worden: im "Feuilleton im Radio" ebenso

wie im DLF-Interview mit Dirk-Oliver Heckmann: Telefonieren nur Verdächtige?.


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