Amsterdam: Cine Expo 2004

VON Dr. Wolf SiegertZUM Montag Letzte Bearbeitung: 13. Juni 2005 um 17 Uhr 34 Minuten

 

I

Alle Jahre wieder, veranstaltet die „Sunshine“ Family mit der Cinema-Expo in Amsterdam die Europäische Variante als Gegengewicht zur US-amerikanischen Film-Industrie-„Show-East“ und „Show-West“. Diese Veranstaltung ist inzwischen zu einem „must“ für die europäische Filmbranche- und Verleihbranche geworden und für die amerikanische ebenso.

Offiziell klingt das in etwa so: Ja, man wisse, dass über 70% des europäischen Filmmarktes aus US-amerikanischen Quellen gespeist werde. Und man habe auch gelernt, dass hier in Europa eigene Regeln und Gesetzmäßigkeiten gelten auf die man bemüht sei durchaus Rücksicht zu nehmen.

Eine der Vorgaben lautet, dass man möglichst unter sich bleiben wolle - es sei denn, die Pressevertreter zahlen voll, wie jeder andere Teilnehmer auch. Dafür, dass wir und dann doch auf individueller Ebene geeinigt: Thank you Robert and Andrew, Thanks: Donna, Jerry & Mitch.

II.

Möglich wurde das Ganze allerdings erst, nachdem die morgendliche Veranstaltung von „Media Salles“ unter dem Titel „Opening Cineams in New Markets“ bereits vorbei war. Allerdings von den Anwesenden, die ich im Verlauf des Tages gesprochen habe, kamen sehr positive Nachrichten. Das wachsende Selbstbewusstsein des neuen Europas würde sich auch im Bereich der Filmdistribution widerspiegeln - vor allem auch bei der digitalen Distribution.

III.

Zum Mittag dann das „Global Digital Cinema Update“ - wobei die Repräsentanten dieses Globus’ aus der Sicht des Veranstalters durch zwei Amerikaner, eine Amerikanerin und zwei Europäer verkörpert wurden.

Zu Beginn und am Ende sprachen jeweils die Sprecher der beiden großen Interessenvereinigungen der Filmtheater NATO in den USA und UNIC in Europa. Am deutlichsten wurde der Niederländer Jan Van Dommelen. Gleich zu Beginn gab er die Parole aus: „Keine Experimente“ und „Schuster, bleib bei Deinen Leisten“. Das Filmerlebnis muss bleiben wie es. Jegleiche Art von Digitalisierung mache erst dann Sinn, wenn die Qualität der Präsentation dadurch noch gewinnen könne. Und wenn die Europa-Kommissarin Reding am Montag, den 17. Mai in Cannes erklärt habe, dass die Zukunft des Kinos noch von anderen Faktoren abhängen würde, dann müsse er diesem heftig widersprechen. Nein, eine sanfte Migration hin zum neuen Distributionsstandard, das sei für ihn nicht nachvollziehbar. All das, was man sich da für Europa ausdenke, sei so für die Kinobetreiber so nicht nachvollziehbar - bis auf die Idee, dass man zu Beginn das gesamte neue Material nicht zu kaufen haben, sondern auf Leasingbasis eingesetzt werden könne. Ansonsten sei Brüssel wahrlich keine Hilfe „they won’t help you, they are only good for pilot projects“.

Das war aber auch schon der einzige wahrlich versteckte Hinweis darauf, dass es noch in diesem Jahr weit mehr als 100 neue Kinos - vor allem aus dem Arthouse-Bereich - geben wird, die mit einer finanziellen europäischen an den Start gehen werden.

Sein US-Kollege John Fithian von der NATO brachte es aus seiner Sicht noch mal auf den Punkt. Auch er würde davon ausgehen, dass es den Kinobetreibern nicht zuzumuten sei diejenigen Vorteile mitzufinanzieren, die sich die Studios und Verleiher aus der neuen Distributionsform schon heute ausrechnen könnten. Und er bringt es auf den Punkt: auch wenn man noch nicht wisse, wie dieses Geld dann wirklich unter seinen Leuten aufgeteilt werden würde, auf Zuwendungen seien auch sie angewiesen und man sei zuversichtlich, dass die ihnen gemachten Versprechungen auch letztendlich in klingende Münze umgesetzt werden würden.

