ANGA COM: Kabel & Konvergenz, Klüngel & Konferenz

VON Dr. Wolf SiegertZUM Dienstag Letzte Bearbeitung: 14. Juni 2015 um 13 Uhr 08 Minuten

 

Du fährst nach Köln zum Medienforum NRW? Das willst Du Dir wirklich noch antun?

Diese Frage war mehr als einmal zu hören, seitdem die Entscheidung fest stand, zumindest für diesen einen Tag aus Anlass der Eröffnung der ANGA COM von Berlin nach Köln zu fahren - und wieder zurück.

Und in der Tat tauchte diese Frage noch mehrmals auf, spätestens als auf der Rückreise der Zug wegen der Entschärfung einer Fliegerbombe durch das Ruhrgebiet umgeleitet werden musste. Aber auch schon kurz nach dem Eintreffen in Köln, als der Fahrer des Shuttle-Busses am falschen Ende des Geländes den Gast buchstäblich auf die Strasse setzte, oder als das Personal an den Infoständen entweder gar nicht zu finden war, oder - im ärgsten Falle - ständig private Telefonate führte und dann - schlussendlich - auch noch Angaben machten, die überhaupt nicht zielführend waren...

Und trotz alledem, das sei an dieser Stelle schon einmal festgehalten, bevor es hier noch zu einer ausführlicheren Darstellung kommt, und trotz alledem wird sich die An- und Abreise an diesem wahrlich langen Tages gelohnt haben.

Nicht nur wegen dieses Rituals des Sehens und Gesehenwerdens, des Ansprechens und Angesprochenwerdens von Freunden und Kollegen, mit denen man in vielen Fällen nach so vielen Jahren per Du ist...sonder auch, weil hier wie in einem Brennglas festzuhalten war, wie stark und wie nachhaltig sich dieses Medienlandschaft in den letzten Jahren verändert hat - und noch weiter verändern wird.

Bevor das hier in aller Ausführlichkeit dokumentiert wird, wollen wir zunächst abwarten, ob dies nicht auch an anderer kompetenter Stelle geschieht, so dass dann darauf verwiesen werden kann.

Denn es gibt Punkte, die letztendlich dann doch deutlich machen, dass es sich auf den Territorien solcher Treffen immer mehr um no go areas handelt. Und das zumindest aus diesen Gründen:

Erstens: Dass es im Rahmen dieser Veranstaltung vornehmlich um Technik geht und nicht so sehr um die Menschen, für die sie zum Einsatz gebracht werden soll, steht in einem eklatanten Gegensatz zu der in immer neuen Varianten wiederholten Erklärung, dass letztendlich der Zuschauer entscheide, was Sache ist.

Zweitens: Dieser Zuschauer ist offensichtlich nach wie vor ein nicht ausreichend bekanntes oder bekanntgemachtes Wesen. Wie sonst ist es eigentlich erklärlich, dass auf den Podien so gut wie keine Frauen auftreten und sich zu Wort melden konnten? Hier reicht der Hinweis, dass es eben zu sehr um technische und allenfalls strategische Fragen ginge, nun wahrlich nicht aus - und macht die Sache eigentlich noch schlimmer und unerträglicher. Und wo kann man denn noch Verbündete suchen, wenn schon in diesem Jahr die Verantwortlichen für Poltitik und Programm Hannelore, Petra und Anastasia mit Vornamen heissen?

Drittens: Es mag sein, dass sich das an den Folgetagen noch ändert. Aber an diesem ersten Tag gab es so gut wie keinen Moment, an dem auch einmal intensiver i n h a l t l i c h diskutiert worden wäre. Ja, es wurde darüber hinaus sogar begründet, warum das so sei. Während von Seiten eines RTL-Sprechers zumindest noch die Position in den Raum gestellt wurde, dass man sich von der Konkurrenz mit Inhalten absetzen wolle, die es eben nur bei ihnen zu sehen gäbe, wurde von Seiten der Kabelanbieter sogar behauptet, dass der eigentliche Schlüssel zum Erfolg solche Dinge seien wie die Organisation der Benutzerführung.

Abschliessend muss allerdings zur (Ehren-)Rettung des Bemühens der Veranstalter gesagt werden, dass es wahrlich schwer ist, in Zeiten wie diesen überhaupt noch Kongresse wie diese am Leben zu halten, in denen es um alles möglich gehen mag, aber nicht darum, was die Zukunft des Radios oder des Fernsehens ausmachen würde.

Zwar eignen sich solchen Plattformen immer noch gut für die Proklamation von Forderungen der Politik wie: „die Sieben-Tage-Regel muss weg“, "die Daten dürfen nicht aus der Cloud geklaut werden“ oder "die Grossen dürfen nicht das Netz besetzen". Aber welchen Wert hat das alles noch angesichts der Tatasche, dass es ein klares Eingeständnis in das Versagen gibt, auf die bevorstehenden Entwicklungen nur noch reagieren, anstatt sie zukunftsweisend gestalten zu können?

In der Tat ist es Usus geworden, sich hinter den grossen Unternehmen zu verstecken, die auch gerne behaupten, sich lieber aus Opportunitätsgründen zu entscheiden als auf der Grundlage von strategischen Leitlinien. Aber selbst die Zeiten, dass immer wieder ein neue "Sau durchs Dorf" getrieben und damit das Motto eines Kongresses erklärt werden konnte, auch die sind vorbei.

Die Kongresse selbst stehen zur Disposition. In Berlin ist das Medienforum in der re:publica versenkt worden, in Köln wird der grosse Saal nur noch für einen Vormittag bespielt, und an den folgenden zwei Tage wandert die Veranstaltung vollständig weg vom Messegelände in die Räume der IHK im Zentrum der Stadt.

Und dann bleiben die Techniker endgültig wieder unter sich. Und die Presseverantwortlichen der Aussteller werden es noch schwerer haben, Autoren zu finden, die einem breiteren Publikum erklären können, was ein HF-Matrixschalter leistet und welches die Vorzüge des neuen DOCSIS 3.1 Standards sind. Aber vielleicht finden sich ja in der Stadt doch noch neue attraktive Kongress-Themen und einige Frauen mehr, die dazu auch etwas zu sagen haben werden.

Auch wenn das Fernsehen in seiner bisherigen Form in diesem Jahr endgültig von einem der RTL-Verantwortlichen für tot erklärt worden ist [1]: Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Anmerkungen

[1„Wir sind keine Sender mehr, wir sind ein Bewegtbildunternehmen“


5641 Zeichen