Chuck Goldwater von der Digital Cinema Initiative nimmt nicht direkt dazu Stellung - braucht er auch nicht, da John als letzter der gesamten Runde die Stimme erhoben und zugleich gefordert hatte, dass das Mandat von DCi über den September dieses Jahres hinaus verlängert werden müsse. Allein seine Ausführungen machen klar, dass er die Speerspitze jenes Triumvirates zwischen NATO, UNIC und der DCI ist.

Viele der bekannten - und als mit allen verantwortlichen Kräften auch in Europa abgestimmten - Positionen werde nochmals in das fast voll besetzte Forum im RAI-Kongresszentrum projiziert und erläutert. Sie lauten, in knappes Deutsch übersetzt: „nur das Beste ist gut genug“, „nur ein noch verbessertes Kino ist ein gutes Kino“, „nur ein rundum zufriedener Kinogänger bleibt ein für’s Kino guter Zuschauer“ [„digital must be better than analogue“ „enhance the theatre performance“ „promote the customer“].

Alles, was diesen Zielen nutzt, soll auf der Basis einer bis zu 4 K skalierbaren 2K-Technologie erprobt werden: das „Standard Evaluation Material“, das sogenannte StEM Mini Movie, sei inzwischen fertig gestellt und könne ab sofort zum Einsatz gebracht werden. Das dieses Material in Europa bereits zum Einsatz gebracht wurde, und zwar eben von jenen Fortschrittsgläubigen, die noch in diesem Jahr die ersten 100 Filmtheater ausstatten werden, davon hat er nicht einmal in Andeutungen berichtet.

Vielleicht hat er dies auch geflissentlich verschwiegen, da er sich doch mit seinem „I’m against pre-mature implementations“ einmal mehr gegen all jene Initiativen und Entwicklungen wendet, die sich nicht mehr länger dem „Diktat der Majors“ unterwerfen wollen: seien es jene DVD- und DAT- und Harddisk- Abspielstätten in Indien, die dort zu hunderten aus dem Boden schießen, oder auch die vielen Arthouse-Kinobesitzer überall in Europa, die ihr feines wenn auch kleines Publikum dadurch zu erfreuen und zu halten gedenken, indem sie ihr „Film“-Material mit Hilfe eines gut eingemessenen 1,35 K-Projektors vorzuführen planen.

In der Mitte, wenn vielleicht auch nicht im Zentrum dieses Forums standen die Vertreter der US-Amerikanischen Film-Geräte-Industrie, die SMPTE - Ingenieure und ein Vertreter des noch sehr jungen Europäischen Digital Cinema Forums EDCF. Während es Wendy Aylsworth mit Witz und Geschick gelang, das sehr komplexe Thema der Normierung in klaren und übersichtlichen Diagrammen auf den Punkt zu bringen, hatte John Graham aus England einen schwereren Stand. Und das - Sorry John - lag nicht an dem noch nicht ausgereiften Profil der Organisation. Das lag an so vielen anderen "Kleinigkeiten", mit denen wir uns als Europäer von vorn herein als die Underdogs im Wettkampf der Systeme unterkriegen lassen, bevor wir überhaupt den freundlich kämpferischen Dialog aufgenommen hätten: erst ist sein Auftritt am Rednerpult ein über quälende Minuten schweigender, da sich das Notebook mit der Power-Point-Präsentation nicht in Gang setzen lassen will, und dann ist seinen Entschuldigung über die Tücken der Technik ebenso durchsetzungsfähig sei seine Stimme. Erst nachdem mehrfach im Saal „louder“, „louder“ gerufen wurde - wurde schließlich in der Technikkabine der Regler hochgezogen, John blieb so „klein-laut“ wie zuvor.

IV.

Dass das auch anders geht zeigte uns Joan Allen von Dolby Labs, der uns mit seinem „Cyan Dye Track Update“ ein neues Tonspursystem vorstellen wollte, das ohne die silberbeschichteten Tonspuren auf dem Tonfilm auskommen wird. Ihm gelang es, die ebenfalls auf Grund eines Rechnerausfalls quälende Wartezeit pro-aktiv mit dem Publikum interagierend so souverän auszugestalten, dass er beim erlösenden "Classik-Jingle" des Windows 2000 Starts sogar mit Beifall auf offener Szene belohnt wurde.


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